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Biosimilarmarkt 2022: Gibt es eine Alternative zu exklusiven Rabattverträgen?

01.02.2021 10:20
Neben weiteren arzneimittelmarktrelevanten Themen wurden im Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) im Jahr 2019 auch Regularien festgeschrieben, die den Biosimilarmarkt in der GKV betreffen. Mit dem GSAV wurden einerseits bestimmte Neuregelungen bereits geschaffen und umgesetzt, zusätzlich aber auch weitere Veränderungen nach Ablauf einer Frist von drei Jahren in Aussicht gestellt. Letztere betreffen nicht zuletzt die geplante Austauschbarkeit von Biosimilars in der Apotheke ab 2022. Vor diesem Hintergrund wurden von den Autoren des vorliegenden Beitrags in einer wissenschaftlichen Ausarbeitung, welche als Vollpublikation online unter der Rubrik „eFirst“ des „Monitor Versorgungsforschung“ verfügbar ist (https://www.monitor-versorgungsforschung.de/efirst/Versorgung_Bios_2022/view), Überlegungen dahingehend angestellt, welcher Regulierungsrahmen insbesondere hinsichtlich der Preisbildung der besonderen Marktsituation der Biosimilars gerecht wird (Bauer et al. 2021). Das in diesem Zuge entwickelte Modell, welches als Alternative bzw. Gegenentwurf zu (teil-/exklusiven) Rabattvertragsausschreibungen – wie sie denklogische Folge der GSAV-Regelungen sein werden – gedacht ist, wird im Folgenden dargelegt. Dieses Erstattungs- und Preisbildungsmodell soll den in der Vollpublikation ausführlich analysierten Marktgegebenheiten im Sinne eines nachhaltigen Wettbewerbskonzepts im Biosimilarmarkt gerecht werden und in die gesundheitspolitische Diskussion eingebracht werden.

doi: http://doi.org/10.24945/MVF.04.21.1866-0533.2336

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Abstract

Der Gesetzgeber hat mit dem GSAV ab 2022 die automatische Substitution von Biologika in der Apotheke vorgesehen. Die Umsetzung dieser Regelung würde den Weg für exklusive Rabattvertragsausschreibungen der Krankenkassen (GKV) ebnen, von welchen ein maximal hoher Preisdruck auf die Anbieter ausgeht. Als Folgewirkung hieraus könnte sich ergeben, dass sich der durch Biosimilars erhoffte Wettbewerb zwischen mehreren Anbietern nicht einstellt. Im Endeffekt könnten somit Wirtschaftlichkeitspotenziale nicht realisiert und zugunsten der Solidargemeinschaft genutzt werden. Als Alternative wird hier ein Ansatz vorgeschlagen, der im Kern vorsieht, nach Patentablauf eine mehrjährige Marktphase zu gewähren, in der es einen auf der kollektivvertraglichen Ebene festgelegten GKV-Erstattungsbetrag gibt. Alle Präparate, deren Preis auf bzw. unter diesem Betrag liegt, sind erstattungsfähig und stehen miteinander im Wettbewerb um die ärztliche Verordnung. Ein Nebeneffekt des Vorschlags besteht darin, dass die gegenwärtig in den Fachkreisen geführte Diskussion über die Austauschbarkeit biologischer Arzneimittel im Allgemeinen und die speziellere Frage der automatischen Substitution in der Apotheke hier nachgelagert ist, da der Anlass für einen Austausch in dem vorgeschlagenen Modell nicht mehr gegeben ist.

Biosimilar market 2022: Is there an alternative to exclusive discount contract tenders? Proposal of an alternative and feasible regulatory concept

With the GSAV, the legislator has envisaged the automatic substitution of biologics in pharmacies from 2022. The implementation of this regulation would pave the way for exclusive discount contract tenders by the health insurance funds (GKV), which would exert maximum price pressure on the pharmaceutical manufacturers. The consequence of this could be that the desired competition between several providers through biosimilars would not occur. Thus, in the end, economic potentials could not be realised. As an alternative, an approach is proposed here that essentially envisages granting a market phase of several years after patent expiration, in which a fixed GKV reimbursement amount exists. All pharmaceuticals priced at or below this amount are reimbursable and compete with each other for medical prescriptions. A side effect of the proposed pricing model is that the current discussion in expert circles about the interchangeability of biopharmaceuticals in general and the more specific question of automatic substitution in the pharmacy is subordinate here, since the reason for an interchange is no longer given in the proposed model.

