RCT vs. Real World? Klinische Studien und onkologische Alltag
Um die im Rahmen der Zulassung verlangten wissenschaftlichen Nachweise zur pharmazeutischen Qualität, Wirksamkeit und medizinischen Unbedenklichkeit eines neuen Wirkstoffs zu erbringen, sollten die für die Zulassung relevanten („pivotal“) klinischen Studien in der Regel als „kontrollierte klinische Prüfungen“ und, soweit möglich, randomisiert durchgeführt werden. Dabei ist zum Vergleich mit dem neuen Wirkstoff je nach Einzelfall ein Placebo oder ein bereits bekanntes Arzneimittel mit nachgewiesenem therapeutischen Wert heranzuziehen. Die derzeitige europäische Arzneimittelgesetzgebung verlangt nicht explizit, dass neue Arzneimittel verglichen werden mit den häufig bereits auf dem Markt vorhandenen alternativen und bewährten Wirkstoffen (Richtlinie 2001/83/EG).
Besonders gut lassen sich die Mängel der Zulassungsstudien (z.B. eng gefasste Ein- und Ausschlusskriterien, Verwendung von Surrogat-Endpunkten, unzureichende Berücksichtigung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität) und somit die zum Zeitpunkt der Zulassung unbeantworteten, für die Versorgung der Patienten aber sehr relevanten Fragen am Beispiel der neuen onkologischen Wirkstoffe verdeutlichen. Sie sind heute die mit Abstand umsatzstärkste und hinsichtlich der Zahl der jährlich neu zugelassenen Arzneimittel führende Wirkstoffgruppe. Darüber hinaus werden Onkologika zunehmend häufig in beschleunigten Verfahren und/oder als Orphan-Arzneimittel zugelassen, um Patienten mit schwerwiegenden oder seltenen Erkrankungen, für die keine geeigneten arzneitherapeutische Alternativen zur Verfügung stehen, einen raschen Zugang zu neuen Therapieoptionen zu ermöglichen. Im Rahmen dieser Zulassungen kann jedoch meist nicht die Evidenz zu Nutzen und Risiken neuer Arzneimittel generiert werden, die für eine aussagekräftige Nutzenbewertung, aber auch für eine ethisch und ökonomisch vertretbare Preisbildung erforderlich ist.
Weitere klinische Studien nach der Zulassung sind deshalb gerade in der Onkologie unverzichtbar, um die für die Versorgung wichtigen Fragen zu beantworten – beispielsweise zur optimalen Dosierung bzw. sequenziellen Verabreichung der verfügbaren Wirkstoffe, zu geeigneten Kombinationstherapien und zur Therapiedauer. In diesem Zusammenhang ist in den letzten Jahren eine intensive, mitunter auch sehr kontrovers geführte Debatte entbrannt, in der vor allem die Aussagekraft von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) versus Real-World-Daten aus qualitativ hochwertigen, nicht interventionellen Studien (z.B. Register) diskutiert wurde. Am Beispiel neuer onkologischer Wirkstoffe werden Vor- und Nachteile der verschiedenen Studientypen besprochen und Vorschläge unterbreitet, wie künftig nach der Zulassung – rascher als heute – die für die angemessene Versorgung der Krebspatienten notwendigen Erkenntnisse generiert werden können.