„Klug entscheiden“ bei Krebspatienten
Prof. Diana Lüftner, Mitglied im Vorstand der DGHO und Oberärztin an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie an der Berliner Charité, erläutert im Rahmen der Pressekonferenz die Situation am Beispiel der molekularbiologischen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten: „Die molekulargenetische Tumordiagnostik erlaubt es uns, genetische Mutationen zu identifizieren oder Subgruppen zu definieren, auf deren Basis wir frühzeitig entscheiden können, ob und welche spezifisch wirksamen Medikamente sinnvoll eingesetzt werden können, und wer tatsächlich von diesen Substanzen profitiert.“
Beispielhaft sei die Bestimmung des BCR-ABL-Rearrangements bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML) und der zielgerichteten Therapie mit spezifischen Kinaseinhibitoren. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Fachgesellschaft nur dann eine molekulargenetische Diagnostik durchzuführen, wenn das Vorliegen einer spezifischen genetischen Mutation zum Einsatz einer zielgerichteten und effektiven medikamentösen Therapie führt.
Tumorspezifische Therapie bis zum Lebensende?
Prof. Dr. med. Florian Weißinger, Mitglied im Vorstand der DGHO und Chefarzt an der Klinik für Innere Medizin, Hämatologie/Onkologie und Palliativmedizin des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld, machte deutlich, dass trotz des medizinischen Fortschrittes rund die Hälfte Krebspatienten an den Folgen ihrer Erkrankung versterben. Aus seiner Sicht sollten Therapiemaßnahmen am Lebensende ohne wesentliche Chance auf klinischen Nutzen unterlassen werden und entsprechend den Zielen des Patienten eine enge Absprache zwischen den Fachdisziplinen – beispielsweise der Palliativmedizin – erfolgen.
Angesichts der Vielzahl der Therapien müssten sich die Ärzte immer wieder aufs Neue stellen. Dabei gehe es jetzt vor allem darum, die Empfehlungen zur Vermeidung von Unter- und Überversorgung im Behandlungsalltag zu implementieren, so Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik für den Bereich Onkologie, Hämatologie und Knochenmarktransplantation mit Sektion Pneumologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Vor dem Hintergrund existierender gesundheitspolitischer und struktureller Rahmenbedingungen müsse man die Möglichkeit "kluge Entscheidungen" zu treffen allerdings Hinterfragen.
Ein Ergebnis der Umfrage unter den Mitgliedern der DGHO sei der Wunsch nach einer stärkeren Verankerung der "sprechenden Medizin" und das Plädoyer, den Einsatz von „technischen Maßnahmen“ vor dem Hintergrund der entsprechenden Evidenzen kritisch zu hinterfragen. „Damit die verfügbaren Mittel gerade angesichts der ökonomischen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingen optimal eingesetzt werden können, ist es wichtig, ein Bewusstsein bei den Kolleginnen und Kollegen zu schaffen und unser ärztliches Handeln immer wieder zu hinterfragen. Hierzu leistet die DGIM-Kampagne einen wesentlichen Beitrag.“, so Bokemeyer abschließend.
Die „Klug entscheiden“-Empfehlungen („Negativ-Empfehlungen zur Vermeidung von Überversorgung / „Positiv-Empfehlungen“ zur Vermeidung von Unterversorgung) hat die DGHO nun im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.