Keywords
Biologics, biosimilars, GSAV, pricing regulation, automatic substitution, incentives for competition

Cosima Bauer MA / Prof. Dr. rer. pol. Uwe May / Chiara Giulini-Limbach MSc

Literatur

Altin, S./Bauer, C./May, U./Walendzik, A./Wasem, J./Ziebe, A. (2017): Regulierung und adäquate Preisbildung im Markt der Biosimilars. In: IBES Diskussionsbeitrag. Nr. 220, März 2017
Bauer, C./May, U. (2015): Rabattvertragsausschreibungen in der Generikaindustrie in Deutschland. Auswirkungen auf Marktstruktur, Anbietervielfalt und Wettbewerb. Baden-Baden 2015, S. 46
Bauer, C./May, U./Giulini, C. (2020): Open-House-Verträge und Hilfstaxen-Abschläge im Biosimilarmarkt: Realistische Einsparvolumina für die GKV. In: Monitor Versorgungsforschung 2020;4:53–58
Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nr. 30, Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung. 15. August 2019. www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/G/GSAV_bgbl119_S.1202_150819.pdf (letzter Zugriff am 01.06.2021)
Manych, M. (2020): Biosimilars – gesundheitsökonomische Bedeutung und Potenziale. In: Newsletter Gastrointestinale Tumoren 2020;41(10):1–4
Schröder, M./Lohmüller, J./Telschow, C. (2019): Kostenentlastung durch Biosimilars – was ist real, was wäre möglich? In: Thieme Verlag (Hrsg.) (2019): Kompendium Biosimilars 2019
Vogler, S./Schneider, P. (2017): Do pricing and usage-enhancing policies differ between biosimilars and generics? Findings from an international survey. In: Generics and Biosimilars Initiative Journal (GaBI Journal) 2017;6(2):79–88.

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Zitationshinweis: Bauer, C., May, U., Giulini-Limbach, C.: „Biosimilarmarkt 2022: Gibt es eine Alternative zu exklusiven Rabattverträgen?“, in: „Monitor Versorgungsforschung“ (04/21), S. 62-66. doi: http://doi.org/10.24945/MVF.04.21.1866-0533.2336

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Biosimilarmarkt 2022: Gibt es eine Alternative zu exklusiven Rabattverträgen? - Vorschlag eines alternativen und praxistauglichen Regulierungskonzepts

