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„Wissenschaft und Praxis stärker zusammenführen“

04.04.2019 14:00
Die Gründung des Bergischen Kompetenzzentrums für Gesundheitsökonomik und Versorgungsforschung – ursprünglich Bergisches Kompetenzzentrum für Gesundheitsmanagement und Public Health – (BKG) im Jahr 2009 war von der Überzeugung getragen, dass Gesundheit einen zentralen Wert darstellt. Der Leitgedanke für die Entstehung war die zukunftsfähige Gestaltung der Versorgung gemeinsam mit den Akteuren von Gesundheitssystem und -wirtschaft vor Ort. Das interdisziplinäre Zentrum ist seitdem fester Bestandteil der Schumpeter School of Business and Economics der Bergischen Universität Wuppertal und tragender Pfeiler der Profillinie „Gesundheit, Prävention und Bewegung“ der Bergischen Universität Wuppertal. Die Arbeitsgruppe „Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomische Evaluation“ wurde 2010 am BKG initiiert und wird seitdem von der Professorin Dr. Juliane Köberlein-Neu geleitet.

>> In der Regel wird davon ausgegangen, dass eine Karriere in der Wissenschaft ebenso wie die inhaltliche Ausrichtung nahezu minutiös geplant wird. Diesem Idealbild einer wissenschaftlichen Karriere ist Juliane Köberlein-Neu nicht ganz gefolgt. Da 2010 ihre Juniorprofessur für Gesundheitsökonomie und -management an der Bergischen Universität Wuppertal nicht nahtlos an eine vorangegangene akademische Tätigkeit anknüpfte, sondern an eine dreijährige Tätigkeit am Institut für Empirische Gesundheitsökonomie in Burscheid anschloss, ist ihre heutige Verankerung in der Versorgungsforschung das Ergebnis einer intensiven Orientierungsphase. Wobei ihr schon während ihrer Tätigkeit an einem privatwirtschaftlichem Auftragsforschungsinstitut mehrfach bewusst wurde, dass die wissenschaftliche Freiheit, welche im akademischen Umfeld geboten wird, unbezahlbar und ein hohes Gut ist. Als sich ihr 2010 die Möglichkeit bot, sich auf eine Juniorprofessur im Bereich Gesundheitsökonomie und -management an der Bergischen Universität Wuppertal zu bewerben, nutzte sie diese Chance denn auch. „Begeistert hat mich an der Ausschreibung meiner späteren Stelle in Wuppertal, dass Akteure aus der Gesundheitswirtschaft vor Ort gemeinsam mit der Universität und viel Engagement einen völlig neuen Forschungsbereich
initiiert hatten, den die gleichzeitig ausgeschriebene W3-Professur für Gesundheitsökonomie und -management sowie die Juniorprofessur nun mit Leben füllen durften“, erinnert sich Juliane Köberlein-Neu an ihren damaligen Start in die universitäre Lehre und Forschung.
Ihre Vision ist es dabei, Wissenschaft und Praxis in Projekten stärker zusammenzuführen und nicht nur auf dem Papier ein gleichberechtigtes Miteinander der beiden Seiten zu erreichen. Köberlein-Neu: „Dies ist sicher nicht immer leicht zu realisieren, da eine Kooperation auf Augenhöhe stets verlangt, dass man die eigenen Kompetenzgrenzen akzeptiert und ein gegenseitiges Relevanzverständnis schafft.“ Ein solcher Prozess benötige in jedem Forschungsverbund Zeit, welche den Projekten nur selten zugestanden werde. Doch sei es wichtig, der Praxis Raum für eigene Entwicklungen zu geben und sich von wissenschaftlicher Seite eher moderierend zu verhalten.
So ist sie davon überzeugt, dass die Öffnung von überwiegend wissenschaftlich
dominierten Forschungsvorhaben hin zu partizipativ arbeitenden Verbünden die Versorgungsforschung weiter voranschreiten und die Gesundheitsversorgung in allen Bereichen nachhaltig stärken wird.
Da diese Aussage so ziemlich haargenau den Leitgedanken des Bergischen Kompetenzzentrum für Gesundheitsökonomik und Versorgungsforschung entspricht, ist es kein Wunder, dass seit ihrer Berufung das BKG stetig sowohl in der Anzahl der Mitarbeiter, aber auch im Umfang der abgedeckten Themenfelder wächst und gedeiht. Die Zusammensetzung ihrer Arbeitsgruppe zeichnet sich dabei durch eine hohe Interdisziplinarität aus.
