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Zur Wirtschaftlichkeit der Versorgungslage von Patienten mit spastischer Bewegungsstörung

04.04.2019 10:20
Eine spastische Bewegungsstörung (SB) tritt infolge einer Schädigung des zentralen Nervensystems auf. Entsprechend ist die SB ein Symptom zahlreicher Grunderkrankungen, darunter der Schlaganfall, die Multiple Sklerose oder die infantile Zerebralparese [1, 2]. Eine aktuelle Hochrechnung aus Daten der Leipziger Foren lässt darauf schließen, dass etwa 530.000 Patienten von einer behandlungsbedürftigen SB betroffen sind. Eine nicht oder nur unzureichend versorgte SB kann für den Betroffenen erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität haben. Neben teilweise starken Beeinträchtigungen im Alltag können als Begleiterkrankungen Kontrakturen, Ulzerationen sowie Schmerzen auftreten. Dies hat häufig einen höheren Pflegebedarf bzw. eine höhere Pflegegrad-Einstufung zur Folge [2, 3]. Eine SB lässt sich nicht heilen, sehr wohl jedoch lassen sich Ausprägung und Begleiterkrankungen reduzieren. Geeignete Therapieverfahren werden in der Fachliteratur und den entsprechenden Leitlinien beschrieben [4-8]. Es ist allerdings anzunehmen, dass die Versorgungsrealität in Deutschland ein abweichendes Bild zeigt. Ein Survey sollte deshalb klären, wie sich die Therapie der Betroffenen darstellt [9]. Es wurden insgesamt 109 niedergelassene Allgemeinmediziner aus Deutschland postalisch zur ihrer Patientenklientel mit SB sowie deren Versorgung befragt. Da nicht in die Therapieentscheidung des jeweiligen Arztes eingegriffen werden sollte, wurde ein nicht-interventionelles, retrospektives Studiendesign gewählt. Der ausgesandte Fragebogen umfasste insgesamt 26 Fragen zu allgemeinen Angaben zur Patientenklientel, der nicht-invasiven und der medikamentösen Therapie und zur Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen. Im Durchschnitt versorgt jeder Allgemeinmediziner etwa 24 Patienten mit SB.

doi: 10.24945/MVF.04.19.1866-0533.2165

Abstract

Hintergrund: Die spastische Bewegungsstörung (SB) ist ein schweres Symptom zahlreicher Grunderkrankungen. Eine Befragung von Allgemeinmedizinern hat aufgezeigt, wie sich die Versorgung der Betroffenen in Deutschland darstellt. Diese weicht dabei teilweise erheblich von einer in der Fachliteratur und den Leitlinien beschriebenen Idealversorgung ab. Auf Grundlage dieses Surveys soll eine Prozesskostenanalyse die derzeitige Versorgung ökonomisch bewerten und einen Bezug zu einer evidenzbasierten und leitliniengerechten Versorgung herstellen.
Methodik: Für die erfragten Kategorien der Therapie der SB wird zunächst der Ressourcenverbrauch ermittelt. Den einzelnen Versorgungsbereichen werden anschließend aus Perspektive der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie der gesetzlichen Pflegeversicherung (GPV) anfallende Kosten zugeordnet. Die Kosten werden für ein Jahr ermittelt und auf die Gesamtpopulation der Patienten mit SB in Deutschland hochgerechnet. Um die Angaben aus dem Survey zu stützen und Aussagen zu möglichen Fehlversorgungsleistungen treffen zu können, wurde zusätzlich ein Delphi-Panel aus spezialisierten Neurologen befragt.
Ergebnisse: Die Gesamtkosten aus Perspektive der GKV liegen bei durchschnittlich etwa 1.500 Euro pro Patient und Jahr. Extrapoliert auf die Gesamtpopulation ergeben sich knapp 793 Mio. Euro jährlich. Den Großteil der Kosten verursacht die Pflege der Betroffenen. Hier fallen jährlich insgesamt 5,9 Mrd. Euro an. Aus dem Survey ergab sich, dass 65,3% der Patienten einen aufgrund der SB erhöhten Pflegegrad haben. Unter der Annahme, dass eine optimierte Versorgung der Betroffenen diesen Pflegebedarf reduzieren wird, führt dies zu einem Einsparpotenzial von fast 1,5 Mrd. Euro.
Konklusion: Das Delphi-Panel geht davon aus, dass sich bei einer leitliniengerechten Versorgung der SB vor allem die medikamentöse Therapie ändern wird. Durch die notwendige Steigerung der Anzahl von Injektionsbehandlungen mit Botulinumtoxin A (BoNT/A) und intrathekalem Baclofen könnte der Einsatz von oralen antispastischen Medikamenten deutlich reduziert werden. Es ist davon auszugehen, dass durch die leitliniengerechte Versorgung der SB die Kosten für Versorgungsleistungen zunächst um etwa 9,5% steigen, langfristig kann jedoch mit einem Einsparpotenzial durch vermiedene Begleit- und Folgeerkrankungen sowie durch einen verringerten Pflegebedarf gerechnet werden.

