Atriva Therapeutics plant (Phase II-) klinische Entwicklung von ATR-002 zur Behandlung von Patienten mit COVID-19-Erkrankung
Zusätzlich habe es eine immunmodulatorische Wirkung, die zu einer verminderten Zytokin- und Chemokinfreisetzung führe. Dieser doppelte Nutzen mache den MEK-Inhibitor ATR-002 besonders interessant für die Behandlung von COVID-19.
ATR-002 wurde nach Angaben des Unternehmens speziell zur Behandlung von Virusinfektionen der Atemwege entwickelt. Es hemmt demnach MEK, einen Faktor in der menschlichen Wirtszelle, der für die Replikation verschiedener RNA-Viren, einschließlich Influenzaviren und SARS-CoV-2, erforderlich ist. Präklinische Studien an den Universitäten Tübingen und Münster mit Virusstämmen aus den jüngsten deutschen COVID-19-Ausbrüchen hätten gezeigt, dass die MEK-Inhibition durch ATR-002 eine Vermehrung von SARS-CoV-2 verhindert. Zusätzlich zu dieser antiviralen Wirksamkeit besitze ATR-002 eine zweite positive Wirkung: Der MEK-Inhibitor verringere die proinflammatorische Zytokin- und Chemokin-Expression signifikant sowohl in Zelllinien, als auch in menschlichen Primärzellen und in einem Tiermodell zur akuten Lungenschädigung (acute lung injury, ALI), wie sie bei COVID-19 auftritt. Somit könne ATR-002 bei Patienten mit COVID-19 einen Zytokin-Sturm verhindern und so das Fortschreiten der Krankheit zu einem lebensbedrohlichen Zustand aufhalten, das mit dieser überschießenden Reaktion des menschlichen Immunsystems häufig einhergehe.
Sein Wirkmechanismus mit einem doppelten Nutzen – der antiviralen Aktivität und der Immunmodulation – positioniere ATR-002 somit in einzigartiger Weise als einen vielversprechenden Therapiekandidaten. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben entsprechende Patente beim Europäischen Patentamt angemeldet. Darüber hinaus habe ATR-002 bereits 2019 eine klinische Studie der Phase I bei gesunden Freiwilligen erfolgreich abgeschlossen, in der es ausgezeichnete Sicherheit und Verträglichkeit bewiesen hat.[1]
"Mit ATR-002 haben wir einen Wirkstoff speziell für die Behandlung schwerer Atemwegsinfektionen, die durch RNA-Viren hervorgerufen werden, entwickelt und decken damit den großen Bedarf nach einer effizienten antiviralen Therapie," sagte Dr. Rainer Lichtenberger, Mitgründer und CEO von Atriva. "ATR-002 könnte in der aktuellen Pandemie eine wichtige Rolle spielen. Die Anwendung in Tablettenform bietet ein hohes Potenzial, da sie sehr patientenfreundlich ist und die Behandlungsergebnisse bei COVID-19 grundlegend verbessern kann.[2] In diesen Zeiten stellt die klinische Entwicklung von ATR-002 für COVID-19 daher einen logischen Schritt dar, der von entscheidender Bedeutung für die Gesundheitssysteme, Patienten und ihre Angehörigen sein kann. Unsere Entwicklungsprogramme in der wichtigen Indikation Influenza werden von Synergien in der klinischen Entwicklung und dem Hochfahren der Herstellung von ATR-002 bis zum kommerziellen Maßstab stark profitieren."
Atriva plane für Juli 2020 den Beginn einer multinationalen, doppelblinden, randomisierten klinischen Phase II-Studie mit dem oralen Wirkstoff ATR-002 zur Behandlung von COVID-19. Die Studie soll die Wirksamkeit von ATR-002 bei stationär behandelten Patienten mit mittelschwerem COVID-19 im Vergleich zu Placebo nachweisen.