Im Gegensatz zur Mehrzahl der Lehrstühle und Arbeitsgruppen im Bereich der Versorgungsforschung ist das BGK indes nicht an eine medizinische Fakultät angebunden, sondern der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Schumpeter School of Business und Economics zugeordnet.
Ein wesentlicher Schwerpunkt der fakultätsweiten Forschungsaktivitäten liegt im Bereich der Innovationsforschung, wodurch sich für die Arbeitsgruppe wertvolle interdisziplinäre Impulse ergeben, insbesondere mit Blick auf die Adaptation von Methoden und Theorien.
Die Forschung am BKG ist sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgerichtet. „Wir forschen und lehren insbesondere zu Fragestellungen an der Schnittstelle von Gesundheit, Versorgung und Ökonomie“, erklärt Juliane Köberlein-Neu. Ihr Hauptanliegen ist es, zu einer evidenzbasierten und am Bedarf orientierten Weiterentwicklung der regionalen und überregionalen Gesundheitsversorgung beizutragen.
Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt derzeit in der ganzheitlichen Evaluation komplexer Interventionen. Hierzu zählt sowohl die Planung und Evaluation neuer Versorgungsformen, welche die sektorenübergreifende Versorgung weiterentwickeln oder Schnittstellen innerhalb eines Sektors optimieren, als auch die Untersuchung von Gesundheitstechnologien. Im Sinne der Ganzheitlichkeit wird die Evaluation als kontinuierlicher Prozess angesehen, welcher Interventionen in unterschiedlichen Entwicklungsabschnitten oder Bereichen ihres Lebenszyklus ana-
lysiert und Fragestellungen auf verschiedenen Ebenen, z.B. Organisations- oder Patienten-Ebene, untersucht.
Ein besonderer Fokus der Arbeit in diesem Bereich ist auf die ökonomische Bewertung von Interventionen sowie die Erklärung sog. komplexer Kausalität ausgerichtet.
Des Weiteren beschäftigen sich die Forscher am BKG mit der Versorgungssituation von Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen (z.B. bei Pflegebedürftigkeit) und in verschiedenen Indikationsgebieten (z.B. der Ophthalmologie). In diesem Zusammenhang gilt das Interesse auch der Erhebung von Versorgungspfaden bei vulnerablen Bevölkerungsgruppen sowie den Auswirkungen gesundheitspolitischer Entscheidungen auf das Versorgungsgeschehen und damit auf die Bürger.
Ein erster wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Arbeitsgruppe war die Förderung des Projektes „Interprofessionelles Medikationsmanagement bei multimorbiden Menschen (WestGem-Studie)“ im Rahmen der Ziel-2-Förderreihe „IuK & Gender med.NRW“. Das Projekt war eine der ersten cluster-randomisierten Studien in Deutschland, welche die Wirksamkeit eines durch Apotheker und Hausärzte gemeinsam begleiteten Medikationsmanagements untersuchte.
Einen wichtigen Zugang zu Praxispartnern im Bergischen Städtedreieck erhielt das BKG aber auch durch das Projekt „solimed ePflegebericht“, welches ebenfalls im Rahmen der Ziel-2-Förderreihe „IuK &
Gender med.NRW“ unterstützt wurde.
Es folgten in den kommenden Jahren wichtige Förderprojekte zu weiteren Themen wie beispielsweise: Blindheit und Sehbehinderung (Jackstädt-Stiftung), Advance Care Planning (BMBF), ärztlich-pflegerische Zusammenarbeit in Pflegeeinrichtungen (Innovationsfonds), Digital unterstützte Arzneimitteltherapie (Innovationsfonds) und Shared Decision Making (Innovationsfonds).
Der bisher größte Erfolg der Arbeitsgruppe ist jedoch, dass 2018 von Seiten der Universität eine Verstetigung des Forschungsgebietes Versorgungsforschung vorgenommen wurde und hierdurch nun die aktuell bestehenden Bachelorstudiengänge Gesundheitsökonomie und -management durch einen Masterstudiengang ergänzt werden können.
Doch bei all dem sieht Professorin Dr. Juliane Köberlein-Neu einen wichtigen Bestandteil ihrer Forschung auch in der Weiterentwicklung von Methoden in der Versorgungsforschung und der gesundheitsökonomischen Evaluation. <<

Ausgabe 04 / 2019

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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