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Conjoint Analysis „ist prinzipiell geeignet“

08.10.2014 11:31
Die Methode der Conjoint Analysis (CA) ist prinzipiell geeignet, um herauszufinden, welche Präferenzen Patientinnen und Patienten bei Therapiezielen haben. Um sie bei Kosten-Nutzen-Bewertungen breit einzusetzen, müssen allerdings noch einige, vor allem methodische Fragen geklärt werden. Das ist Ergebnis eines kürzlich (immerhin nach knapp 2,5 Jahren seit der Beauftragung) veröffentlichten Pilotprojekts des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Nach dem Analytic Hierarchy Process (AHP) ist CA die zweite Methode, die das Institut von externen Sachverständigen – Prof. Jizermann (AHP) und Prof. Axel Mühlbacher (CA) – hat erproben lassen.

Das IQWiG hat in zwei Pilotprojekten und in zwei unterschiedlichen Indikationen die beiden international am weitesten verbreiteten Methoden getestet, mit denen sich Patientenpräferenzen ermitteln lassen. Den Bericht zum Analytic Hierarchy Process (AHP), vorgelegt von Prof. Maarten IJzerman (Universität Twente) hatte das IQWiG bereits im Juni 2013 vorgestellt, nun liegt auch das seit langem erwartete Arbeitspapier zur CA vor, mit dessen Ausarbeitung Prof. Axel Mühlbacher von der Hochschule Neubrandenburg beauftragt worden war. Dieser hatte seine Ausarbeitung schon vor rund 1,5 Jahren dem IQWiG überstellt, doch immer wieder wurden Änderungen verlangt.

Das IQWiG hatte die beiden Pilotaufträge natürlich nicht grundlos vergeben. Sondern wohlwissens, dass es mit seinem zu Beginn des AMNOG-Prozesses unverlangt vorgelegten Effizienzgrenzen-Konzept an Grenzen gestos-sen ist, die bislang unlösbar waren. Denn Effizienzgrenzen konnte man bisher entweder nur für einen aggregierten Endpunkt oder für ein einzelnes Zielkriterium wie etwa Mortalität (Sterblichkeit), Morbidität (Symptome und Beschwerden) oder Lebensqualität abbilden. Erschwerend kommt hinzu, dass oftmals nur Daten für einzelne Zielkriterien vorliegen. Was bisher aber gar nicht möglich war, war die Bildung von Effizienzgrenzen für verschiedene patientenrelevante Endpunkte und deren Zusammenführung zu einer Gesamtbewertung, was die Fachleute „aggregieren“ nennen. Dazu aber müssen die Einzelergebnisse gewichtet werden.

Das wird im AMNOG-Verfahren auch gemacht, doch bisher rein paternalistisch oder auch eminenzbasiert durch die Mitglieder des Unterausschusses Arzneimittel des G-BA, die jeder für sich individuell ohne jedweden Algorythmus Werteentscheidungen für die Gesamtheit der GKV-Versicherten treffen. Das könnte man aber auch anders machen, indem man eben die Präferenzen von Patienten und Patientinnen heranzieht. Denn diese sind gewissermaßen die „Endverbraucher“ von medizinischen Maßnahmen. Deshalb werden sie international schon länger in die Bewertungen von Nutzen und Kosten einbezogen, nur eben noch nicht in Deutschland.
In Deutschland ist das gesmamte AMNOG-Verfahren transparent, annährend alles, bis auf das „Geheimmodul 5“ jedes Arzneimitteldossiers, wird online veröffentlicht. Die einzige Ausnahme ist die im G-BA-Unterausschuss Arzneimittel von den „Bänken“ des G-BA getroffene Werteentscheidung, die bislang alles anderes als systematisch, transparent und nachvollziehbar ist. Mit den quantitativen Ansätzen wie CA oder AHP könnte sich das ändern, wenn sie denn vom G-BA anerkannt und genutzt werden würden.

Sowohl Erkrankte als auch Behandelnde werden befragt

Mit Hilfe einer wahlbasierten Variante der CA (Discrete-Choice-Experiment) haben die beauftragten Wissenschaftler rund um Mühlbacher sowohl an chronischer Hepatitis C (HCV) Erkrankte als auch an deren Versorgung beteiligte Experten befragt – zuerst in getrennten Fokusgruppen, danach mithilfe von Fragebögen. Teilgenommen haben insgesamt 326 Patientinnen und Patienten sowie 21 Ärztinnen und Ärzte.
In den Fragen ging es um verschiedene Dimensionen von Nutzen und Schaden: Wirksamkeit (z. B. Virusfreiheit), Vermeiden von Nebenwirkungen (z.B. Magen-Darmbeschwerden) sowie Aufwand (z.B. Häufigkeit der Spritzen) und Dauer der Therapie.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten sich 18 Mal zwischen zwei fiktiven Therapiealternativen entscheiden, die sich aus verschiedenen Therapieeigenschaften (Attribute) zusammensetzten und nach den Ausprägungen (Level) unterschieden.