Economic consideration of the care situation of patients with spastic movement disorders
Background: Spastic movement disorder is a severe symptom of numerous underlying diseases. A survey of general practitioners revealed the nature of the health services in Germany. In some cases, the results differ considerably from the ideal care described in the specialist literature and the guidelines. On the basis of this survey, a process cost analysis will evaluate the current care economically and establish a reference to an evidence-based and guideline-oriented care.
Methods: The resource consumption is first determined for the categories of spastic movement disorder therapy surveyed. The costs incurred from the perspective of the statutory health insurance and the statutory nursing care insurance are then allocated to the individual care areas. The costs are determined for one year and extrapolated to the total population of patients with spastic movement disorders in Germany. In order to support the data from the survey and to be able to make statements about possible treatment failures of services, a Delphi panel of specialized neurologists was also installed.
Results: The total costs from the perspective of the statutory health insurance are on average about 1,500 Euro per patient and year. Extrapolated to the total population, this amounts to almost Euro 793 million per year. The majority of the costs are caused by the care of those affected. A total of Euro 5.9 billion is incurred annually in this area. The survey showed that 65.3% of patients have an increased level of care due to self-sufficiency. Under the assumption that optimized patient care will reduce this need for care, this leads to an annual savings potential of almost Euro 1.5 billion.
Conclusion: The Delphi Panel assumes that if the spastic movement disorder is treated in accordance with the guidelines, the main change will be in drug therapy. The necessary increase in the number of injection treatments with botulinum toxin A (BoNT/A) and intrathecal baclofen could significantly reduce the use of oral antispastic drugs. It can be assumed that the costs for health care services will initially increase by around 9.5% due to the provision of health care services in accordance with the guidelines, but that in the long term savings potential can be expected from avoided concomitant and secondary illnesses as well as from a reduced need for nursing care.

Keywords
Spasticity, general medicine, care situation, economic evaluation

Helena Thiem, B.Sc / Christoph Potempa, M.A. / Prof. Dr. Dr. Reinhard Rychlik / Prof. Dr. h.c. Herbert Rebscher

Literatur:

1. Pandyan, A.D., Spastik: Überlegungen zu klinisch relevanten Definitionen und Messungen. Neuroreha, 2010. 2(03): p. 106-110.
2. Dressler, D., et al., Defining spasticity: a new approach considering current movement disorders terminology and botulinum toxin therapy. Journal of Neurology, 2018. 265(4): p. 856-862.
3. Egen-Lappe, V., I. Köster, and I. Schubert, Incidence estimate and guideline-oriented treatment for post-stroke spasticity: an analysis based on German statutory health insurance data. International Journal of General Medicine, 2013. 6: p. 135-144.
4. Kollewe, K. and R. Dengler, Therapie der Spastik, in Die neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation. 2013, Springer: Berlin, Heidelberg. p. 155-172.
5. Wissel, J., et al., Early development of spasticity following stroke: a prospective, observational trial. Journal of Neurology, 2010. 257(7): p. 1067-1072.
6. Wissel, J., et al., Botulinum-Neurotoxin in der Behandlung der Spastizität im Erwachsenenalter - Ein interdisziplinärer deutscher 10-Punkte-Konsensus 2010. Der Nervenarzt, 2011. 82(4): p. 481-495.
7. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Therapie des spastischen Syndroms. S1 Leitlinie AWMF-Registernummer 030/078. Stand 09/2012: In Überarbeitung.  2012.
8. Winter, T. and J. Wissel, Behandlung der Spastizität nach Schlaganfall. Neurologie und Rehabilitation, 2013. 19: p. 285-230.
9. Potempa, C., et al., Zur Versorgungslage von Patienten mit spastischer Bewegungsstörung in Deutschland. Monitor Versorgungsforschung, 2019. 03: p. 56-63.
10. Block, F., Praxisbuch neurologische Pharmakotherapie. 2018: Springer-Verlag.
11. Robinson, R.G. and G. Spalletta, Poststroke depression: a review. The Canadian Journal of Psychiatry, 2010. 55(6): p. 341-349.

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Zitationshinweis: Thiem et al.: „Zur Wirtschaftlichkeit der Versorgungslage von Patienten mit spastischer Bewegungsstörung“, in: „Monitor Versorgungsforschung“ (04/19), S. 65-74, doi: 10.24945/MVF.04.19.1866-0533.2165

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Plain-Text:

Zur Wirtschaftlichkeit der Versorgungslage von Patienten mit spastischer Bewegungsstörung