Neben weiteren arzneimittelmarktrelevanten Themen wurden im Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) im Jahr 2019 auch Regularien festgeschrieben, die den Biosimilarmarkt in der GKV betreffen. Mit dem GSAV wurden einerseits bestimmte Neuregelungen bereits geschaffen und umgesetzt, zusätzlich aber auch weitere Veränderungen nach Ablauf einer Frist von drei Jahren in Aussicht gestellt. Letztere betreffen nicht zuletzt die geplante Austauschbarkeit von Biosimilars in der Apotheke ab 2022. Vor diesem Hintergrund wurden von den Autoren des vorliegenden Beitrags in einer wissenschaftlichen Ausarbeitung, welche als Vollpublikation online unter der Rubrik „eFirst“ des „Monitor Versorgungsforschung“ verfügbar ist (https://www.monitor-versorgungsforschung.de/efirst/Versorgung_Bios_2022/view), Überlegungen dahingehend angestellt, welcher Regulierungsrahmen insbesondere hinsichtlich der Preisbildung der besonderen Marktsituation der Biosimilars gerecht wird (Bauer et al. 2021). Das in diesem Zuge entwickelte Modell, welches als Alternative bzw. Gegenentwurf zu (teil-/exklusiven) Rabattvertragsausschreibungen – wie sie denklogische Folge der GSAV-Regelungen sein werden – gedacht ist, wird im Folgenden dargelegt. Dieses Erstattungs- und Preisbildungsmodell soll den in der Vollpublikation ausführlich analysierten Marktgegebenheiten im Sinne eines nachhaltigen Wettbewerbskonzepts im Biosimilarmarkt gerecht werden und in die gesundheitspolitische Diskussion eingebracht werden.
Regulierungsrelevante Spezifika
biosimilarfähiger Märkte
>> Zunächst gilt es festzuhalten, dass die Entwicklung und Zulassung von Biosimilars zeitaufwändig und kostenintensiv sind. Der für das betreffende Unternehmen zu leistende Aufwand stellt eine erhebliche Markteintrittshürde dar, die so insbesondere im Generikamarkt nicht gegeben ist. Dieser Unterschied wird auch durch die aktuellen Anbieterzahlen in biosimilarfähigen Märkten dokumentiert, die vergleichsweise niedrig ausfallen. Ein pharmazeutisches Unternehmen wird eine Markteinführung nur anstreben, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sich diese Investition auszahlt. Eine solche Rentabilität ist dann gegeben, wenn die zu erzielenden Marktpreise und Absatzmengen über einen ausreichend langen Zeitraum entsprechende Profite ermöglichen. Darüber hinaus wird eine Planungssicherheit und Kalkulierbarkeit die Bereitschaft zum Markteintritt deutlich erhöhen.
Des Weiteren sollen Biosimilars primär dazu beitragen, Kosteneinsparungen in der Arzneimitteltherapie zu bewirken sowie einen breiteren Zugang der Patienten zur Versorgung zu ermöglichen. Das Wesen der Biosimilars als nichtoriginäre pharmazeutische Innovationen rückt vor allem das Ziel der Kostensenkung in den Vordergrund des Regulierungsgeschehens. Abgeleitete Ziele hieraus sind zum einen der Marktzutritt von Biosimilars und zum anderen, in Verbindung damit, ein Preiswettbewerb zwischen Biosimilars untereinander und in Relation zum Originalpräparat. Hieraus ergibt sich ein Zielkonflikt, indem die sich einstellenden Preise in Kombination mit potenziellen Absatzmengen einerseits wettbewerblichen Charakter haben und Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfen sollen, andererseits aber auch nachhaltig Anreize für einen Marktzutritt und -verbleib bieten müssen. Dieser Zielkonflikt muss letztlich auch maßgeblich die Bewertung und Auswahl adäquater Regulierungsinstrumente prägen.

Entwicklungstendenzen des biosimilarfähigen Marktes unter dem Einfluss des GSAV
Im Bereich der Biologika hat das GSAV im Jahr 2019 unterschiedliche relevante Weichenstellungen für den biosimilarfähigen Arzneimittelmarkt vorgenommen. Es enthält einerseits Regelungen zur Austauschbarkeit von Biologika (Referenzarzneimittel und Biosimilars bzw. Biosimilars untereinander) auf Arztebene. Andererseits regelt das GSAV die automatische Substitution von Biologika in der Apotheke. Ein Austausch von Biologika durch Biosimilars bzw. Bio-
similars untereinander in der Apotheke ist gemäß GSAV ab dem Jahr 2022 vorgesehen (Bundesgesetzblatt 2019). Der in § 129a Abs. 1 Satz 2 geregelten automatischen Substitution von Biosimilars kommt aus Regulierungssicht eine besondere Bedeutung zu.

