„Wir brauchen nun klare Umsetzungs-Strategien“
http://doi.org/10.24945/MVF.06.16.1866-0533.199
>> Sehr geehrte Frau Dr. Monika Klinkhammer-Schalke, im Oktober war mit Ihnen erstmals eine Frau Kongresspräsidentin des Deutschen Kongresses für Versorgungsforschung. Wird nach der Ärzteschaft nun (endlich) auch die Versorgungsforschung weiblicher?
Die Versorgungsforscher waren schon immer auch weiblich, schauen Sie allein die beiden Forschergruppen der Preisträgerinnen des Wilfried Lorenz Preises für Versorgungsforschung der letzten beiden Jahre an. Zudem kommt es ja auf die Qualität der Versorgungsforschung an und nicht auf das Geschlecht.
Der 15. Deutsche Kongress für Versorgungsforschung und damit der zweite in Eigenregie des DNVF fand unter dem Motto „Wissen schaf(f)t
Nutzen“ statt. Muss die deutsche Versorgungsforschung nach den Jahren der Selbstfindung und Selbstdefinition mit diversen Memoranden nun zeigen, was sie kann und welchen Nutzen sie für Gesellschaft und Gesundheitssystem hat?
Die Memoranden des DNVF waren und sind eine sehr wichtige Grundlage, um einheitliche Standards zu entwickeln und zusammenzuführen. Sie haben auch die Mitglieder enger miteinander verbunden und mit einer einheitlichen Sprache sprechen lassen. Parallel sind viele Studien und Projekte mit signifikanten Ergebnissen durchgeführt worden und die gilt es jetzt in den Vordergrund zu stellen. Wie der Titel des Kongress schon sagt: Wir müssen uns der Wissenschaft bedienen und vor allem viel stärker die Umsetzung der erlangten Ergebnisse in die Versorgung betreiben.
Versorgungsforschung kann ja nicht nur als Pfaff‘sche „Letzte Meile“, sondern als vor allem wahrer Anwalt des Patientennutzens (was ja oft Kassen und auch Ärzte für sich reklamieren) wirken, wenn ihre Ergebnisse tatsächlich genutzt werden, um das System im Sinne des Patienten qualitativ besser zu gestalten. Ist die Versorgungsforschung in Deutschland denn schon so weit?
Ganz sicher ist sie soweit. Was uns fehlt sind klare Strategien, wie die Umsetzung von Studienergebnissen erfolgen kann. Denken Sie an die Einführung neuer Arzneimittel. Hier ist klar geregelt, dass eine Nutzenbewertung erfolgen muss, bevor sie eingesetzt werden können. Dieser Mechanismus fehlt bisher bei signifikanten Ergebnissen der Versorgungsforschung und dies zu entwickeln, muss das Ziel der nahen Zukunft sein.
Ihnen ist bekanntlich die Lebensqualität der Patienten besonders wichtig, was ein sehr komplexer Begriff mit vielen Dimensionen ist. Wie kann die Versorgungsforschung denn die Lebensqualität erfassen und was verstehen Sie unter krankheitsbezogener Lebensqualität?
International validierte Instrumente zur Lebensqualitätsmessung stehen seit langem zur Verfügung beispielsweise von der EORTC und können für fast alle Tumorentitäten detailliert genutzt werden. Ergebnisse komplexer Interventionen für diesen Bereich stehen zur Verfügung und sollten in der Praxis verwendet werden. Der anstehende notwendige Schritt ist die Entscheidung für ein Instrument, was aber folgen muss. ist die spezifische Therapie bei Einbrüchen in der Lebensqualität. Es geht bei unterschiedlichen Krankheiten ja nicht primär um die Steigerung der Lebensqualität durch z.B. einen wundervollen Urlaub, wie wir Gesunden vielleicht denken würden. Bei krankheitsspezifischer Lebensqualität geht es um Belastungen und Probleme, die mit einer Krankheit verbunden sind, wie z.B. Beschwerden im Armbereich nach operierter Achselhöhle beim Brustkrebs, auftretendes Lymphödem oder finanzielle Nöte, die durch die Langzeitbehandlung eines Tumors und dadurch lange Krankheitszeiten und z.B. auch Arbeitsunfähigkeitszeiten entstehen können. Für diese Probleme gilt es Lösungen zu finden und dem Erkrankten auch in diesen Bereichen Spezialisten an die Seite zu stellen, genauso wie im medizinischen Bereich. Wichtig ist es also, aus bereits vorhandenen Strukturen Netzwerke um den Erkrankten herum zu schaffen.
Doch zurück zum Stichwort Translation. Hier hat Prof. Wensing aus Heidelberg den Status Quo der „Implementation Science“ in Deutschland vorgetragen und auf den Unterschied zwischen „Barrieren erkennen“ und „Verhalten verändern“ hingewiesen. Wer will denn wirklich etwas verändern, wo sich doch viele ganz gut mit dem System arrangiert haben und daran gut verdienen?
Dies ist sicher ein wesentliches Problem. Ich glaube aber, der Druck dies zu verändern, kommt zunehmend aus dem System selbst und auch von informierten Patientenvertretern und Patientinnen und Patienten. Vor zwanzig Jahren zum Beispiel hat
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Zitationshinweis: doi: 10.24945/MVF.06.16.1866-0533.199