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Barmer-Forum 2018: Starker Impuls für bedarfsgerechte Versorgung

31.07.2018 17:29
Was bedeutet bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung in Bayern in Gegenwart und Zukunft? Diese Frage diskutierten heute mehr als 200 Fachleute aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen beim 15. Barmer-Forum in der Technischen Hochschule Deggendorf. Ihr Fazit: Gesundheitsversorgung ist nur bedarfsgerecht zu gewährleisten, wenn sie künftig über Sektorengrenzen hinweg geplant und vergütet wird. „Wir müssen endlich dahin kommen, dass der Patient vor Ort das bekommt, was er tatsächlich benötigt. Ein Ansatzpunkt dafür ist es, die heutige Kapazitätsplanung nach Arztsitzen oder Bettenzahlen mittelfristig durch eine Planung zu ersetzen, die sich am tatsächlichen medizinischen Leistungsbedarf orientiert“, forderte Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer.

Die Barmer schlage eine Bedarfsplanung vor, die sich für den ambulanten und stationären Bereich an jeweils drei Versorgungstufen orientiere, so Straub. Den Versorgungsstufen würden unterschiedlich große regionale Planungsbereiche zugeordnet, für die der Bedarf an medizinischen Leistungen auf Basis der konkreten Zusammensetzung der Bevölkerung ermittelt werden könne. Am Ende der Planungen stünde eine solide Grundlage, um den benötigten Leistungen adäquate Kapazitäten gegenüberzustellen. Als Planungsgrundlage seien bundesweite Referenzwerte notwendig, die regelmäßig auf empirischer Grundlage von einer neutralen Stelle bereitgestellt werden sollten. Dies könne zum Beispiel das Statistische Bundesamt sein. Die Daten sollten die medizinische und technische Entwicklung einbeziehen und auf Unter-, Über- und Fehlversorgung in den Ländern hinweisen. Straub plädierte zugleich dafür, in den Ländern verpflichtend ein Landesgremium für die sektorenübergreifende Planung einzuführen. Perspektivisch könne der Auftrag zur Sicherstellung einer sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung auf die neuen Ländergremien übergehen. Heute liege er für die ambulante Versorgung bei den Kassenärztlichen Vereinigungen, für die Krankenhäuser hingegen bei den Ländern.

Ländliche Krankenhäuser zu Gesundheitszentren entwickeln

Ob sich das Angebot der gesundheitlichen Versorgung bedarfsgerecht steuern lasse, analysierte Prof. Dr. Wolfgang Greiner, Mitglied des Sachverständigenrates für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Der Gesundheitsökonom von der Universität Bielefeld widmete sich dabei insbesondere dem ländlichen Raum und ausgewählten Leistungsbereichen. Auch sein Fazit lautet: Bedarfsplanung solle sich an den zu erbringenden Leistungen orientieren, nicht mehr an festen Kapazitätsgrößen. Krankenhaus- und ambulante Planungen müssten sektoral und regional besser vernetzt werden. Das Aufbrechen sektoraler Grenzen sei gerade auf dem Lande unumgänglich. Ländliche Krankenhäuser, so Greiner, sollten sich zu Gesundheitszentren für die Primär- und Langzeitversorgung weiterentwickeln.

Bestehende Versorgungspfade überdenken

Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Prof. Josef Hecken, verdeutlichte, dass zunehmende Multimorbidität aufgrund der Alterung der Gesellschaft gepaart mit der Behandelbarkeit von immer mehr Erkrankungen das Gesundheitssystem nicht nur vor finanzielle, sondern auch große personelle Herausforderungen stellt. Das zwinge zu einer stringenten abstrakt-generellen Bewertung von neuen Therapieoptionen, um so echte und nützliche Innovationen von Scheininnovationen ohne Mehrwert zu unterscheiden und Mehrausgaben auf der Basis von evidenzbasierten Bewertungen zu dämpfen. „Es ist besonders wichtig, bei Therapieent- scheidungen im Einzelfall stärker als bisher zu prüfen, ob aus einem abstrakt- generellen Nutzen neuer Therapieoptionen auch im konkret-individuellen Behandlungsfall ein Nutzen für den Patienten eintritt“, so Hecken. Dies sei häufig nicht der Fall, Behandlungen erfolgten aber trotzdem, weil Fehlanreize in der heutigen Vergütungssystematik dazu animierten. Zugleich sei es notwendig, bestehende Versorgungspfade zu überdenken, zu optimieren und um neue Komponenten im Grenzbereich zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu ergänzen. Hochspezialisierte und komplexe Leistungen seien auf „echte“ Zentren zu fokussieren und multimorbide Patienten in der ganzheitlichen Versorgung optimal zu betreuen und anzuleiten. Dabei müssten auch die Möglichkeiten und Chancen der Delegation und der echten Substitution von ärztlichen Leistungen vorurteilsfrei genutzt werden, um mit Blick auf die immer knapper werdenden Personalressourcen eine Sicherstellung flächendeckender Versorgung vor allem in ländlichen Regionen überhaupt noch gewährleisten zu können, so Hecken.

Editorial

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