Marktdynamik und Entwicklung des biosimilarfähigen Marktes unter Rabattvertragsausschreibungen
Die Substituierbarkeit von Biologika in der Apotheke, die sogenannte Aut-idem-Regelung, stellt eine notwendige Voraussetzung für die Umsetzung kassenindividueller (teil-)exklusiver Rabattvertragsausschreibungen dar und ebnet diesen faktisch den Weg. Eine Blaupause im Hinblick auf die Bedeutung dieses Zusammenhangs und die sich daraus ergebende Marktdynamik liefert der deutsche Generikamarkt ab dem Jahr 2007. Ab diesem Zeitpunkt haben Rabattvertragsausschreibungen in rascher Folge stattgefunden und dominieren seither die wettbewerblichen und ökonomischen Bedingungen des Generikamarktes (Bauer et al. 2015).
Wenngleich erneut betont werden sollte, dass der biosimilarfähige Markt nicht mit dem Generikamarkt vergleichbar ist, so liefern die getroffenen Unterscheidungsmerkmale keinen Anlass dafür zu glauben, dass sich Tender im Biosimilarmarkt nach ihrer „Scharfstellung“ durch das GSAV weniger schnell durchsetzen als seinerzeit im Generikamarkt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein realistisches Entwicklungsszenario des biosimilarfähigen Marktes unter einer Substituierbarkeit von Biosimilars in der Apotheke dadurch bestimmt ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen von diesem Instrument durchweg und für alle relevanten Marktsegmente Gebrauch machen werden, sobald die entsprechende Regelung des GSAV greift. In Anbetracht insgesamt höherer Kosten biologischer Arzneimittel werden die Motivation und die Bereitschaft, den Aufwand einer Ausschreibung zu betreiben, sogar größer sein als im Generikamarkt. Es ist davon auszugehen, dass, ebenso wie in generischen Märkten, dabei in den ersten Runden zunächst die umsatzstärksten Wirkstoffe ausgeschrieben werden. Kleinere Wirkstoffe folgen dann sukzessive.
Wenn mit dem GSAV, so wie nach aktuellem Stand vorgesehen, im Jahr 2022 die automatische Substitution von Biologika in der Apotheke eingeführt und Rabattvertragsausschreibung damit ermöglicht wird, treffen diese neuen Gegebenheiten auf zwei zu unterscheidende Marktsituationen. Zum einen betrifft die Neuregelung die bereits etablierten Märkte, in denen zum Teil bereits seit mehreren Jahren Biosimilars in Konkurrenz zu ihren Referenzprodukten stehen. Hier kann in Folge der exklusiven Rabattvertragsausschreibungen ein ruinöser Wettbewerb drohen, bei dem Anbieter ggf. aus den etablierten Märkten gedrängt werden können.
Zum anderen betrifft die Neuregelung auch Märkte, die erst jüngst durch Patentabläufe biosimilarfähig geworden sind und solche, die es in Zukunft noch werden. Folglich sogenannte neue biosimilarfähige Märkte. In diesen wird durch die Aut-idem-Regelung die rabattvertragsfreie Vermarktungsphase nach Markteinführung ausbleiben. Dies stellt eine erhebliche Markteintrittshürde dar und kann zur Folge haben, dass die Anbieterzahl in diesen neuen biosimilarfähigen Märkten geringer ausfällt als in den zuvor beschriebenen bereits etablierten Märkten.
Aus regulierungs- und wettbewerbspolitischer Perspektive ist diese Unterscheidung bedeutsam, weshalb die beiden Szenarien separat zu diskutieren sind. Ab welcher Anbieterzahl bzw. ab welchem Zeitpunkt die Grenzziehung zwischen neuen und etablierten Märkten vorzunehmen ist, kann sicherlich unterschiedlich bewertet werden. Im vorliegenden Kontext erscheint es sachgerecht, von einem etablierten Markt zu sprechen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der GSAV-Neuregelung (ab August 2022) mindestens zwei Biosimilars eingetreten sind. Es kann folglich konstatiert werden, dass speziell für Märkte, die sich nach Patentablauf erst etablieren sollen, das Risiko besteht, dass potenzielle Anbieter durch das in Rabattverträgen zu erwartende Preisniveau abgeschreckt werden und nicht in den Markt eintreten. In der Folge bedeutet dies, dass sich der durch die Biosimilars erhoffte Wettbewerb zwischen mehreren Anbietern nicht einstellt. Somit könnten Wirtschaftlichkeitspotenziale im Endeffekt nicht realisiert und zugunsten der Solidargemeinschaft genutzt werden.
Konzeptionelle Eckpunkte eines nachhaltig
