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Von der Förderung in die Regelversorgung

04.04.2019 14:00
Den aktuellen Stand des Innovationsfonds (IF) reflektieren und über Vorschläge zur Überführung erfolgreicher, vom IF geförderter Versorgungsprojekte in die Regelversorgung diskutieren, war das Ziel der BMC-Fachtagung „Die Zukunft des Innovationsfonds: Von der Förderung in die Regelversorgung“, die in der Landesvertretung des Saarlandes stattfand. Ein roter Faden zog sich durch eigentlich alle Praxis- und Theorievorträge, die anschließend multiprofessionell von führenden Wissenschaftlern und Experten an sogenannten Thementischen vertieft und in kleinen Runden konsentiert wurden: Der zu beschreitende Weg in die Regelversorgung wird ein durchaus mühsamer, langer und ebenso steiniger.

http://doi.org/10.24945/MVF.04.19.1866-0533.2153

>> Nach Ansicht von Steffen Bohm, dem Geschäftsführer des Berliner Beratungsunternehmens Agenon, das selbst Konsortialpartner in zwei Innovationsfonds-Projekten (IdA und IGIB StimMT) ist, benötigt die Überführung in die Regelversorgung etwas mehr als die in der Regel bei vielen Projekten gelebte rein informelle Kooperation. Um tatsächlich zu übergreifenden und damit auch anspruchsvolleren Neuerungen zu kommen, bräuchte man „strukturierte verbindliche Formen übergreifender Kooperationen und Arbeitskreise“. Doch bislang gebe es im SGB V
nur drei Regelversorgungs-Formate, welche die Anforderung strukturierter und verpflichtender Formen der sektorenübergreifenden Kooperation und Arbeitsteilung erfüllen:
• Ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV, § 116b SGB V)
• Ambulante Behandlung in stationären Pflegeeinrichtungen (§ 119b SGB V)
• Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV, §§ 37b und 132d SGB V)
Die ASV sei vom G-BA mit einem relativ aufwendig formulierten Antragsverfahren und hohen Anforderungen an die Strukturqualität versehen, weshalb die Etablierung von ASV-Projekten bislang weit hinter den Erwartungen zurückliege. Darüber hinaus sollte ebenso eine ASV-spezifische Kalkulations-Systematik entwickelt werden, die – so Bohm – allerdings bislang noch ausstehen würde.
Wie bei der ASV müssen laut Bohm aber auch bei einigen IF-Projekten, sollen sie denn in die Regelversorgung überführt werden, gesonderte Gebührenordnungspositionen geschaffen werden.
Doch das wird Zeit brauchen, zieht Bohm einen Vergleich zur ASV, die seit mehr als zehn Jahren im Gesetz verankert ist: „Das gibt so ein bisschen einen Eindruck davon, wie lange es dauert, bis anspruchsvollere Lösungen ihren Weg durch die Instanzen gefunden haben und am Ende tatsächlich in der Versorgung angekommen sind.“ Die Politik könne aber auch analog zu den bestehenden Formaten der Regelversorgung für kooperative Versorgungsformen jeweils neue gesetzliche Vorgaben – wie bei §§ 116b, 132d, 119b SGB V – schaffen. Darüber hinaus müssten – je nachdem, um welchen Projektansatz es sich handelt – zusätzliche Spezifikationen auf den Weg gebracht werden, wie etwa Richtlinien des G-BA, Rahmenvereinbarungen auf Bundesebene oder Anlagen zu Bundesmantelverträgen. Denkbar seien gegebenenfalls auch gesonderte Antrags- und Genehmigungsverfahren sowie nachgehende Vergütungsregelungen und andere vertragliche Vereinbarungen. Doch seien nach den bislang vorliegenden Erfahrungen sowohl zeitaufwändige vorausgehende Spezifikationen im Rahmen komplexer Einigungsprozesse, lange Anlaufphasen in der Umsetzung und eine begrenzte Erreichung der intendierten Versorgungsziele zu erwarten. Daher Bohms Rat: „Da sollte man sich schon überlegen, ob man hier nicht Verfahren oder Wege beschreiben kann, bei denen es nicht Jahre um Jahre dauert, bis ein als sinnvoll erachteter Versorgungsansatz tatsächlich in der Versorgung ankommt.“
