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Pilsinger: „Versicherte aktiv und gezielt informieren“

28.07.2020 09:00
Das lang erwartete Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur – kurz Patientendaten-Schutz-Gesetz oder noch kürzer PDSG – hat es in sich. Damit soll endlich die „Digitalisierung im Alltag der Patienten ankommen“, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn anlässlich der zweiten und dritten (und damit letzten) Beratung im Bundestag erklärte. Damit werden nach einer jahrzehntelangen Debatte digitale Angebote wie das E-Rezept und die elektronische Patientenakte (inklusive Impfausweis, Mutterpass, U-Heft für Kinder und Zahn-Bonusheft) nutzbar, zudem können Facharzt-Überweisungen digital übermittelt werden. Das Gesetz, das voraussichtlich im Herbst in Kraft treten soll und nicht im Bundesrat zustimmungspflichtig ist, regelt aber noch weit mehr: Zum einen kann künftig jeder Versicherte freiwillig seine Gesundheitsdaten der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen. Und zum Zweiten wurde fast nebenbei klargestellt, dass „Informationen der Krankenkassen über lebensrettende Versorgungsangebote keine Werbung“ sind, wie der Münchener Hausarzt und CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Nikolaus Pilsinger in seiner Rede betonte, was bisher u.a. an der Anwendung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) scheiterte (s. MVF 03/20).

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>> MdB Pilsinger, nach seinem Studium seit 2018 neben seinem Bundestagsmandat als Teilzeit-Arzt in einer Hausarztpraxis im Münchner Umland tätig, weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: „Telemedizinische Versorgungsangebote leisten schon heute einen wichtigen Beitrag dazu, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und Krankenhausaufenthalte zu vermeiden.“ Angebote wie Telemonitoring oder Telecoaching könnten „eine sinnvolle Ergänzung zur hausärztlichen Versorgung“ sein. Pilsinger, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, in seiner Bundestagsrede Anfang Juli diesen Jahres weiter: „Ganz besonders möchte ich daher an dieser Stelle hervorheben, dass wir den Krankenkassen mit dem vorliegenden Gesetz endlich ermöglichen, ihre Versicherten aktiv und gezielt über solche wichtigen Versorgungsangebote zu informieren.“ Denn vor allem in der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass Risikopatienten von telemedizinischen Angeboten und digitalen Gesundheitsanwendungen in besonderem Maße profitieren können. Darum macht die Politik laut Pilsinger mit dieser Klarstellung deutlich: „Eine Information der Krankenkassen über lebensrettende
Versorgungsangebote ist keine Werbung“. Mit dieser Gesetzesregelung habe der Gesetzgeber „Hemmnisse beseitigt und Bremsen gelöst“; jetzt liege es an den Kassen, ihren Versicherten diese neuen Versorgungsmöglichkeiten „tatsächlich anzubieten und sie darüber zu informieren“.
Der Münchener Arzt und MdB bezieht sich dabei explizit auf eine Novellierung im SGB V und zwar die der § 68b und § 284. Im § 68b wird Absatz 2 Satz 1 wie folgt eingefügt: „Die Krankenkassen können ihren Versicherten Informationen zu individuell geeigneten Versorgungsinnovationen und zu sonstigen individuell geeigneten Versorgungsleistungen zur Verfügung stellen und individuell geeignete Versorgungsinnovationen oder sonstige individuell geeignete Versorgungsleistungen anbieten.“ Und im § 284 wird unter Absatz 1,
Punkt 19, der bisher nur die „Durchführung von Angeboten nach § 68b“ regelt, künftig „die Vorbereitung von Versorgungsinnovationen, die Information der Versicherten und die Unterbreitung von Angeboten nach § 68b Absatz 1 und 2“ ergänzt.
Des Weiteren wird in Artikel 1 des am 3. Juli 2020 beschlossenen Gesetzes ausgeführt, dass den Krankenkassen mit Einfügung von § 68b in das SGB V die Befugnis eingeräumt werde, „zur Förderung von bedarfsgerechten Versorgungsinnovationen Daten der Versicherten auszuwerten und den Versicherten individuell geeignete Versorgungsangebote zu unterbreiten“. Betont wird an der Stelle aber auch, dass innovative Versorgungsansätze  nur dann erfolgreich sein könnten, „wenn sie nicht neben bestehende Versorgungsstrukturen platziert, sondern in den Versorgungsalltag integriert“ würden. Daher werde, um Synergien mit bestehenden Versorgungsleistungen der gesetzlichen Krankenkassen nutzen zu können, „die Beratungsbefugnis der Krankenkassen nach § 68b Absatz 2 neben den Versorgungsinnovationen auf weitere individuelle geeignete Versorgungsleistungen der Krankenkassen erweitert“.
Zudem könnten die Versicherten nach Absatz 3 der Unterbreitung von Informationen und Angeboten durch ihre Krankenkasse jederzeit schriftlich und elektronisch widersprechen. Auch bleibe, soweit es sich bei den Informationen oder Angeboten um Direktwerbung handle, Artikel 21 DSGVO unberührt. Dieser Paragraf besagt, dass jede betroffene Person das Recht hat, Widerspruch einzulegen.
Wenn Pilsinger davon spricht, dass nun die Kassen an der Reihe sind, diese neuen Versorgungsmöglichkeiten anzubieten und  darüber zu informieren, meint er damit nicht nur die nutzwertigen, vielleicht sogar lebensschützenden Anwendungen für Hochrisikiopatienten im Zuge der Corona-Pandemie (s. MVF 03/20), sondern auch Versorgungsmöglichkeiten, die es schon viel länger gibt. Eine Krankheit, bei der solche Lösungen seit mehr als 20 Jahren existieren, ist die chronische Herzschwäche, doch gibt es auch für andere Erkrankungen entsprechende telemedizinische Verfahren.
Einer der Protagonisten ist der Münchner Arzt und Unternehmer Dr. med. Josef Leiter. Er hat gleich mehrere der führenden Unternehmen im Bereich der digitalen Gesundheitsversorgung gegründet. Zum einen ist das die Gesellschaft für Patientenhilfe DGP mbH, die heute zur SHL Telemedizin GmbH gehört. Bereits vor 15 Jahren hatten Leiter und seine Kollegen das Telemonitoring-Progamm „Cordiva“ für die AOK Nordost mit dem Namen „Curaplan Herz Plus“ (s. MVF 05/15) entwickelt. Zum anderen ist das die etwas jüngere Health Care Systems GmbH (HCSG) in Pullach bei München, die das Telemonitoring-System „mecor“ in Deutschland und in der Schweiz anbietet.
Die in diesen Projekten von Leiter und Kollegen entwickelten Verfahren haben seit langem Eingang gefunden in die Leitlinien und Empfehlungen der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Aktuell arbeitet die HCSG, weiterhin mit Unterstützung von Leiter, an der nächsten Generation digitaler Anwendungen für chronisch kranke Menschen. Im April 2020 wurde mecor zudem zur gezielten Covid-19-Beratung von Hochrisikopatien-ten eingesetzt. In kürzester Zeit wurde das individuelle Risiko der Teilnehmer mittels der mecor-Medizinproduktesoftware ermittelt. Danach wurden innerhalb eines Monats mehr als 5.000 Patienten individuell beraten und betreut. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet vom Deutschen Herzzentrum an der TU München. <<
von:  MVF-Chefredakteur Peter Stegmaier

Ausgabe 04 / 2020

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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