Eine spastische Bewegungsstörung (SB) tritt infolge einer Schädigung des zentralen Nervensystems auf. Entsprechend ist die SB ein Symptom zahlreicher Grunderkrankungen, darunter der Schlaganfall, die Multiple Sklerose oder die infantile Zerebralparese [1, 2]. Eine aktuelle Hochrechnung aus Daten der Leipziger Foren lässt darauf schließen, dass etwa 530.000 Patienten von einer behandlungsbedürftigen SB betroffen sind. Eine nicht oder nur unzureichend versorgte SB kann für den Betroffenen erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität haben. Neben teilweise starken Beeinträchtigungen im Alltag können als Begleiterkrankungen Kontrakturen, Ulzerationen sowie Schmerzen auftreten. Dies hat häufig einen höheren Pflegebedarf bzw. eine höhere Pflegegrad-Einstufung zur Folge [2, 3]. Eine SB lässt sich nicht heilen, sehr wohl jedoch lassen sich Ausprägung und Begleiterkrankungen reduzieren. Geeignete Therapieverfahren werden in der Fachliteratur und den entsprechenden Leitlinien beschrieben [4-8]. Es ist allerdings anzunehmen, dass die Versorgungsrealität in Deutschland ein abweichendes Bild zeigt. Ein Survey sollte deshalb klären, wie sich die Therapie der Betroffenen darstellt [9]. Es wurden insgesamt 109 niedergelassene Allgemeinmediziner aus Deutschland postalisch zur ihrer Patientenklientel mit SB sowie deren Versorgung befragt. Da nicht in die Therapieentscheidung des jeweiligen Arztes eingegriffen werden sollte, wurde ein nicht-interventionelles, retrospektives Studiendesign gewählt. Der ausgesandte Fragebogen umfasste insgesamt 26 Fragen zu allgemeinen Angaben zur Patientenklientel, der nicht-invasiven und der medikamentösen Therapie und zur Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen. Im Durchschnitt versorgt jeder Allgemeinmediziner etwa 24 Patienten mit SB.

>> Im Rahmen der Prozesskostenanalyse wird zunächst aus den erfragten Kategorien der aus der Therapie der SB resultierende Ressourcenverbrauch ermittelt. In einem weiteren Schritt werden den Angaben zu den einzelnen Versorgungsbereichen Kosten zugeordnet. Die monetäre Bewertung findet aus Perspektive der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie der gesetzlichen Pflegeversicherung (GPV) in Deutschland statt. Die einzelnen Bereiche umfassen die Kosten für die medizinische Versorgung durch den Allgemeinmediziner, für nicht-invasive Therapiemaßnahmen, die medikamentöse Therapie sowie die Pflege. Die Kosten werden für einen Zeitraum von einem Jahr ermittelt. Um Aussagen zu den durch die Versorgung der Patienten mit SB entstehenden Kosten treffen zu können, werden diese jeweils auf die von einer SB betroffene Gesamtpopulation in Deutschland hochgerechnet. Um die Angaben aus dem Survey zu stützen und Aussagen zu möglichen Fehlversorgungsleistungen treffen zu können, wurde zusätzlich ein Delphi-Panel befragt. Dieses besteht aus fünf Neurologen, die sich auf die Behandlung zentraler Bewegungsstörungen spezialisiert haben.1
Ressourcenverbrauch
Die Daten zum Ressourcenverbrauch entstammen dem Survey zur Versorgung von Patienten mit SB in Deutschland. Zusätzlich wurden Leitlinien und die Fachliteratur bezüglich der üblichen Schemata, Dosierungen oder Behandlungsintervalle sowie Versorgungsdaten der Leipziger Foren hinzugezogen.
Kosten
Die Kosten für antispastische Medikamente und Medikamente zur Analgesie sowie zur Behandlung der Depression entstammen der Lauer-Taxe 2019. Kosten für Behandlungen durch den Allgemeinmediziner oder weitere Fachärzte entstammen der Datenbank des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Zusätzlich werden die Kostendaten durch eine Recherche über gängige Internetsuchmaschinen ergänzt.
Ergebnisse
Da die Allgemeinmediziner zur ihrer gesamten Patientenklientel mit SB befragt wurden, sind die Angaben allgemein gehalten. Eine separate Betrachtung der einzelnen Versorgungsbereiche erscheint zunächst sinnvoll.

Kosten durch Arztbesuche beim Allgemeinmediziner
Patienten mit SB suchen mit unterschiedlicher Frequenz ihren Hausarzt auf. In der Befragung gaben die Allgemeinmediziner an, dass jeweils 36,7% der Patienten 3 bis 6 bzw. 6 bis 12 Mal im Jahr aufgrund der SB in die Praxis kommen. Häufiger als 12 Mal suchen 13,8% den Arzt auf, 1 bis 3 Mal 11,9%. Konkrete Angaben zu den Arztbesuchen im Einzelnen sind dem Survey nicht zu entnehmen, weshalb von einer durchschnittlichen Frequenz von 6 Besuchen im Jahr aufgrund der SB ausgegangen wird.
Einmal je Quartal kann die Versichertenpauschale 0300X entsprechend der jeweils zugrunde liegenden Altersklasse abgerechnet werden. Aus dem Survey geht hervor, dass für 92,7% der Allgemeinmediziner vor allem Patienten im Alter von 30 Jahren aufwärts von einer SB betroffen sind. Aus diesem Grund geht der Mittelwert der Versichertenpauschalen nach Altersklasse in Höhe von 17,16 Euro in die Berechnung ein.
Da bei Patienten mit SB davon auszugehen ist, dass mindestens eine lang andauernde, lebensverändernde Erkrankung vorliegt sowie eine kontinuierliche ärztliche Behandlung und Betreuung notwendig ist, kann bei Erfüllung dieser Voraussetzungen einmal je Behandlungsfall zudem ein Chronikerzuschlag in Höhe von 13,69 Euro abgerechnet werden. Für weitere Arztbesuche innerhalb eines Quartals wird die Gebührenordnungsposition (GOP) 03230 Gespräch in Höhe von 9,48 Euro veranschlagt. Pro Jahr ergeben sich daraus durchschnittlich 142,37 Euro pro Patient (Tab. 1). Unter der Annahme, dass die Gesamtzahl an Patienten mit SB in Deutschland in Höhe von 530.000 Betroffenen durch den Allgemeinmediziner versorgt wird, würden die jährlichen Kosten der hausärztlichen Versorgung bei bis zu 75,5 Mio. Euro liegen.

