Kreis: „Versorgungsforschung ist ethischer Imperativ“
http://doi.org/10.24945/MVF.02.22.1866-0533.2387
>> „Die Erkenntnisse aus der Versorgungs-forschung sind wegen ihrer Bedeutung für das Individuum, für den Patient, die Patientin, genauso wie für die Gesellschaft insgesamt für uns Politiker:innen für gesundheitspolitische Entscheidungen natürlich außerordentlich relevant“, gab Ulrike Gote, die neue Gesundheits- und Wissenschaftssenatorin der Stadt Berlin, zu Protokoll. Ihre Fragen an die im Online-Plenum weit über 100 versammelten Versorgungsforscher:innen: „Wie steht es um die Zukunft der Gesundheitsversorgung?“ „Wie ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung?“ „Wie steht es um die Qualität?“ Und letztendlich: „Wie steht es mit der Wirtschaftlichkeit?“ Aus den Antworten dazu, die die Versorgungsforschung liefern könne, würden neue Impulse für Weiterentwicklung und Optimierung der medizinischen und sozialen Services erwachsen. Gote, die sich ihren Worten zufolge über die enge Zusammenarbeit zwischen der Charité und zahlreichen Partner:innen der Medizin- und Forschungslandschaft Berlins, in enger Interaktion mit Politik, Wirtschaft und natürlich der Berliner Stadtgesellschaft, freut: „Diese und andere Impulse wollen wir gemeinsam nutzen.“ Die Zusammenarbeit zwischen Charité und Vivantes im Sinne der Strategie Gesundheitsstadt Berlin 2030 sei wichtig und „ein gutes Zeichen“ – sichtbar unter anderem durch den Start des digitalen Austauschs von Behandlungsdokumenten im Rahmen der eHealth-Strategie und mit der Etablierung des neuen Bachelorstudiengangs „Angewandte Hebammenwissenschaften“ an der Charité gemeinsam mit dem Partner Vivantes.
„Ich möchte betonen, wie essenziell die strukturierte Betrachtung und wissenschaftliche Analyse unserer medizinischen Versorgung ist, um die zahlreichen Herausforderungen, denen wir schon heute begegnen und denen wir uns vor allem in Zukunft stellen müssen, zu bewältigen“, erklärte Prof. Dr. Heyo Kroemer (Vorstandvorsitzender Charité – Universitätsmedizin Berlin) in seinem Grußwort. Die Coronapandemie habe die Herausforderungen in den letzten Jahren noch einmal verdeutlicht und verstärkt. Allen voran nannte er den demografischen Wandel, der einerseits die Personalknappheit verstärke und andererseits die Gruppe der komplexen, multimorbiden Patienten vergrößere. Doch würde der wissenschaftliche Fortschritt und auch die Digitalisierung uns erfreulicherweise immer neue Behandlungsmöglichkeiten bescheren, aber – so Kroemer – „wir müssen besser verstehen, wie diese Therapien und Methoden am besten einzusetzen sind“. Vor diesem Hintergrund würden Versorgungsforschungsergebnisse zunehmend weltweite Beachtung erfahren. Insofern sei es extrem wichtig, den Bereich Versorgungsforschung weiter auf- und auszubauen, die beteiligten Partner noch stärker zu vernetzen und weitere Synergien zu schaffen. Auch werde, um die so dringenden medizinischen Bedarfe – die sogenannten „high unmet medical needs“ – zu adressieren, auch das interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenwirken im-
mer wichtiger. Dieser Grundsatz werde in der Versorgungsforschung aktiv praktiziert und führe zu einer praxisrelevanten Ergebnisorientierung und schließlich vor allem zu einer besseren bedarfsgerechteren Behandlung der Patienten. Kroemer: „Die Plattform Charité Versorgungsforschung hat die Aufgabe, das Wissenschaftsprofil der Charité um die Bereiche Versorgungsforschung zu ergänzen.“
„Hätten Sie mich damals gefragt, ob ich mich für die Versorgungsforschung engagieren würde, dann hätte ich Sie wahrscheinlich erst mal gefragt, „was ist das denn eigentlich?“ Mit diesen Worten, rückblickend auf den Beginn seiner medizinischen Laufbahn vor über 20 Jahren, begann Prof. Dr. Martin Kreis (Vorstand Krankenversorgung Charité – Universitätsmedizin Berlin) sein Videostatement. Doch hätte diese Wissenschaftsrichtung in den letzten 20, 30 Jahren eine „gigantische Entwicklung“ genommen, sichtbar unter anderem durch Kongresse wie den 3. Charité-Versorgungsforschungskongress, aber auch durch „enorme Summen an Drittmitteln und Geldern“, die ausgeschüttet würden, um die Versorgungsforschung zu fördern. Kreis: „Versorgungsforschung ist meines Erachtens ein ethischer Imperativ.“ Es sei völlig klar, dass früher, heute und wie auch in der Zukunft immer, zu wenig Mittel zur Verfügung stünden, um eine wirklich flächendeckende optimale medizinische Versorgung zu gestalten. Man müsse es sich auch ein Stück weit eingestehen, dass es immer Limitationen gebe und es deswegen geboten sei, zu überlegen, wie die bestmögliche Versorgung – idealerweise nahe des international gültigen medizinischen Standards – optimiert werden könne: im städtischen und vor allem im ländlichen Raum, aber auch für alte und für junge Patient:innen. <<
von:
MVF-Chefredakteur Peter Stegmaier
Zitationshinweis:Stegmaier, P.: „Kreis: Versorgungsforschung ist ethischer Imperativ“, in „Monitor Versorgungsforschung“ (02/22), S. 32. http://doi.org/10.24945/MVF.02.22.1866-0533.2387
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https://versorgungsforschung.charite.de/ueber_die_plattform/veranstaltungen/veranstaltungsarchiv/