Big Data zwischen Gesundheitsversorgung und Begehrlichkeiten
>> Eine neue Studie der TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. – sieht in den medizinischen Informationswissenschaften eine aufkommende Paradigmenkonkurrenz. Bisher standen „systematische Studien und Auswertungen von Routinedaten für eine gewachsene, gereifte Welt von Wissenschaft und Organisation (Alte Schule)“. Jetzt steht „Big Data dagegen für eine teilweise neue Herangehensweise an Daten, die über die Verfügbarmachung und Auswertung großer Mengen von Informationen aus vielgestaltigen, stetig wachsenden Dokumentationen, die Welt vermisst, steuert und verwertet (Neue Schule)“ (Schepers 2016).
Dennoch muss man die ärztliche Kunst heute immer noch als professionelles Fähigkeitsensemble verstehen, und nicht als vormodernen, traditionellen Restbestand betrachten. Ärztliches Handeln, gerade unter schwierigen Rahmenbedingungen wie in „kritischen Situationen“ oder unter Zeitdruck, ist und bleibt nur effektiv als ein aus Logik und Erfahrung gespeistes subjektivierendes Handeln im Sinne der Alten Schule. Die Gesundheitsversorgung in ihrer Gesamtheit entstammt somit den Erfahrungswissenschaften. Sie hat sich jedoch aufgrund neuer Entwicklungen wie Epidemiologie, Statistik oder Genomik wesentlich weiterentwickelt. Information wird zur Quelle von Systemerkenntnis und zur Fundgrube für Zusammenhänge im Sinne der Neuen Schule. Insgesamt belegen also beide Schulen ihren jeweils eigenen Platz.
Ein konkretes Beispiel macht diese beiden Veränderungen und das begleitende Spannungsverhältnis sehr gut deutlich: Genomik bei Brustkrebs – Arend Sidow, Wissenschaftler der Stanford Universität, durchsuchte bei zahlreichen Krebsvarianten systematisch die gesammelten Genome von Patientinnen mit Brustkrebs nach Auffälligkeiten und gemeinsamen Mustern (Marx 2013). Damit stratifiziert er das Material und bildet Gruppen für die jeweils beste Auswahl an Zytostatika und Bestrahlung. Die Arbeit geht aber noch weiter. Genomsequenzen, die in dem riesigen Datenreservoir als Gemeinsamkeiten identifiziert werden, können dann gezielt untersucht werden, um die molekularen Prozesse und deren Entgleisungen besser zu verstehen. Aus diesem neuen Wissen
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