Kosten durch nicht-invasive Therapieverfahren
Für die Therapie der SB stehen diverse nicht-invasive Therapieverfahren zur Verfügung. Im Rahmen des Surveys wurden die Physiotherapie, Orthesen/Gipsverbän-
de und Akupunktur abgefragt. Alle Patienten erhalten im Schnitt „häufig“ Physiotherapie. Orthesen und Gipsverbände werden laut den Allgemeinmedizinern bei 17,3% der Patienten häufig, Akupunktur lediglich bei 4,3% häufig eingesetzt.
Empfohlen werden physiotherapeutische Behandlungen im Intervall von zweimal wöchentlich jeweils 30 bis 45 Minuten, zunächst für 6 Wochen [7]. Da aus der Befragung keine konkreten Angaben zu Intervall und Dauer der Physiotherapie für den einzelnen Patienten hervorgehen, wird für die Kostenberechnung angenommen, dass Patienten mit SB durchschnittlich einmal im Jahr für einen Zeitraum von 6 Wochen zweimal wöchentlich Physiotherapie erhalten.
Die krankengymnastische Behandlung, auch auf neurophysiologischer Grundlage als Einzelbehandlung (20501) wird unter anderem bei spastischen Lähmungen eingesetzt. Die Krankengymnastik zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen, nach Vollendung des 18. Lebensjahres nach Bobath, Vojta und mittels proprio-zeptiver neuromuskulärer Fazilitation (PNF) als Einzelbehandlung (20710, 20711, 20712) ist gezielt auf volljährige Patienten mit spastischer Lähmung bei Schädigung des Gehirns oder Rückenmarks ausgerichtet. In die Kostenbetrachtung gehen die Vergütungspauschalen für diese Therapieverfahren im Bereich von 20 bis 35 Minuten ein. Laut Vergütungsvereinbarung gemäß § 125 SGB V für die Abrechnung physiotherapeutischer Leistungen, Massagen und medizinischer Bäder liegen die Behandlungen zwischen 19,58 Euro und 27,75 Euro, der Mittelwert liegt bei 25,71 Euro (Tabelle 2).
Für die Positionsnummer 20501 ergeben sich Kosten in Höhe von 234,96 Euro pro Jahr und Patient, für die Positionsnummern 20710, 20711 und 20712 sind es jeweils 333,00 Euro. Ausgehend von einer gleichen Verteilung der einzelnen Maßnahmen liegt der Durchschnittswert bei 308,52 Euro. Bezogen auf die Gesamtzahl an Patienten würden die jährlichen Ausgaben für physiotherapeutische Behandlungen bei 163,6 Mio. Euro liegen.
Gipsverbände kommen im Rahmen der Behandlung der SB mittlerweile nur noch selten zum Einsatz. Orthesen jedoch gibt es in zahlreichen Ausführungen mit jeweils sehr unterschiedlichen Funktionsweisen. Sie dienen der Redression, also der Korrektur von Fehlstellungen, können Fixieren, Entlasten, Mobilisieren oder die Steh- und Gehfähigkeit verbessern sowie als Unterstützung bei der Kontrakturenprophylaxe eingesetzt werden.
Die Kosten für Orthesen und Gipsverbände können in Abhängigkeit von Einsatzgebiet, Größe und Hersteller erheblich variieren. Der Patient hat 10% des Hilfsmittels selbst zu tragen, insgesamt jedoch nicht mehr als 10 und nicht weniger als 5 Euro. In die Kos-tenbetrachtung gehen Durchschnittspreise für die am häufigsten eingesetzten Orthesen ein. Dies sind im Bereich der oberen Extremität Handorthesen sowie im Bereich der unteren Extremität Orthesen für Sprunggelenk, Fuß und Bein. Im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbands sind diese unter den Hilfsmittelnummern 23.02.-, 23.03.-, 23.06.- sowie 23.07.- aufgeführt.
Unter Berücksichtigung des Eigenanteils der Patienten liegt der Durchschnittspreis für Orthesen bei 113,05 Euro. Ausgehend davon, dass etwa 17,3% der Patienten häufig Orthesen verordnet bekommen, lägen die Gesamtkosten für alle Patienten mit SB bei etwa 10,4 Mio. Euro.
Die Akupunktur zur Therapie der SB wird in der Regel nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet. Teilweise bezuschussen einige Krankenkassen allerdings Akupunkturbehandlungen im Rahmen von Bonusprogrammen. Zur Berechnung der Kosten wird jedoch davon ausgegangen, dass die Patienten Akupunkturbehandlungen als IGeL-Leistung selbst zahlen müssen.

