Wie Daten die Gesundheitsversorgung verbessern
>> Hintergrund des Web-Talks war das kürzlich veröffentlichte BDI-Diskussionspapier zu Real-World-Data. Nach Ansicht der Initiative „Gesundheit digital“ des BDI sind Real-World-Data die „zentrale Grundlage, um die Chancen der digitalen Transformation in der Medizin für eine bessere Gesundheitsversorgung“ zu nutzen. Mit Hilfe dieser Daten könnte die klinische und die private Forschung beispielsweise neue Arzneimittel, Medizintechnologien oder datenbasierte Gesundheitsanwendungen entwickeln, welche die Diagnostik verbessern oder innovative Therapien ermöglichen. Zudem könnten Hersteller Erkenntnisse gewinnen, wie Arzneimittel in der Praxis eingesetzt werden. Dafür brauche es allerdings einheitliche Regeln und vor allem „einen transparenten Zugang“ zu Real-World-Data unter der Beachtung der informationellen Selbstbestimmung und zwar „auch für die forschende Gesundheitswirtschaft“.
Für eine zunehmend digitale Gesundheitsversorgung müsse auch die private Forschung Real-World-Data analysieren und das Wissen patientenorientiert nutzen dürfen, so eine Forderung des Diskussionspapiers. Darum sei es wichtig, ein „stärkeres Bewusstsein“ für den Nutzen von Real-World-Data in Versorgung, Forschung und Entwicklung zu schaffen, was nur durch Transparenz und Vertrauen in die Verwendung dieser Daten unter Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen gelingen könne.
Insbesondere bei der Forderung, dass auch die private Forschung Real-World-Data analysieren dürfen solle, gingen die Meinungen der Web-Talk-Vortragenden durchaus auseinander. Nach einem Eingangsstatement von Prof. Dr. Hagen Pfundner (Roche) sowie Einzelvorträgen von Dr. med. Markus Leyck Dieken (gematik), Iris Plöger (BDI) und Dr. Bernd Ohnsorge (Siemens Healthcare) kam Maria Klein-Schmeinck, die gesundheitspoliti-sche Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort. Sie meinte, dass bezüglich der Nutzung dieser Daten zurecht viel über Vertrauen und Akzeptanz gesprochen werde. Doch sei es an der Stelle wichtig, sich nicht nur die Gesichtspunkte der DSGVO vor Augen zu führen, sondern – da man es im Gesundheitswesen mit den sensibelsten Daten zu tun hätte, die man überhaupt kenne – auch mit der langen Tradition aus der NS-Zeit. Diese würde Deutschland auferlegen, Sozialdaten auf ganz besondere Art und Weise zu schützen. Dennoch sei die Politik bei der Formulierung der Regelungen des Patientendaten-Schutz-Gesetzes schon sehr weit gegangen. Weit deshalb, weil es hier um den Zugang zumindest für bestimmte Nutzergruppen zu Daten ginge, zu denen der Versicherte an keiner Stelle eine Möglichkeit habe zu sagen, dass seine Abrechnungs- und Versorgungsdaten nicht genutzt werden können. Klein-Schmeinck: „Daher halte ich diese enge Eingrenzung des Nutzerkreises für grundlegend und wichtig.“ Auch könne sie sich nicht vorstellen, dass man anders „die Akzeptanz für die Nutzung dieser Daten für die Versorgungsforschung“ gewährleisten könne. Anders liege der Fall jedoch bei der Nutzung der Daten aus der ePA. Hier könne jeder Versicherte der Nutzung seiner personenbezogenen Daten zustimmen oder diese ablehnen, das sei dann dessen persönliche Entscheidung.
Das konnte Prof. Dr. Hagen Pfundner, Vorstand der Roche
Pharma AG und Vor-
sitzender des strategischen Boards der BDI-Initiative „Gesundheit digi-
tal“, so nicht stehen lassen. Er betonte, dass es das erklärte Anliegen des BDI
sei, nach vorne zu
tragen, dass private und öffentliche Forschung Zugang zur Datennutzung habe. Auch nehme er zur Kenntnis, dass einerseits das BMBF eine Forschungsstrategie verabschiedet habe und dazu eine digitale Forschungsinfrastruktur schaffen möchte, bei der nicht zwischen privater und öffentlich-rechtlicher Forschung diskriminiert werde. Anders hingegen im BMG, das Gesundheitsdaten in einem
Datenforschungszentrum zusammenführen wird. Zu diesem werde es nur antragsberechtigte Gruppen aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich geben, doch sei der Zugang für private Unternehmen nicht gegeben.
„Das scheint nicht an der DSGVO zu liegen“, sagte dazu Pfundner. Dies sei ausführlich mit Datenschutzbeauftragten der Länder diskutiert worden, die der Meinung seien, dass die DSGVO die Voraussetzung dafür sei, „dass alle unter den gleichen Bedingungen forschen können“. Da werde nicht zwischen Industrie oder öffentlich-rechtlichen Forschungsinstitutionen unterschieden; was übrigens auch der Fall in vielen EU-Ländern sei, nur eben nicht in Deutschland. Daher seine Forderung: „Wir wissen alle, was wir nicht wollen: Wir wollen nicht wie die USA eine ausschließlich kommerzielle Nutzung der Daten, wir wollen aber auch nicht wie China sein. Lassen Sie uns beschreiben, was wir eigentlich wollen.“ <<
von: MVF-Chefredakteur Peter Stegmaier