ABATACEPT-Studie: Diabetes schon im Vorläuferstadium stoppen?
Typ 1 Diabetes entwickelt sich anfangs im Verborgenen: Oft Jahre bevor erste Symptome auftreten, zirkulieren im Blut der Betroffenen Inselautoantikörper, die zu einer Zerstörung der Insulin-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse führen. Vor kurzem hat das Forscherteam um Prof. Anette-Gabriele Ziegler herausgefunden, dass der Nachweis von zwei oder mehr spezifischen Inselautoantikörpern als sicheres Vorläuferstadium der Erkrankung zu werten ist. In diesem Zusammenhang wird in Forscherkreisen deshalb mittlerweile von einem „Prädiabetes“ gesprochen. Diesen frühzeitig zu erkennen und sein Fortschreiten zu verhindern, hat sich Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München und Leiterin der Forschergruppe Diabetes der TU München sowie des Forschungsbereichs Typ-1-Diabetes im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD), zum Ziel gesetzt: „Wir wissen jetzt, ab wann die Uhr der Krankheit tickt und dass es keinen Weg zurück gibt – es sei denn, wir greifen wirksam vorbeugend ein: Auf dem jetzigen Stand der Medizin ist dies nur in Form von Präventionsstudien wie der ABATECEPT-Studie möglich“.
Wie erkennt man einen Prädiabetes?
Mittels eines Inselautoantikörper-Screenings werden die Blutkonzentrationen von vier Inselautoantikörpern ermittelt. Der Name dieser für den Typ 1 Diabetes spezifischen Autoantikörper leitet sich von den „Langerhans-Inseln“ der Bauchspeicheldrüse ab. Diese Zellansammlungen enthalten unter anderem die Betazellen, in denen das für die Regulation des Blutzuckers unabdingbare Hormon Insulin produziert wird. Inselautoantikörper binden an spezielle Bestandteile der Betazellen, die essentiell für den Insulinstoffwechsel sind. Nach diesen sind auch die zugehörigen Inselautoantikörper benannt: Insulinautoantikörper (IAA) sowie Inselautoantikörper gegen Glutamat-Decarboxylase (GADA), Tyrosinphosphatase (IA2A) und der Zinktransporter 8 (ZnT8A). Der Inselautoantikörper-Test erlaubt es, den Typ 1 Diabetes in einem frühen Stadium zu diagnostizieren, das heißt, noch bevor sich erste Symptome der Krankheit zeigen.
Sind mindestens zwei Inselautoantikörper positiv getestet, liegt das Risiko für einen klinisch manifesten Typ 1 Diabetes bei 51 % nach fünf Jahren und bei 75 % nach zehn Jahren. Von 100 positiv getesteten Kindern haben also 51 nach fünf und 75 nach zehn Jahren das Stadium der Insulinpflichtigkeit erreicht. Die weltweite Diabetesforschung arbeitet allerdings mit Nachdruck daran, diesen natürlichen Krankheitsverlauf durch präventive Therapien aufzuhalten.
Wie soll ABATACEPT die Entwicklung des Typ 1 Diabetes stoppen?
Das Institut für Diabetesforschung und die Forschergruppe Diabetes sind Teil des internationalen Netzwerks TrialNet, das gemeinsam mit Forschern aus anderen Ländern unterschiedliche Therapien testet, mit denen das Fortschreiten der Erkrankung aufgehalten werden soll. Diese Bemühungen spiegeln sich unter anderem in der internationalen ABATACEPT-Studie wider. Die Studie spielt auch für das DZD eine wichtige Rolle, indem sie dazu beiträgt, eine deutschlandweite Infrastruktur für Studien zum Typ-1-Diabetes zu etablieren.
Ziel des Einsatzes von ABATACEPT ist es, die Aktivität der Immunzellen zu unterdrücken, welche die körpereigenen Betazellen attackieren. „ABATACEPT ist ein Antikörper-ähnlicher und gut verträglicher Wirkstoff“, so Ziegler. „Er hemmt die Interaktion zwischen bestimmten Immunzellen, den T-Lymphozyten, und bremst somit den Autoimmunprozess.“ Das Medikament ist bereits für die Therapie anderer Autoimmunerkrankungen zugelassen. Dies sind bei Erwachsenen in erster Linie die rheumatoide Arthritis sowie bei Kindern und Jugendlichen die juvenile idiopathische Arthritis. Eine erste Studie mit Typ 1 Diabetikern, die kurz nach Diagnosestellung für 24 Monate mit ABATACEPT behandelt wurden, zeigte ebenfalls eine eindeutige langfristige Verbesserung der Betazellfunktion. Die Rest-Insulin-Produktion blieb länger erhalten.
An dieser Präventionsstudie können erst- und zweitgradig Verwandte eines Typ 1 Diabetikers (Kinder, Geschwister, Eltern, Enkel) zwischen 12 und 45 Jahren teilnehmen, bei denen mindestens zwei Inselautoantikörper (alle außer IAA) vorliegen. Sie müssen über normale Blutzuckerwerte verfügen.
Warum Früherkennung?
Ob ein Interessent die Kriterien für eine Teilnahme an der ABATACEPT-Studie oder einer anderen Diabetes-Präventionsstudie erfüllt, darüber entscheidet das Ergebnis des Inselautoantikörpertests. Für jede Studie gelten andere Zugangsvoraussetzungen.
Ein weiterer wichtiger Vorteil einer frühen Diagnose des Typ 1 Diabetes durch Inselautoantikörper-Screening liegt darin, dass schwere Stoffwechselentgleisungen (Ketoazidosen) bei Ausbruch der Erkrankung vermieden werden können. Bei etwa einem Drittel aller Kinder und Erwachsenen, die einen Typ 1 Diabetes entwickeln, wird die Erkrankung erst durch Auftreten einer schweren und zum Teil lebensbedrohlichen Ketoazidose diagnostiziert. Ketoazidosen können zu einer langfristigen Beeinträchtigung der Hirnfunktion und Denkleistung führen, die es unbedingt zu vermeiden gilt. Eine frühe Diabetesdiagnose kann bei Kindern mit positiven Inselautoantikörpern durch gelegentliches Testen von Urin- und Blutzucker einer Ketoazidose vorbeugen. Forschungsarbeiten aus den USA, Deutschland und Skandinavien zeigen eindeutig, dass die Zahl der Stoffwechselentgleisungen und Ketoazidosen bei Kindern, die an einem Inselautoantikörper-Screening teilgenommen haben, extrem gering ist.
Wie läuft das Inselautoantikörper-Screening ab?
Das Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, bietet Verwandten von Patienten mit Typ 1 Diabetes ein kostenloses Diabetesrisiko-Screening an. Zu diesem Zweck wird eine kleine Blutmenge benötigt, die beim Haus- oder Kinderarzt abgenommen und per Post an das Institut für Diabetesforschung in München geschickt werden kann. Im Zuge der Screening-Untersuchung erhält jeder Teilnehmer eine individuelle Beratung und nach Ermittlung des Inselautoantikörperstatus einen Befundbrief. Bei Vorliegen von Inselautoantikörpern erhalten Sie eine Schulung und langfristige medizinische Betreuung sowie auf Wunsch wird eine Beratung bzw. Betreuung eines Psychologen vor Ort vermittelt.