Kosten durch Arzneimittel
Patienten, die eine behandlungsbedürftige SB entwickelt haben, werden nach Angabe der befragten Allgemeinmediziner zu 48,7% mit antispastischen Medikamenten versorgt. Aufteilen lassen sich diese in orale antispastische Medikamente, Injektionen mit Botulinumtoxin A (BoNT/A) sowie intrathekalem Baclofen.
Die Preise der einzelnen Arzneimittel sind Durchschnittspreise, ermittelt nach den Apotheken-Verkaufspreisen der Lauer-Taxe 2019. Abgezogen wurden jeweils der gesetzliche Apothekenabschlag in Höhe von 1,77 Euro sowie eine Zuzahlung des Patienten. Für die oralen antispastischen Medikamente wurde diese pauschal mit 5,00 Euro angesetzt. Für die BoNT/A Präparate sowie das intrathekale Baclofen wurden die variierenden Patientenzuschläge sowie zusätzlich eventuelle Herstellerpflichtrabatte berücksichtigt.

Orale antispastische Medikamente
Als orale antispastische Medikamente werden die Präparate Baclo-
fen, Tizanidin, Tolperison, Dantrolen, Clonazepam, Diazepam, Gabapentin, Levodopa (L-DOPA) sowie Memantin eingesetzt. Bei Gabapentin liegt die minimale Wirkdosis zur Therapie der SB bei 1.200 mg/Tag, empfohlen wird eine Dosierung im Bereich von 2.400-3.600 mg/Tag, aus diesem Grund werden nur Präparate ab 400 mg berücksichtigt. Gewählt wurde jeweils die Packungsgröße N2, die für die Dauertherapie mit besonderer ärztlicher Kontrolle für eine Behandlungsdauer von 30 Tagen gedacht ist. Tetrahydrocannabinol wird als Spray in der Größe N1 berücksichtigt (Tab. 3). In die Kos-tenberechnung ging zudem ein, wie häufig die Allgemeinmediziner nach eigenen Angaben die einzelnen Präparate jeweils einsetzen.
Die Kosten für die oralen antispastischen Medikamente liegen pro Patient durchschnittlich bei 105,24 Euro im Jahr. Ausgehend davon, dass nach Einschätzung der Allgemeinmediziner etwa 48,7% der Patienten mit antispastischen Arzneimitteln versorgt werden, lägen die jährlichen Kosten für die Gesamtzahl an Patienten mit SB bei 27,2 Mio. Euro.

Botulinumtoxin Typ A
Die Dosierung der einzelnen Präparate zur Injektionsbehandlung mit BoNT/A ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Insbesondere Schweregrad und Lokalisation der Spastik, aber auch Alter, Gewicht und Allgemeinzustand sowie das Ansprechen auf mögliche vorherige Behandlungen des Patienten sind hier entscheidend und individuell in die Behandlung einzubeziehen. Je Behandlungssitzung werden für die Präparate Botox, Dysport und Xeomin unterschiedliche Dosierungen empfohlen.
Die in die Kostenbetrachtung einbezogenen durchschnittlichen Einheiten gehen auf eine Befragung von 70 spezialisierten Neurologen2 zurück und entsprechen in etwa den Empfehlungen der Fachinformationen der einzelnen Präparate. In der Therapie der SB werden jeweils durchschnittlich 300 Einheiten Botox oder Xeomin verwendet. Bei Dysport sind es im Schnitt 1.000 Einheiten. Die in die Kostenaufstellung einbezogenen Arzneimittelpreise orientieren sich an den aktuellen Preisen der Lauer-Taxe sowie den laut der Befragung durchschnittlich eingesetzten Dosierungen. Ein exakter Vergleich der Durchschnittskosten der BoNT/A Präparate ist aufgrund unterschiedlicher Zulassungen von Muskelgruppen und Dosierungen nicht möglich, diese können daher nur einen Anhaltspunkt liefern. Die Erhebungsdaten der Leipziger Foren zeigen zudem, dass durchschnittlich 3,3 Behandlungen im Jahr durchgeführt werden.
Für die jeweilige Injektionsbehandlung wurde angenommen, dass diese über den EBM abgerechnet wird. Als Leistungen wurden die GOP 16211 Grundpauschale 6. bis 59. Lebensjahr bzw. 16212 Grundpauschale ab 60. Lebensjahr sowie die GOP 16220 Neurologisches Gespräch, neurologische Behandlung, Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, hier modellhaft einmal je Sitzung abgerechnet, kalkuliert.
Ausgehend von durchschnittlich 3,3 Behandlungen im Jahr ergeben sich jährlich 3.596,80 Euro pro Patient für die Präparate mit BoNT/A (1.055,41 Euro/Behandlung) sowie 113,95 Euro (34,53 Euro/Behandlung) für die ärztliche Behandlung. Nach Aussage der Allgemeinmediziner werden etwa 9,4% ihrer Patienten mit BoNT/A versorgt, sodass die jährlichen Gesamtkosten für die Injektionsbehandlung mit BoNT/A bei 179,1 Mio. Euro lägen.

