Bundesweit mehr Schlagkraft für Facharztverträge
>> Für die Vertragspartner waren, so eine gemeinsame Erklärung, die Verträge nie als Versuchslabor konzipiert gewesen. Der Gesetzesrahmen sei vielmehr dazu genutzt worden, die ambulante Versorgung freiwillig und auf wettbewerblicher Basis umfassend neu zu gestalten, was angesichts der Zunahme multimorbider und chronisch kranker Patienten immer wichtiger wird.
Zusammen mit dem Hausärzteverband und MEDI Baden-Württemberg hat die AOK Baden-Württemberg deshalb bereits 2008 den bundesweit ersten HZV-Vertrag auf Vollversorgungsbasis geschlossen. Ein fundamentaler Unterschied der Selektivverträge liege, so die Erklärung, in der strukturierten und verbindlichen Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten: Der Hausarzt fungiert als Koordinator mit direktem Draht zum behandelnden Facharzt, sodass dort insbesondere diejenigen Patienten zeitnah versorgt werden, die nach seiner Einschätzung fachärztliche Kompetenz benötigen. Inhaltlich liege der Fokus auf der Identifizierung von Schwerpunktdiagnosen und darauf abgestimmter evidenzbasierter Versorgungspfade basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
„Echte Erfolgsgeschichte“
Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg kommentiert: „Durch die noch auf der Zielgeraden erreichten Änderungen im Faire-Kassenwettbewerbs-Gesetz können wir auch künftig für die Menschen eine nachhaltige qualitätsgesicherte Versorgung gestalten, die auf den Empfehlungen des Sachverständigenrats Gesundheit zu zukunftsfähigen Strukturen aufbaut. Getragen von mittlerweile über 8.000 eng kooperierenden Ärzten und Psychotherapeuten ist das Haus- und Facharztprogramm eine echte Erfolgsgeschichte im deutschen Gesundheitswesen, die wir gemeinsam fortsetzen werden.” Im Herbst folgt bereits der nächste Vertrag für das Fachgebiet Pneumologie.
Budgetierung ärztlicher Honorare, fehlendes Vertrauen in die Reformfähigkeit des kollektivvertraglichen Systems und mehr individuelle Gestaltungsmöglichkeiten waren und sind wichtige Motive für die Teilnahme an den Facharztverträgen. Dr. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von MEDI Baden-Württemberg und MEDI GENO Deutschland betont: „Seit über zwölf Jahren verbessern passgenaue Strukturen vor Ort die Arbeitsbedingungen der Praxisteams und die ambulante Patientenversorgung gleichermaßen. Wir setzen deshalb in Baden-Württem-
berg in punkto Selektivverträge weiter auf das bewährte Vollversorgungssystem. Und mit dem SpiFA als starkem Kooperationspartner wollen wir den Facharztverträgen zukünftig auch bundesweit mehr Schlagkraft verleihen.“ Eine wichtige Rolle spiele auch die Tätigkeit der derzeit rund 500 Entlastungsassistentinnen in der Facharztpraxis (EFA). Sie wird seit 2014 gefördert und ermöglicht eine intensivere und verbesserte Betreuung der Patienten und entlastet so die Fachärzte bei wichtigen Routinearbeiten.
Dr. Gertrud Prinzing, Vorständin bei der Bosch BKK ergänzt: „Die Verträge verschaffen den teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten Zeit für eine intensive Versorgung und eine ausführliche Information und Beratung ihrer Patienten. So können vor allem chronische Krankheitsbilder besser beleuchtet werden: Gibt es beispielsweise Einflussfaktoren aus dem sozialen Umfeld, wie etwa Stress oder Belastungen, so kann der Patient ganzheitlich und individuell behandelt werden.” Dabei könnten im Sinne einer interdisziplinären Zusammenarbeit etwa auch Mitarbeiter des Sozialen Dienstes der AOK oder der Patientenbegleitung der Bosch BKK zum Einsatz kommen, die den Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite stehen würden.
Zahlen im Detail
Im Haus- und FacharztProgramm der AOK Baden-Württemberg steigen die Teilnehmerzahlen und Arzthonorare auch 2019 auf hohem Niveau weiter an. Das Gesamthonorar der Ärzte in den Verträgen liegt mit 636 Millionen Euro gut 7 Prozent über dem Vorjahreswert. Davon entfallen 492 Millionen Euro (plus 6%) auf den HZV-Vertrag mit knapp 1,7 Millionen Versicherten (plus 4%).
Im gemeinsamen FacharztProgramm von AOK und Bosch BKK liegt das Honorar bei 144 Millionen Euro (plus 12,5 Prozent). Die Zahl der teilnehmenden Versicherten stieg auf 718 Tausend (plus 9,6 Prozent). Inzwischen nehmen inklusive angestellter Ärzte 5.150 Haus- und Kinderärzte sowie rund 2.800 Fachärzte und Psychotherapeuten an der Versorgung teil.
Die Vertragspartner zeigen sich mit der Entwicklung sehr zufrieden und entwickeln die Selektivvertragslandschaft auch 2020 kontinuierlich weiter. Am 1. April startete für das Fachgebiet Nephrologie ein neuer Facharztvertrag, dem im Herbst ein weiterer für die Pneumologie folgen wird. Bauernfeind stellt hierzu fest: „Durch die im vergangenen Jahr noch auf der Zielgeraden erreichten Änderungen im Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz besteht nun Planungssicherheit für bestehende und neue Verträge, sodass wir auch in den nächsten Jahren den Wachstumskurs gemeinsam mit den Ärztepartnern fortsetzen werden.“ Dabei bezeichnet der Kassenchef die Coronakrise auch als Herausforderung und Antrieb für die weitere Digitalisierung und will speziell die 2019 seiner Meinung nach erfolgreich gestartete elektronische Arztvernetzung systematisch ausbauen. In digitalen Unterstützungsprozessen würden gerade in den Selektivverträgen aufgrund der regionalen Gestaltungsfreiheiten große Chancen und Potenziale zur Verbesserung der Versorgung liegen. <<