funktionsfähigen Wettbewerbsrahmens
Aufgrund der hohen Markteintrittshürden im Biosimilarmarkt bedarf es nach Patentablauf einer Phase, in der Unternehmen, die ein Präparat in den Markt einführen, die entsprechenden Kosten wieder erwirtschaften können. Selektive Rabattvertragsausschreibungen füh-
ren zu einem Preisniveau, das aus betriebswirtschaftlicher Sicht den Investitionen in die Entwicklung und Markteinführung eines Biosimilars in vielen Fällen entgegenstehen wird. Dies wirft unmittelbar die Frage auf, welche konzeptionellen Rahmenbedingungen aus regulierungs- und ordnungspolitischer Sicht geeignet sind, um den Spezifika dieser Produktgruppe Rechnung zu tragen. Der hier gesuchte Lösungsansatz für die Preisbildung und Erstattung im bio-similarfähigen Markt soll politisch so weit konform sein, dass eine Mehrheitsfähigkeit realistischerweise erreichbar ist. Grundvoraussetzung hierzu ist eine Lösung unter Wahrung der grundlegenden arzneimittelrechtlichen und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen. Neben der Rechtssicherheit und Systemkonformität ist nicht zuletzt der Ausgleich widerstrebender Interessen auf der politischen Ebene eine wichtige Vorgabe für den angestrebten Lösungsvorschlag. In diesem Sinne ist sowohl das kurzfristig orientierte Interesse der Krankenkassen an Kosteneinsparungen wie auch das Anliegen der Hersteller, Planungssicherheit und einen verlässlichen Rahmen für ihre Investitionsentscheidungen zu erhalten, gebührend einzubeziehen. Somit können langfristig der breitere Zugang und die Versorgung von Patienten gesichert werden.
Im Hinblick auf die tatsächliche Umsetzbarkeit des Vorschlags im Markt sind dessen Praktikabilität sowie ein angemessener Regulierungsaufwand sicherzustellen. Dazu gehört auch, dass der notwendige Datenbedarf überschaubar und handhabbar ist. Nicht zuletzt muss gewährleistet sein, dass der Vorschlag gegenüber den Fachkreisen und der Öffentlichkeit kommunizierbar ist, womit auch verbunden ist, dass er ein gewisses Maß an Komplexität nicht überschreiten sollte.
Der wissenschaftliche Anspruch an den Lösungsansatz verlangt darüber hinaus eine wohlfahrtsökonomische Fundierung und die Einnahme einer gesellschaftlichen Perspektive. Zusammen mit der Forderung, dass nicht nur eine statische, sondern auch eine dynamische Effizienz anzustreben ist, soll der Ansatz an dem Ziel ausgerichtet werden, die Nachhaltigkeit der ökonomischen Prozesse im Biosimilarmarkt zu gewährleisten. Abbildung 1 fasst die drei genannten Oberziele und ihre Ausprägungsmerkmale zusammen.
Gegenstand der vorgeschlagenen Regelung ist der Fertigarzneimittelmarkt biologischer Präparate in der ambulanten Versorgung nach Patentablauf des Originators. Für das Marktsegment der parenteralen Zubereitungen sind besondere Gegebenheiten zu berücksichtigen, die über diesen allgemeinen Ansatz hinausgehen, mit diesem aber im Grundsatz kompatibel sind (Bauer et al. 2020, Manych 2020). Sowohl der Gegenstand der Regelung als auch der Regelungsbedarf betreffen im Wesentlichen die Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Insofern bezieht sich der vorgeschlagene Ansatz ausschließlich auf die GKV.
Die angedachte Regelung zur Preisbildung und Erstattung sollte in Abgrenzung zu selektivvertraglichen Rabattvertragsausschreibungen auf der kollektivvertraglichen Ebene verankert sein. Der wesentliche Grund hierfür leitet sich direkt aus den Markteintrittshürden in Verbindung mit den Zielkonflikten der Regulierung ab. Es ist demnach von Bedeutung, dass das Ziel der Kostendämpfung maßvoll in Relation mit dem Ziel gesetzt wird, ausreichende Anreize für den Marktzutritt im Biosimilarmarkt zu setzen. Diese Zielsetzung leitet sich aus einer längerfristig angelegten Systemperspektive ab. Aus Sicht einer einzelnen Krankenkasse, die sich im Wettbewerb behaupten muss, können hingegen kurzfristig motivierte Kostensenkungsziele dominieren. Daher kann vor diesem Hintergrund nicht erwartet werden, dass die auf einen nachhaltigen Wettbewerb angelegten Systemziele auf der selektivvertraglichen Ebene angemessen Berücksichtigung finden. Theoretisch ausgedrückt gehen Marktzutritte im Biosimilarmarkt mit positiven externen Effekten einher, die auf einer einzelvertraglichen Ebene nicht internalisiert werden können.