Außerdem wäre zu empfehlen, dass man bei IF-Projekten mehr als bisher auch Ergebnisse aus dem Kooperationsmanagement berücksichtigt. Erfolgreiche Kooperationen setzen nach Bohms Erkenntnissen „zuallererst ein diesbezügliches Interesse und Wollen der Handelnden voraus“, was man gemeinhin mit intrinsischer Motivation bezeichnet. Diese bekomme man aber nicht, wenn einfach nur eine neue Ziffer in die EBM geschrieben und damit eine neue Vergütungsmöglichkeit geschaffen werde. „Menschen, die über Einrichtungen hinweg zum Teil mit komplexen Krankheitsbildern miteinander kooperieren sollen, müssen dieses Wollen in irgendeiner Form auch mitbringen“, weiß Bohm aus seiner Tätigkeit in vom IF geförderten Konsortien.
Für Dr. Wolfgang Riedel, Mitautor des Prognos-Gutachtens zur Zwischenevaluation des IF, steht zuallererst die Beantwortung der Frage an, was denn überhaupt in die Regelversorgung überführt werden kann und soll. Es werde, ist sich der Prognos-Forscher sicher, häufig nicht so sein, dass ein „Projekt eins zu eins in den Kollektivvertrag“ oder in die „Multiplikation von Selektivverträgen übergeht“. Seiner Ansicht nach wird es eher eine Zusammenfassung von Ergebnissen aus verschiedenen Projekten geben, deren Potenzial für die Regelversorgung erkannt worden ist. Darum sei es notwendig, viele Teilergebnisse aus Projekten zu betrachten und zusammenzuführen und im Zweifel zu etwas Neuem zu vereinen, das dann in die Regelversorgung überführt werden kann. Hier könne es ganz unterschiedliche Möglichkeiten der Umsetzung geben, zum Beispiel in Form einer Veränderung des Bundesmantelvertrags, einer neuen Bewertungsziffer innerhalb der Gebührenordnung, einer Änderung der Richtlinien des G-BA oder auch in Form von Gesetzes-
initiativen. Riedel: „Dahinter stehen immer unterschiedliche prozessuale Wege, die man dann gehen muss, um einzelne Ergebnisse in die Regelversorgung zu überführen.“
Vieles davon (oder zumindest einiges) scheint der Politik, namentlich dem Bundesgesundheitsministerium nicht ganz unbekannt zu sein. So gab Friederike Botzenhardt, Referatsleiterin Innovationsfonds, Zukunftsregion Digitale Gesundheit im BMG, zu Protokoll, dass bei der Entwicklung des Entwurfs zum Digitale Versorgung Gesetz vorgesehen sei, nicht nur die Förderung „noch zielgerichteter“ zu gestalten, sondern auch „eine Ausrichtung auf besonders versorgungsrelevante Ansätze“ zu befördern. Aber ebenso, „einen Vorgehensvorschlag zu entwickeln, wie erfolgreich erprobte Wirkansätze in die Regelversorgung überführt“ werden können.
Das Gesetz sieht vor, dass bereits drei Monate nach Eingang des abschließenden Berichtes der Innovationsausschuss tätig werden muss, der eine Empfehlung – positiv oder negativ – zur Überführung in die Regelversorgung zu beschließen hat. Diese Empfehlung zur Überführung müsse laut Botzenhardt einen konkreten Vorschlag enthalten, wie die Überführung vonstatten gehen soll und welche Organisation dafür zuständig ist. Da es diverse Projekte mit verschiedensten Bestandteilen gebe, könne es sein, dass dafür G-BA-Richtlinien geändert, EBM-Ziffern eingeführt oder der Finanzierungskatalog erweitert werden müssen.
„Es kann aber auch sein, dass etwas im SGB V bisher überhaupt nicht vorgesehen ist, und dann die Empfehlung lauten wird, der Gesetzgeber möge hier bitte eine Anpassung des SGB V oder eines anderen Gesetzeswerkes vornehmen“, erklärte die BMG-Referatsleiterin. Vom Innovationsausschuss, der sich künftig selbst zu ernennender Experten bedienen kann, werde erwartet, dass dafür eine grobe Einsortierung vorgelegt werde, während die jeweilige Detailausarbeitung wiederum den zuständigen Gremien der Selbstverwaltung oder auch dem Gesetzgeber obliege. <<


von: Martin Klein (Freier Journalist) und MVF-Chefredakteur Peter Stegmaier

Zitationshinweis:

Klein, M., Stegmaier, P.: „Von der Förderung in die Regelversorgung“, in: „Monitor Versorgungsforschung“ (04/19), S. 12-13.; doi: 10.24945/MVF.04.19.1866-0533.2153

Ausgabe 04 / 2019

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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