Baclofen intrathekal
Erhält ein Patient über eine Pumpe Baclofen intrathekal, so können nach der individuellen Dosisanpassung interindividuell sehr unterschiedliche Erhaltungsdosen notwendig sein. Bei spinaler Spastik liegt die Dosis im Mittel bei 300-800 µg/Tag (Bereich 10-1.000 µg/Tag), bei zerebraler Spastik im Mittel bei 275 µg/Tag (Bereich 22-1.400 µg/Tag) [10]. In die Kostenbetrachtung gehen Durchschnittspreise für Baclofen-Präparate in der jeweils der Fachinformation zu entnehmenden Erhaltungsdosis für Erwachsene ein.
In einem Intervall von etwa 5 Jahren muss die Medikamentenpumpe neu implantiert werden. Hier wird das Zusatzentgelt ZE09 Vollimplantierbare Medikamentenpumpe mit programmierbarem variablen Tagesprofil der G-DRG-Version 2019 in Höhe von 9.873,60 Euro anteilig in die Berechnung einbezogen. Zusätzlich muss die Baclofenpumpe etwa alle drei Monate durch einen Arzt wieder aufgefüllt werden. So ist bei Einsatz einer Baclofenpumpe einmal im Quartal zusätzlich die GOP 30740 Überprüfung eines zur Langzeitanalgesie angelegten Plexus-, Peridural- oder Spinalkatheters oder Funktionskontrolle und/oder Wiederauffüllung einer Medikamentenpumpe und/oder eines programmierbaren Stimulationsgerätes zu berechnen.
Pro Patient fallen durchschnittlich 225,50 Euro je Quartal für die Präparate an, was 902,00 Euro im Jahr entspricht. Für das Wiederauffüllen der Baclofenpumpe fallen jährlich zusätzlich 48,04 Euro an, anteilig werden zudem die Kosten für die Implantierung der Medikamentenpumpe in Höhe von 2.022,76 Euro berechnet. Aus der Befragung ging hervor, dass etwa 2,5% der Patienten mit SB eine intrathekale Baclofenpumpe erhalten. Dies würde bezogen auf die Gesamtpopulation zu Gesamtkosten in Höhe von 38,8 Mio. Euro im Jahr führen.

Analgetika
Da die spastische Parese häufig starke Schmerzen für den Patienten bedeutet, erhält zusätzlich mehr als die Hälfte der Patienten (54,2%) Analgetika. Die Preise für verschriebene Analgetika orientieren sich an den in der Lauer-Taxe 2019 aufgeführten Apothekenverkaufspreisen. Ermittelt wurden für die einzelnen Präparate jeweils die Durchschnittspreise der Packungsgröße N2 für 30 Tage. Berücksichtigt wurden der gesetzliche Apothekenabschlag in Höhe von 1,77 Euro sowie 5,00 Euro Zuzahlung des Patienten, welche von den Apothekenverkaufspreisen abgezogen wurden. Teilweise weichen die Pflichtrabatte der Apotheker und die Zuzahlungen für die Patienten von dem angesetzten Regelsatz ab, weshalb für Paracetamol durchschnittlich 0,08 Euro Pflichtrabatt sowie 1,50 Euro Zuzahlung anfallen, bei Acetylsalicylsäure (ASS) sind es 0,10 Euro und 2,00 Euro. Zudem liegt die Zuzahlung für die Präparate Hydromorphon, Oxycodon und Pregabalin bei durchschnittlich 7,50 Euro. Für ASS gehen nur Präparate mit 500 mg Wirkstoff in die Berechnung ein, da bei geringerer Dosierung keine schmerzlindernde Wirkung eintritt. Zusätzlich werden die Durchschnittspreise der einzelnen Analgetika-Gruppen jeweils entsprechend ihrem Anteil an den Verordnungen für Analgetika insgesamt gewichtet (Tabelle 6).
Für die Gruppe der Acetanilide fallen durchschnittlich 0,12 Euro für 30 Tage an. NSAR werden mit durchschnittlich 5,56 Euro veranschlagt, Opioide und mit 40,73 Euro. Für die Pyrazolone werden durchschnittlich 4,38 Euro sowie für die Co-Analgetika 21,72 Euro kalkuliert. Insgesamt ergibt sich für die Versorgung mit Analgetika ein Preis von monatlich 75,51 Euro. Auf ein Jahr bezogen fallen 906,12 Euro an. Da etwa die Hälfte aller Patienten mit SB Analgetika benötigen, lägen die Gesamtkosten bei etwa 260,3 Mio. Euro.

