OA MVF 06/12: „Finanzierungsidee für „Entdeckungsverfahren“
>> Bei seinem Vortrag zur „Integrierten Versorgung aus Sicht des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“ ging Wille vor allem auf den Wettbewerb an der Schnittstelle ambulanter und stationärer Behandlung sowie die Schwachstellen der besonderen Versorgungsformen ein, um die Ratsempfehlungen zum Wettbewerb an den Schnittstellen und die Idee des darlehensbasierten Vorschlags zur Förderung innovativer Versorgungskonzepte besser erklären zu können. „Man macht ja nur einen Vorschlag zur Finanzierung, wenn man glaubt, dass IV anders im Sand verlaufen würde“, erklärte Wille. Besondere Versorgungsformen, zur Zeit eher ungenutzt, brauchen nach Meinung des Sachverständigenrats eine besondere Art der Finanzierung. Während die Wissenschaft - so auch Prof. Dr. Volker Amelung (s. Interview) auf einen Innovationsfonds setzt, der sich beispielsweise aus zwei Prozent der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds speist, schlägt der SVR eine darlehensbasierten Förderung innovativer Versorgungskonzepte vor. Diese Form hätte, so Wille, den Vorteil, dass so
• die Krankenkassen beim Start der Projekte finanziell entlastet,
• ein eindeutiger Planungszeitraum für die Refinanzierung der Projekte vorgegeben,
• keine Mitnahmeeffekte erzeugt,
• der Gesundheitsfonds oder kollektive zentrale Budgets kaum - und wenn dann nur im nachgewiesenen Erfolgsfall - belastet sowie
• die finanziell relevanten Entscheidungen stärker von der ex ante-Beurteilung auf die spätere ex post-Evaluation verlagert würden.
Dieser Sichtwechsel ist für den Ökonomen ausschlaggebend. Seiner Meinung nach prolongiert der Gesetzgeber den Fehler, den er bei hausarztzentrierten Verträgen gemacht hat, indem auch bei integrierten Versorgungsformen nach § 140 a-d und Strukturverträgen nach § 73 c SGB V vorgegeben wurde, dass bei etwaigen Mehrausgaben die Beitragssatzstabilität - wie vorher schon bei hausarztzentrierten Verträgen nach §73 b - durch vertraglich abgesicherte Einsparungen kompensiert werden muss. „Das ist eine Verkennung von Wettbewerb“, meint Wille. Denn Wettbewerb sei immer „ein Entdeckungsverfahren“, bei dem kein Mensch hundertprozentig garantieren könne, dass die damit verbundenen Mehrausgaben sich nachher rechnen, weil ein jedes dieser Modelle nun einmal mit einem gewissen Risiko verbunden sei. Doch das sei bei den hausarztzentrierten Verträgen der Ausfluss einer Kaskade der Regulierung gewesen. Erst hätte der Gesetzgeber die Kassen gezwungen derartige Verträge abzuschließen, wobei von vornherein klar gewesen sei, dass die Hausarztverbände versuchen werden, diesen Zwangszustand in Honorarverhandlungen auszunutzen. Daraus resultierten dann wieder schon vorher absehbare Missstände, auf die der Gesetzgeber wieder reagierte. Wille: „Auf eine unsinnigen Regulierung folgte die zweite unsinnige“ - eben die Vorschrift, dass im Rahmen hausarztzentrierter Versorgung die Honorarzuwächse nicht höher sein dürfen als in der normalen Kollektivversorgung, was wiederum eine Beschneidung von Freiheitsrechten gewesen sei.
„Das Schlimme ist, dass das Versorgungsstrukturgesetz diese Vorschriften auch auf den 73c und den 140a-d ausgedehnt hat“, sagt Wille und verweist auf ein sehr eindeutiges Rundschreiben des Bundesversicherungsamts (BVA). Wille: „Wenn das BVA diese Vorschrift ernst nimmt, bedeutet das den Tod der integrierten Versorgungsformen.“ Genau darum müsse es eine darlehensbasierte Förderung solcher Versorgungsformen geben, nur so könne das - laut einer Umfrage des SVR - derzeit stagnierende Engagement der Kassen bezüglich der integrierten Versorgung beflügelt werden. <<
PDF siehe Archiv, MVF 06/12
Open Access-PDF zum Zitieren (Zitationshinweis: Stegmaier, P.,: „„Finanzierungsidee für „Entdeckungsverfahren“. In: "Monitor Versorgungsforschung" (MVF) 06/12, S.16-17)