Im bestehenden Regulierungsgefüge soll der hier skizzierte Ansatz sowohl andere kollektivvertragliche wie auch selektivvertragliche Instrumente ersetzen. Konkret gilt dies insbesondere für Festbeträge und Rabattverträge. Zum einen werden diese durch einen für den Biosimilarmarkt maßgeschneiderten Ansatz obsolet, zum anderen würde dieser Ansatz speziell in Kombination mit Rabattvertragsausschreibungen leerlaufen und somit sein Ziel verfehlen.
Im Rahmen einer kollektivvertraglichen Regelung, die nicht zuletzt auch Planungssicherheit durch Transparenz ermöglichen soll, ist es des Weiteren konsequent, dass die regulierten Preise öffentlich, d. h.
in entsprechenden Listen bzw. Datenbanken einsehbar sind.
Praxistauglicher Umsetzungsvorschlag
Wie die Analyse der Marktszenarien nahelegt, werden Erstattungsmodelle aus dem Generikamarkt dem besonderen biosimilarfähigen Markt nicht gerecht. Als naheliegende Alternative sind kollektivvertragliche Lösungen nach in Betracht zu ziehen. Hier scheidet der Ansatz der Festbeträge aus, da in Anbetracht der Anbieterzahlen im Biosimilarmarkt, vor allem aber vor dem Hintergrund des regelmäßig sehr hohen Preisniveaus, selbst bei prozentual geringen Überschreitungen des Festbetrags Aufzahlungen für die meisten Versicherten finanziell nicht leistbar bzw. sozialpolitisch nicht vertretbar wären.
Als Lösungsansatz wird hier also eine fixe Preisobergrenze1, deren Überschreitung durch den Anbieter nicht eine Patienten-Aufzahlung, sondern den Ausschluss aus der Erstattungsfähigkeit nach sich zieht vorgeschlagen. Es handelt sich demnach quasi um einen „GKV-Erstattungsbetrag“2, wie er im Bereich der innovativen Arzneimittel durch das AMNOG bereits im Sozialgesetzbuch angelegt ist. Dieser Ansatz weist insoweit im Grundsatz Gemeinsamkeiten mit der in einigen europäischen Ländern unter dem Begriff „biosimilar price link“ praktizierten zentralen Festsetzung von Preisabständen zum Originalpräparat auf (Vogler et al. 2017). Ein solcher „biosimilar price link“ ist z.B. auch gemäß Autoren des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) „bei einer höheren Zahl von Wettbewerbern denkbar – vorausgesetzt, dass auch die entsprechende Bereitschaft für den Einsatz von Biosimilars gegeben ist“ (Schröder et al. 2019).  
Die maximale Höhe der Preise, die durch den Erstattungsbetrag begrenzt wird, ist dabei so auszutarieren, dass sie den Zielkonflikt zwischen Preissenkungen und Anreizen zum Markteintritt angemessen löst. Einer Preisuntergrenze bedarf es nicht, da ein Preiswettbewerb unterhalb des Erstattungsbetrages ausdrücklich ermöglicht werden soll. Dass dieser Preiswettbewerb einen ruinösen Charakter annimmt, wird dadurch verhindert, dass es durch die fehlende Exklusivität des niedrigstpreisigen Anbieters keinen hinreichend starken Anreiz für ruinösen Wettbewerb gibt. Vielmehr soll unterhalb des GKV-Erstattungsbetrags ein Korridor für Wettbewerb auf Basis der Preise, aber ggf. auch anderer Wettbewerbsparameter eröffnet werden. Ein solcher Wettbewerb wird sich dann auch auf der preislichen Ebene einstellen, wenn die verordnenden Ärzte in einem gewissen Maß preissensibel sind. Ob dies unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen bereits gegeben ist oder durch zusätzliche, moderat wirkende Steuerungsinstrumente zu fördern ist, kann diskutiert werden.
Um eine in biosimilarfähigen Märkten real zu beobachtende Preisdynamik im Zeitverlauf nachzuzeichnen und gleichsam prospektiv zu fördern, weist der GKV-Erstattungsbetrag eine im Zeitverlauf stufenartig sinkende Höhe auf. Dabei werden sowohl der Zeitpunkt als auch die Höhe der Preisstufen transparent und verbindlich festgeschrieben. Auf diese Weise wird sowohl für die Kassenseite wie auch für die Anbieter und potenziellen Anbieter im Biosimilarmarkt ein Höchstmaß an Planungssicherheit und ökonomischer Kalkulierbarkeit gewährleistet. Diese, hier als Schutzfrist bezeichnete Phase ist insbesondere im Hinblick auf die Incentivierung von Marktzutritten von hohem Wert. Als Preisanker und Bezugsbasis für die Stufen wird der Preis des Originalanbieters zum Zeitpunkt des Patentablaufs herangezogen. Orientiert an den realen Marktverhältnissen wird hierauf zunächst ein prozentualer Abschlag vorgenommen. In Abständen von jeweils z. B. einem Jahr folgen zwei weitere Preissenkungsstufen. Sofern sich nach drei Jahren eine zu definierende Zahl an Marktteilnehmern eingestellt hat – vorgeschlagen werden hier vier Marktteilnehmer –, könnte die durch den Wettbewerbskorridor definierte Schutzfrist beendet werden.