Antidepressiva
Patienten, die unter einer SB leiden, erfahren immer auch Einschränkungen aufgrund ihrer schwerwiegenden Grunderkrankung. Sollte sich der Allgemeinzustand durch die SB noch weiter verschlechtern, weil der Patient zum Beispiel in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist oder unter starken Schmerzen leidet, erkranken viele der Patienten zusätzlich an einer Depression. Bei Schlaganfall-Patienten wird die Zahl der Betroffenen auf etwa ein Drittel geschätzt [11].
Die befragten Allgemeinmediziner vermuten im Durchschnitt bei 44,8% ihrer Patienten mit SB, dass diese zusätzlich unter einer Depression leiden. 72,5% der Ärzte behandeln dabei die Depression selber, etwa die Hälfte der Ärzte (47,7%) bezieht zusätzlich einen weiteren Facharzt in die Behandlung ein. Es wurden im Rahmen des Survey keine konkreten Maßnahmen zur Behandlung der Depression erfragt, weshalb lediglich die Annahme getroffen werden kann, dass der Allgemeinmediziner Antidepressiva einsetzt. Die heutzutage am häufigsten eingesetzte Gruppe der Antidepressiva sind die selektiven Serotonin Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) und selektiven Serotonin und Noradrenalin Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI). Beispielhaft wurden die Präparate Citalopram, Fluoxetin und Sertralin in der Packungsgröße N2 gewählt, um die Arzneimittelkosten für die Therapie der Depression abzubilden. Von den Apothekenverkaufspreisen wurden jeweils der Apothekenpflichtrabatt und die Zuzahlung des Patienten abgezogen.
Für die medikamentöse Therapie der Depression entstehen so monatlich Kosten in Höhe von 18,33 Euro pro Patient, für ein Jahr liegen diese bei 219,96 Euro. Sollte die Hälfte der Gesamtpopulation unter einer Depression leiden und etwa 72,5% der Betroffenen mit Antidepressiva versorgt werden, würden sich allein für die Arzneimitteltherapie jährlich Kosten in Höhe von 37,9 Mio. Euro ergeben.
Gesamtkosten GKV
Die Gesamtkosten der medizinischen Versorgung der SB liegen bei durchschnittlich etwa 1.500 Euro pro Patient und Jahr. Extrapoliert auf die Gesamtpopulation von 530.000 Patienten ergeben sich knapp 793 Mio. Euro pro Jahr (Tab. 8).
Kosten durch Pflege
Sofern ein Patient als pflegebedürftig gilt und einen entsprechenden Pflegegrad zugesprochen bekommen hat, hat er Anspruch auf Pflegegeld oder Pflegesachleistungen. Die dem Patienten zustehenden jeweiligen Beträge variieren mit der Höhe des Pflegegrades. Möglich ist auch eine anteilige Kombination aus Sachleistungen und Pflegegeld. Den Patienten aller Pflegegrade steht zudem ein zweckgebundener Entlastungsbetrag in Höhe von 125,00 Euro im Monat zu. Zur Berechnung der durch die Pflegebedürftigkeit entstehenden Kosten wird von dem Anspruch auf Pflegesachleistungen ausgegangen, eventuelle Ausgaben aufgrund stationärer Pflege oder sonstiger Leitungsausgaben werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Zudem wird angenommen, dass alle Patienten gesetzlich pflegeversichert sind.
Im Durchschnitt haben 76,9% der Patienten mit SB einen Pflegegrad. Bezogen auf die Gesamtzahl an Patienten mit SB in Deutschland von 530.000 Betroffenen entspricht das etwa 407.570 Patienten mit SB, die einen Pflegegrad haben.
Da Patienten mit Pflegegrad 1 monatlich lediglich der zweckgebundene Entlastungsbetrag zusteht, liegen die Ausgaben für die GPV gemäß der Angaben der Allgemeinmediziner zur Verteilung bei maximal 17,1 Mio. Euro im Jahr. Die Ausgaben für Patienten mit Pflegegrad 2 liegen bei etwa 915,7 Mio. Euro. Da Patienten nach Aussage der befragten Allgemeinmediziner am häufigsten den Pflegegrad 3 haben, liegen die Ausgaben hier mit 2,4 Mrd. Euro monatlich am höchsten. Für den Pflegegrad 4 fallen 1,8 Mrd. Euro an, für Pflegegrad 5 sind es 756,9 Mio. Euro. Die jährlichen Gesamtausgaben für die Pflege von Patienten mit SB liegen somit bei etwa 5,9 Mrd. Euro (Tab. 9).
Weit mehr als die Hälfte dieser Patienten (65,3%) hat einen aufgrund der SB erhöhten Pflegegrad, was etwa 266.143 Patienten entspricht. Unter der Annahme, dass sich mit einer leitliniengerechten, evidenzbasierten Behandlung der Betroffenen der Pflegegrad reduzieren ließe, ergibt sich hier ein Einsparpotenzial für die Pflegeversicherung (Tab. 10).
Unter Berücksichtigung der jeweiligen Verschiebung innerhalb der einzelnen Pflegegrade (65,3% der Patienten werden jeweils einen Pflegegrad geringer eingestuft) liegt dieses bei knapp 1,5 Mrd. Euro. Die Gesamtkosten der Pflege lägen entsprechend bei 4,4 Mrd. Euro jährlich. Zu berücksichtigen gilt jedoch, dass die Versorgung der SB und auch der Therapieerfolg von sehr vielen Faktoren abhängig sind, sodass dieses Einsparpotenzial lediglich als hypothetisch anzusehen ist.
Diskussion und Fazit

