„Zi insights“: Expert:innen diskutieren Perspektiven nicht-ärztlicher Berufsbilder
Die vom Zi aktuell ausgewertete Fokusgruppen-Diskussion mit Hausärzten aus Sachsen-Anhalt zeigt, dass viele Tätigkeiten, die den „Community Health Nurses“ künftig zugedacht sind, bereits heute vom nicht-ärztlichen Praxispersonal übernommen werden. Eine Übertragung von heilkundlichen Aufgaben zur selbständigen Ausführung wird abgelehnt. Hierdurch würden zusätzliche Koordinationsprobleme in der Primärversorgung geschaffen. Vielmehr wird die möglichst direkte Anbindung der „Community Health Nurses“ an die Arztpraxen als zentral betrachtet. Eine hohe Qualität der Primärversorgung kann nach Auffassung der Fokusgruppe nur im Rahmen des Delegationsprinzips erreicht werden. Die Patient:innen müssten aus einer Hand versorgt werden, ohne neue Schnittstellen in der Gesundheitsversorgung zu schaffen.
„Die Teilnehmenden an unserem Fokusgruppeninterview berichten überwiegend von großen Schwierigkeiten, qualifiziertes Praxispersonal zu finden. Vor allem gilt dies für die medizinischen Fachangestellten (MFA). Gleichzeitig wird hinterfragt, ob der Fachkräftemangel im Bereich der Pflege und MFA durch die zusätzliche Einrichtung der ‚Community Health Nurses‘ gemindert werden kann. Dass eine drohende medizinische Unterversorgung in strukturschwächeren ländlichen Regionen durch dieses neue nicht-ärztliche Berufsbild abzuwenden ist, wird allgemein bezweifelt, zumal dafür eine akademische Ausbildung vorgesehen ist, die nur in den Ballungsräumen angeboten wird. Um einer ärztlichen Unterversorgung entgegen zu wirken, sollte nach Ansicht der Teilnehmenden vielmehr die Anzahl der Medizinstudienplätze in Deutschland erhöht werden. Zur Verbesserung der Primärversorgung wird aus Sicht der Praxen eine stärkere Einbindung der Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH) bzw. des noch jungen Berufsbildes der Physician Assistants favorisiert. Kurzum: Die vorhandenen Praxisstrukturen und -prozesse sollten laut Befragten ausgebaut und Delegationsmöglichkeiten an das nicht-ärztliche Praxispersonal erweitert werden, um so eine effizientere Patientenversorgung zu erreichen“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
Kordula Schulz-Asche, Mitglied der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des Ausschusses für Gesundheit, verwies auf den hohen Vernetzungsgrad der „Community Health Nurse“: „Das Aufgabenspektrum der ‚Community Health Nurse‘ reicht weit über die Primärversorgung hinaus und hat einen besonderen Schwerpunkt im Bereich der Prävention. Es geht also nicht um die Substitution ärztlicher Leistungen, sondern um die Kooperation mit anderen medizinischen, sozialen und pflegerischen Versorgungsstrukturen. Gemeint ist also eine gesundheitlich-präventive Intervention unterhalb der hausärztlichen Versorgungsebene, eine Intervention, die in die Häuslichkeit geht und einen starken sozialen Netzwerkcharakter hat. So geht es oftmals darum, einen Behandlungs- oder Pflegebedarf erst einmal zu erkennen und den Betroffenen zu helfen, den Kontakt mit dem Versorgungssystem herzustellen. Um es klar zu sagen: Die ‚Community Health Nurse‘ soll nicht in Konkurrenz zu Arztpraxen positioniert werden, sondern eine Ergänzung des kleinräumigen sozialen und medizinischen Versorgungsangebots schaffen.“
Dr. Robin John, Allgemeinmediziner in der Gemeinschaftspraxis „Hausarztteam Schönebeck“, hob auf die Gefahr von Doppelstrukturen ab, die die hausärztliche Versorgung eher behindern als entlasten könnte: „Nach einschlägigen Konzepten für das ‚Community Health Nursing‘ sind in der Primärversorgung Koordinationsfunktionen sowie Routineaufgaben vorgesehen. So etwa die Kontrolle des Gesundheitszustands, physische und psychische Untersuchungen sowie allgemeine gesundheitliche Beratungen. Diese Tätigkeitsbereiche haben offensichtliche Schnittstellen zur hausärztlichen Patientenversorgung. Es muss geklärt werden, wann der Delegationsrahmen beginnt, damit es nicht zu überlappenden Parallelstrukturen kommt.“