Im weiteren zeitlichen Ablauf könnte dann unterhalb der zuletzt erreichten Höhe des Erstattungsbetrags ein Verfahren der marktbasierten Preisdynamik zum Einsatz kommen. Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung dieses Verfahrens geht über den Umfang der hier skizzierten Eckpunkte hinaus und bleibt daher einer tiefergehenden Diskussion vorbehalten.
Als ein im Sinne der Förderung von Biosimilars unverzichtbares Steuerungsinstrument hat sich in den vorangegangenen Analysen wie auch der Marktbeobachtung eine Verordnungsquote erwiesen (Altin et al. 2017). Auf dieses Instrument kann und soll auch im Rahmen des skizzierten Wettbewerbskorridors nicht verzichtet werden. Allerdings soll einem Originator, der sich diesen Regularien unterwirft, ein angemessener prozentualer Anteil innerhalb der Verordnungsquote zugestanden werden. Dabei sollten Verordnungsquoten fair ausgestaltet sein und die Therapiefreiheit des Arztes nicht beeinträchtigen. Da es sich bei dem vorgeschlagenen Regulierungsansatz um ein kollektivvertragliches Instrument handelt, erscheint es naheliegend und systemkonform, auch die Verordnungsquote auf kollektivvertraglicher Ebene und bundesweit zu bestimmen.
Die nachfolgende Abbildung skizziert den beschriebenen Regulierungsansatz und ordnet die einzelnen Steuerungsinstrumente in den zeitlichen Ablauf ein.
Fazit
Biologische Arzneimittel eröffnen neue Behandlungsmöglichkeiten und therapeutische Fortschritte für Patienten. So ist es für ein kompetitives und nachhaltiges Marktumfeld unabdinglich, dass sowohl biologische Originale als auch Biosimilars darin enthalten sind. Biosimilars erschließen in diesem Marktsegment durch ihre niedrigeren Preise erhebliche Einsparmöglichkeiten für die Kostenträger. Aus Sicht jeder einzelnen gesetzlichen Krankenkasse besteht eine große Versuchung darin, diese Einsparpotenziale maximal auszuschöpfen, indem die Preise als Ergebnis selektiver Ausschreibungen auf das niedrigste erreichbare Niveau reduziert werden. Aus einer gesellschaftlichen Perspektive und einer Gesundheitssystemsicht ist es unterdessen wünschenswert, den Markt der Biosimilars auch künftig für Unternehmen so attraktiv zu halten, dass diese bereit sind, in die Markteinführung dieser Produkte zu investieren. Nur so können die Kräfte des Wettbewerbs auf mittlere bis längere Sicht dazu beitragen, dass Kosteneinsparungen als Folge von Preissenkungen realisiert und der Zugang der GKV-Versicherten zu biologischen Arzneimitteln verbreitert wird.
Das hier vorgeschlagene Modell eines kollektivvertraglich bestimmten GKV-Erstattungsbetrags folgt konsequent den Erkenntnissen, die auf Basis intensiver wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Biosimilarmarkt gewonnen wurden. So leiten sich die einzelnen, in diesem Ansatz verwendeten Instrumente unmittelbar aus wettbewerbspolitischen, gesundheitsökonomischen und ordnungspolitischen Überlegungen ab. Daraus folgt ein Ansatz, der zumindest in den ersten Jahren nach Patentablauf einen so scharfen Preiswettbewerb, wie ihn exklusive oder teilexklusive Rabattvertragsausschreibungen induzieren, vermeidet.
Ein Nebeneffekt des hier skizzierten Vorschlags besteht darin, dass die gegenwärtig in den Fachkreisen vehement geführte Diskussion über die Austauschbarkeit biologischer Arzneimittel im Allgemeinen und die speziellere Frage der automatischen Substitution in der Apotheke nachgelagert ist, da der Anlass für einen Austausch in dem vorgeschlagenen Modell zumindest vorerst nicht mehr gegeben ist. <<

Ausgabe 04 / 2021

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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