Struktureffekt in Höhe von 5,8% führt zu Mehrausgaben
>> Trotz des knapp sechsprozentigen Marktwachstums ist laut WIdO-Auswertung die Anzahl der Verordnungen nur geringfügig angestiegen. Dies sei jedoch nicht auf eine allgemeine Teuerung der Arzneimittel zurückzuführen, da der Preiseffekt mit -0,8% sogar negativ ist. Maßgeblich für die Mehrausgaben ist laut WIdO der Struktureffekt, der mit 5,8% zu Buche schlägt: und zwar mit der Verschiebung der Verordnungen innerhalb einer Arzneimittelgruppe hin zu teureren Arzneimitteln. Die sei besonders bei den Wirkstoffgruppen der Onkologika, der Immunsuppressiva und der Antithrombotischen Mittel ausgeprägt. Insbesondere die Preise der neuen,
patentgeschützten Arzneimittel entwickeln dabei zunehmend eine eigene Dynamik: So kostet heute ein Arzneimittel, das in den letzten drei Jahren auf den Markt gekommen ist, mit durchschnittlich knapp 14.000 Euro rund dreimal so viel wie ein „normales“ Patentarzneimittel. Doch sei der Umsatzanteil der noch unter Schutzrechten stehenden Arzneimittel – diese machen 47% des Gesamtmarkts aus – über die letzten Jahre annähernd konstant geblieben.
Diese Entwicklungen vollziehen sich trotz des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG), wie die Autoren (Melanie Schröder, Jonas Lohmüller, Carsten Telschow, Katja Niepraschk-von Dollen, Anette Zawinell und Jana Bauckmann) in ihrem Studienbericht schreiben. Durch die mit diesem Gesetz seit 2011 eingeführte Frühe Nutzenbewertung mit anschließenden Preisverhandlungen sollte dafür gesorgt werden, dass der Preis eines neuen Arzneimittels an seinem Zusatznutzen für Patienten orientiert ist. Dadurch seien auch Einsparungen rea-lisiert worden, die für 2019 auf 3,6 Mrd. Euro zu beziffern sind. Allerdings könnte, wie die Autoren erklären, eine Rückwirkung des Erstattungsbetrags zum Tag der Markteinführung weitere Einsparungen ermöglichen.
Zudem sei der sogenannte Bestandsmarkt durch patentgeschützte Arzneimittel ohne Konkurrenz gekennzeichnet, die vor 2011 auf den Markt gekommen sind. Dieses Segment werde durch ein Preismoratorium geregelt, das die Preise der betroffenen Arzneimittel zum Stichtag 1. August 2009 „eingefroren“ hat. Doch können Hersteller seit 2018 ihre Preise um die allgemeine Teuerungsrate des Vorjahres anpassen und so Preiserhöhungen durchsetzen. Zusammengenommen hat laut WIdO der Inflationsausgleich 2019 zu Mehrkosten in Höhe von 181 Mio. Euro geführt. Dies zeige, dass das Preismoratorium eine wirksame Durchsetzung von Preiserhöhungen in diesem Bereich verhindert und als Kostendämpfungsinstrument unverzichtbar ist.
Mit Nettokosten von 13,5 Mrd. Euro stellen nach Angaben des WIdO Biologika ein weiteres gewichtiges und mit einer Steigerung von 10% gegenüber dem Vorjahr auch weiterhin stark wachsendes Marktsegment dar. Sobald diese Arzneimittel patentfrei werden und über die europäischen Regularien
Biosimilars zugelassen sind, werde aber auch ein Preiswettbewerb für Biologika ermöglicht.
Die Marktdurchdringung dieser Nachahmer-Präparate entwickelt sich laut WIdO mit durchschnittlich 44% zwar positiv, liege aber immer noch weit von den Nachahmeranteilen des generikafähigen Marktes entfernt. Neben einer kleineren Zweitanbieteranzahl im Vergleich zum generikafähigen Markt (durchschnittlich drei gegenüber acht Zweitanbietern 2019) fallen auch die Preisabstände im biosimilarfähigen Markt geringer aus.
Hierzu rechnen die Autoren der WIdO-Studie eine Hypothese durch: „Wäre im Jahr 2019 konsequent das günstigste Präparat des biosimilarfähigen Marktes verordnet worden, hätten bis zu 792 Millionen Euro für die GKV eingespart werden können.“ Auch biete eine verpflichtende Substitution in der Apotheke, die im Jahr 2022 in Kraft treten soll, Potenzial für weitere Einsparungen. Der Rat des WIdO hierzu: „Durch diese Regelung kann der Wettbewerb über Rabattverträge der Kassen in Gang gesetzt werden.“
Insgesamt zeigt sich den Studienangaben zufolge eine ausgeprägte Heterogenität der bisherigen Biosimilaranteile über die Wirkstoffe nicht nur auf Ebene der GKV, sondern auch in einer regionalen Betrachtung über die verschiedenen Kassenärztlichen Vereinigungen: Hier stehen Biosimilaranteile von bis zu 32% (Westfalen-Lippe, Bremen oder Niedersachsen) Anteilen von maximal 12% in Sachsen-An-
halt, Baden-Württemberg, dem Saarland und Sachsen gegenüber, wobei allerdings regionale Rahmenvereinbarungen zu berücksichtigen seien (siehe Abb.). <<