"Die präklinischen Ergebnisse sind sehr ermutigend. Die Behandlung mittelschwer bis schwer erkrankter Patienten zielt darauf ab, ein Fortschreiten zu schwerwiegenden Verläufen zu verringern und so die Zahl der Patienten, die auf Intensivstationen verlegt werden und eine invasivere Behandlung benötigen, zu reduzieren," sagte Dr. Martin Bauer, Chief Medical Officer von Atriva. "Von den frühesten Entwicklungsstadien an war es unser Bestreben, ein wirksames antivirales Mittel zur Behandlung von Influenza und anderen schweren Virusinfektionen der Atemwege anbieten zu können. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Suche nach einer wirksamen Therapie zur Behandlung ausgeprägter COVID-19-Erkrankungen für die Gesundheitssysteme von entscheidender Bedeutung, da wir leider davon ausgehen müssen, dass Pandemien weiterhin auf der gesundheitspolitischen Tagesordnung stehen werden." Mit ATR-002 hat Atriva nicht nur ein wirksames antivirales Medikament entwickelt, sondern gleichzeitig auch ein Mittel gegen die überschießende Freisetzung von Zytokinen.[3]
Die niedermolekulare Verbindung kann durch chemische Synthese hergestellt werden und die Produktion könnte rasch ausgeweitet werden, um eine hohe Nachfrage zu bedienen. Evonik Industries AG, ein in Deutschland ansässiges weltweit führendes Unternehmen der Spezialchemie, ist – im Rahmen ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit Atriva – Entwicklungs- und Herstellungspartner für die Prüfmedikation der Phase II-Studie mit ATR-002. Parallel dazu bereitet Atriva den Ausbau der Produktion von ATR-002 vor, um genügend Dosen für fortgeschrittene umfangreiche klinische Studien und einen möglichen Markteintritt nach deren Abschluss bereitzustellen.
Hintergrund:
Der Wirkstoffkandidat ATR-002 wurde nach Unternehmensangaben spezifisch für die Behandlung von Krankheiten entwickelt, die durch RNA-Viren, wie Influenzaviren oder Coronaviren, verursacht werden. ATR-002 ist ein MEK-Inhibitor, der gegen den intrazellulären Raf/MEK/ERK-Signalweg gerichtet ist. Dieser Signalweg sei entscheidend für die Replikation vieler RNA-Viren, zu denen Influenzaviren, Hantaviren oder RS-Viren (respiratory syncytial virus) ebenso gehören wie SARS-CoV-2, die COVID-19 verursachen. Bei Influenzavirus-infizierten Zellen unterbindet ATR-002 über die Inhibition von MEK (MAPK/ERK-Kinase) den Export der viralen Genom-Proteinkomplexe (Ribonukleoproteine, RNPs) vom Kern ins Zytoplasma und verhindert so die Bildung neuer funktionaler Viruspartikel. Dadurch wird die Viruslast im Körper reduziert.[4]
Daneben habe ATR-002 das Potenzial, das Immunsystem zu modulieren und könne eine unkontrollierte überschießende Entzündungsreaktion durch Zytokine, wie sie manchmal bei solchen Virusinfektionen auftritt, hemmen. Bei Patienten, die schwer an Influenza oder COVID-19 erkrankt sind, kann ATR-002 die Genexpression einiger der beteiligten Zytokine, wie TNF-α, IL-1ß, IP-10, IL-8, MCP-1 and MIP-1a, verringern und so die überaktive Immunantwort in der Lunge dieser Patienten abmildern.[5]
Quellen:
[1] NCT04385420.
[2] Siddiqi H K and Mehra M R. J Heart Lung Transpl 2020 May 39;405-7.
[3] Shunqing X and Yuanyuan L. Lancet 2020 May 395(102333):1321-22.
[4] Pleschka S et al. Nat Cell Biol 2001 Feb 3:301-5; Planz O Antiviral Res 2013 Jun 98(3):457-68; Haasbach E et al. Antiviral Res 2017 Jun 142:178-4; Laure M et al. Antiviral Res 2020 Jun 178:104806.
[5] Pinto R et al. Antiviral Res 2011 Oct 92(1):45-56; Planz O Antiviral Res 2013 Jun 98(3):457-68; Schräder T et al. Antiviral Res 2018 Sep 157:80-92.