Die SB ist eine komplexe Komplikation zahlreicher Grunderkrankungen und insofern schwer zu behandeln. Entsprechend kann die Versorgung erhebliche ökonomische Auswirkungen für das deutsche Gesundheitssystem haben. Unter anderem deshalb ist es wichtig, dass es zu keiner fachärztlichen und therapeutischen Unter- oder Fehlversorgung kommt.
Da für Deutschland keine epidemiologischen Daten zur SB vorliegen, kann die Extrapolation lediglich auf Basis von Krankenkassendaten vorgenommen werden. Die Angaben aus dem Survey bieten demnach einen ersten Überblick über die durch die Versorgung der SB anfallenden Kosten (Tab. 11). Hier sind, auf Grundlage der Angaben aus dem Survey, insbesondere die (haus)ärztliche Versorgung, die Versorgung mit Physiotherapie, oralen antispastischen Medikamenten, Injektionsbehandlungen mit BoNT/A sowie mit Analgetika relevant. Die höchsten Kosten fallen durch die benötigte Pflege der Patienten an, wobei zu beachten ist, dass der Pflegebedarf aufgrund verschiedenster Faktoren besteht. Dennoch lassen die Aussagen der Allgemeinmediziner hier ein erhebliches Einsparpotenzial annehmen, sollte die Behandlung der SB durch eine leitliniengerechte, evidenzbasierte Versorgung optimiert werden. Zusätzlich ist anzunehmen, dass aus gesellschaftlicher Perspektive Produktivitätsverluste entstehen, da insbesondere auch die Gruppe der 30 bis 65-Jährigen von einer SB betroffen ist.
Die Versorgung der Betroffenen weicht in der Realität teilweise erheblich von der in der Fachliteratur und den Leitlinien beschriebenen Idealversorgung der SB ab. Entsprechend ist zu erwarten, dass sich eine Optimierung der Versorgung der SB auf die Kosten auswirken wird. Mithilfe des Delphi-Panels sollen die Versorgungsleistungen und deren Kosten in Bezug zu einer leitliniengerechten und evidenzbasierten Versorgung gesetzt werden. Die Experten sehen teilweise deutliche Abweichungen zwischen der derzeitigen und der idealen Versorgung (Tab. 12).
Über die tatsächlichen ökonomischen Auswirkungen lassen sich nur Annahmen treffen. Die Experten des Delphi-Panels sind sich einig, dass es neben den erfragten Versorgungsbereichen weitere relevante Faktoren gibt, die sich auf die Gesamtkosten auswirken können. Hierzu zählen vor allem auftretende Komplikationen, die Folgebehandlungen (auch Krankenhausaufenthalte) erforderlich machen können. Eine Verbesserung der Mobilität der Betroffenen würde zudem Transportkosten reduzieren. Zusätzliche Kosten können laut den Experten auch durch weitere Heil- und Hilfsmittel und eine psychologische Betreuung der Patienten anfallen.
Für die Anzahl der Arztbesuche wird davon ausgegangen, dass diese im Falle einer optimierten Versorgung der SB, bedingt durch zusätzliche Termine beim spezialisierten Neurologen, leicht ansteigen könnte. Ebenfalls zunehmen wird die durchschnittliche Anzahl an physiotherapeutischen Behandlungen. Die Allgemeinmediziner haben angegeben, dass sie Physiotherapie häufig verordnen. Dennoch erwartet das Delphi-Panel hier mit Bezug auf die gegenwärtige Versorgungslage einen Anstieg, da eine höhere Frequenz an Therapieeinheiten sinnvoll ist. Für den Einsatz von Orthesen ist ein leichter Anstieg zu erwarten, da vermehrt spezifische Lagerungsorthesen zur Kontrakturen- und Dekubitusprophylaxe eingesetzt werden sollten. Eine leitliniengerechte, evidenzbasierte Versorgung wird sich vor allem auf die medikamentöse Therapie der Spastik auswirken. So werden intrathekales Baclofen und Injektionen mit BoNT/A deutlich zu selten eingesetzt. Im Gegenzug wird sich bei einer Optimierung der Versorgung die Zahl der Verordnungen oraler antispastischer Medikamente erheblich reduzieren. Nach Einschätzung des Delphi-Panels wird sich eine leitliniengerechte Versorgung nicht auf die Verordnungen von Analgetika auswirken, ebenfalls etwa gleich bleiben wird die Zahl der Verordnungen von Antidepressiva.
Die monetäre Bewertung dieser Annahmen zeigt, dass eine leitliniengerechte Therapie im Bereich der medizinischen Versorgung zunächst einen Kostenanstieg von etwa 9,5% bedeuten kann, langfristig ist jedoch von einem deutlichen Rückgang der Begleit- und Folgeerkrankungen einer SB auszugehen. Mit fast 1,5 Mrd. Euro ergibt sich insbesondere im Bereich der Pflegebedürftigkeit ein großes Einsparpotenzial. Unter Einbeziehung der Mehrkosten für Versorgungsleistungen wäre das Einsparpotenzial für das deutsche Gesundheitssystem mit mehr als 1,4 Mrd. Euro jährlich weiter als hoch einzuschätzen. Eine Optimierung der Versorgung bedeutet entsprechend nicht nur für den Patienten einen erheblichen Gewinn an Lebensqualität, sondern kann auch ökonomisch von großer Bedeutung sein. <<

Ausgabe 04 / 2019

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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