Die Ausprägungen der insgesamt sieben Attribute wurden vielfach variiert und immer wieder neu kombiniert: Während in einem solchen Szenario Therapie A 48 Wochen und Therapie B 24 Wochen dauerte, die Wahrscheinlichkeit für Magen-Darmbeschwerden bei 35% (A) und 25% (B) lag, nahm Therapie A im nächsten Szenario mit 12 Wochen nur halb so viel Zeit in Anspruch wie B (24 Wochen), allerdings war diesmal das Risiko für die gastrointestinalen Nebenwirkungen mit 25% bei A deutlich niedriger als bei B mit 45%.

Patientenpräferenzen versus Expertenurteil

Analysiert man die Ergebnisse aller dieser Wahlentscheidungen mithilfe logistischer Regressionsmodelle, ist es möglich, die relative Bedeutung (Gewichtung) der einzelnen Therapieattribute abzuleiten. So lässt sich beispielsweise errechnen, wie viel höher die Heilungschance (Virusfreiheit) sein muss, damit Patientinnen und Patienten ein bestimmtes höheres Risiko für mehr oder stärkere Nebenwirkungen in Kauf nehmen.
Vergleicht man die Auswertung für Patienten und Ärzte, so zeigt sich, dass die Rangfolge der Therapieziele weitgehend deckungsgleich ist. Allerdings gibt es Unterschiede in der Stärke der Gewichtung: Auf Rang 1 steht bei beiden Gruppen die „anhaltende Virusfreiheit“. Wenn sie aber eine Therapie auswählen sollen, ist die Virusfreiheit bei den Ärztinnen und Ärzten noch stärker ausschlaggebend als bei den Patientinnen und Patienten.

Patientinnen und Patienten können CA handhaben

Nach diesem Pilotprojekt beurteilt das IQWiG die CA – wie zuvor schon den AHP – als grundsätzlich geeignete und handhabbare Methode. „Patientinnen und Patienten kommen damit zurecht, und das Verfahren liefert brauchbare Ergebnisse. Wenn es darum geht, Endpunkte zu gewichten, könnte man die CA also einsetzen“, sagt Andreas Gerber-Grote, Leiter des Ressorts Gesundheitsökonomie im IQWiG.

Während die CA mit mehrdimensionalen Szenarien arbeitet, stellt der AHP jeweils paarweise Vergleiche an (z. B. Dauer der Therapie versus Nebenwirkungen). „Für die CA könnte man also sagen, das Verfahren ist näher an den Entscheidungssituationen, wie sie in der realen Welt vorkommen. Die Attribute werden hier immer in einem Bündel bewertet“, erläutert Gerber-Grote. Mit der Anzahl der Attribute wachse aber die Komplexität der Entscheidung. Betrachte man  – wie bei der AHP – jeweils nur zwei Attribute, sei das für die Befragten transparenter.

Vor dem breiten Einsatz: Methodische Fragen klären

„Beide Pilotprojekte waren erfolgreich. Aber bevor wir CA oder AHP bei der Bewertung breit einsetzen können, gibt es noch eine ganze Reihe von Herausforderungen, und die sind vor allem methodischer Art“, gibt der stellvertretende Institutsleiter Stefan Lange zu bedenken. Vorab müsste geklärt werden, wer befragt werden soll: Patienten, Ärzte oder – wie in Großbritannien – eine Stichprobe der Allgemeinbevölkerung? In jedem Fall müsste es eine Übereinkunft geben, wie repräsentativ die Auswahl der Befragten sein muss. Und man müsste festlegen, welcher Grad von Genauigkeit erforderlich ist, das heißt wie belastbar die Ergebnisse sein müssten. „Denn je höher die Ansprüche hier sind, desto mehr Menschen muss man befragen, umso größer wird der Aufwand. Anders als bei klinischen Studien gibt es bislang auch noch keine Standards, wie man die Fallzahl planen muss“, so Lange weiter.

Ausgabe 05 / 2014

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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