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1. Fachkongress für Rehabilitationsforschung und Versorgungsmanagement in Berlin

29.07.2010 11:05
AOK: Reha fängt beim Patientengespräch an und muss mehr auf den Einzelnen zugeschnitten werden - mehr Vernetzung notwendig / Neues Untersuchungskonzept zur Reha nach Schlaganfall entwickelt - Praxistest vor dem Start

Die Rehabilitation von älteren Menschen steht noch immer im Abseits: "Es fehlt an Transparenz und Vernetzung mit der Krankenhausbehandlung und der Häuslichen Krankenpflege", sagte der Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, Dr. Rolf Hoberg, auf dem 1. Fachkongress für Rehabilitationsforschung und Versorgungsmanagement am Dienstag (6. Juli 2010) in Berlin. Aus der Abseitsfalle komme die Rehabilitation nur durch ein deutlich besseres Zusammenspiel zwischen der medizinischen Behandlung und der Prävention heraus.

Hoberg: "Die Forschung zeigt, dass gute Reha immer individuell und vernetzt ist. Dies wollen wir jetzt bei der Reha von älteren Schlaganfallpatienten stärker erreichen." Dazu werde die AOK Baden-Württemberg zusammen mit der Universität Heidelberg ab Herbst eine intensive Untersuchung mit umfassendem Arztgespräch, ein sogenanntes Assessment, auf seine Praxistauglichkeit hin testen.

Ziel des Praxistests ist Hoberg zufolge eine individuell auf den Einzelnen zugeschnittene Reha, die wirklich helfe, die Krankheitsdauer insgesamt zu verkürzen und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden: "Am Ende steht die Selbstständigkeit des Patienten, die erhalten oder zurückgewonnen wird. Gesund werden und im Alter möglichst lange auch gesund bleiben", heißt deshalb die Devise für den AOK-Chef Hoberg.

Dieser neue Ansatz ergab sich aus der Studie "ARISE" (Angewandte Rehabilitationsforschung Interdisziplinäre Schlaganfall Erhebung), die vom Institut für Gerontologie an der Universität Heidelberg erstellt wurde und deren Ergebnisse der Leiter des Instituts, Professor Dr. Andreas Kruse, auf dem Kongress in Berlin vorgestellt hat. "Die Studie hat eindeutig gezeigt, dass bei der Entscheidung, ob und welche Rehabilitationsleistungen Schlaganfallpatienten erhalten sollen, das Lebensalter nur eine untergeordnete Rolle spielt. Körperliche, psychische und kognitive Merkmale müssen unbedingt mit berücksichtigt werden, um eine schnellstmögliche und vor allem dauerhafte Genesung zu erreichen", forderte Kruse. Diese Merkmale erkenne der Arzt jetzt im Assessment und könne dann seine Entscheidung viel besser als bisher individuell auf seinen Patienten zuschneiden.

Diese maßgeschneiderte Rehabilitation ist für Dr. Christopher Hermann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, aber nur der erste Schritt auf dem Weg zur nachhaltigen Verbesserung der Versorgungssituation in Deutschland. "Schon bis 2020 wird die Zahl der über 80jährigen von derzeit rund vier Millionen auf sechs Millionen - also um rund 50 Prozent - ansteigen. Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter wird hingegen um rund acht Prozent zurückgehen." Politik, Wissenschaft und Krankenkassen müssen schnell handeln, um die Finanzierung des Gesundheitssystems auch längerfristig noch zu ermöglichen.

Eine Forderung, die Prof. Dr. Ulla Walter, Direktorin für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover, voll und ganz unterstützt.
"Potenziale älterer Patienten müssen zukünftig durch eine angemessene Versorgung und unterstützende Strukturen gefördert werden. Die Zusammenarbeit der AOK Baden-Württemberg und des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg kann der Politik hier als Blaupause dienen und macht erste Lösungsansätze deutlich."

Demografische Probleme lösbar

Geht es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen mit der gesellschaftlichen Entwicklung so weiter, dann wird die Zahl der alten, aber auch der chronisch kranken Menschen immer größer. Eine der Folgen wäre, so Altersforscher Kruse: "Die sozialen Sicherungssysteme könnten diese Anforderungen nicht mehr bewältigen. Das Potenzial zu einer Zunahme der Jahre in Gesundheit und Selbständigkeit wurde eindeutig nachgewiesen. Die Nutzung dieses Potenzials ist nicht nur für die Lebensqualität des Einzelnen wichtig, sondern auch für die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme."

Werden diese Erkenntnisse nicht genutzt, würde dies laut AOK-Chef Hoberg unweigerlich zusätzliche Finanzmittel notwendig machen: "Wenn sich die Zahl der Menschen, die 80 Jahre und älter sind, in den nächsten zehn Jahren auf sechs Millionen erhöht, bedeutet das, dass allein dadurch bundesweite Mehrausgaben von rund 28 Milliarden Euro extra finanziert werden müssen. Weder Staat noch Krankenkassen könnten diese Summe ohne weiteres aufbringen." Erstrebenswert sei es auch deshalb, ein Leben bis ans Ende möglichst lange ohne schwere Krankheiten führen zu können. "Das ist human, natürlich und letztlich durch das Sozialsystem auch finanzierbar", sagte Hoberg.

Aus diesem Grund appelliert der Heidelberger Altersforscher Kruse deutlich an die Politik, dieses demografische Problem entschiedener zur Kenntnis zu nehmen. Und nicht nur das: "Nur durch eine schnell zu startende konzertierte Aktion von Politik, Wissenschaft und sozialen Sicherungssystemen kann man den auf die Gesellschaft zukommenden Schwierigkeiten einigermaßen Herr werden. Wir dürfen aber den Einzelnen nicht vergessen. Es braucht auch den Appell an die Selbstverantwortung jeder Bürgerin und jedes Bürgers. Gesundheit im Alter wird einem nicht geschenkt, man muss sie sich erarbeiten - dafür braucht es gute, leicht erreichbare Angebote. Erste wertvolle Schritte haben wir zusammen mit der AOK Baden-Württemberg und der ARISE-Studie gemacht - weitere Schritte müssen folgen."

06.07.2010



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Editorial

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