AWMF feiert 60-jähriges Bestehen
Ein Meilenstein in der Geschichte der AWMF war nach eigenem Bekunden die Gründung des AWMF-Instituts für Medizinisches Wissensmanagement (IMWi) im Jahr 2009, das die Fachgesellschaften seitdem bei der Erstellung der Leitlinien unterstützt. Eine neue Herausforderung stelle die Digitalisierung des Leitlinienwissens dar, die sicherstellen soll, dass das evidenzbasierte Wissen auch für weitere Anwendungen in Krankenversorgung, Lehre und Forschung verfügbar gemacht wird. Auf dem Festakt erhielt darüber hinaus der ehemalige Präsident der AWMF, Professor Dr. med. Albrecht Encke, für seine Verdienste die Ehrenmedaille der AWMF.
Seit der Gründung der AWMF im Jahr 1962 haben die in ihr zusammengeschlossenen Fachgesellschaften einen Wissensschatz in Form von mehr als 800 Leitlinien erarbeitet. Die medizinischen Leitlinien, die sich im Leitlinienregister der AWMF befinden, fassen den jeweils aktuellen Stand des Wissens zusammen und bilden damit die Grundlage für vertrauenswürdige faktenbasierte Entscheidungen in der Behandlung von Patientinnen und Patienten. „Ein zentraler Meilenstein in der Geschichte der AWMF ist die Gründung des AWMF-Instituts für Medizinisches Wissensmanagement im Jahr 2009, das die Fachgesellschaften bis heute bei der Erstellung der Leitlinien unterstützt und auch die Inhalte von Stellungnahmen der AWMF für die Gesundheitspolitik koordiniert“, betonte Professor Dr. med. Rolf-Detlef Treede, Präsident der AWMF. Im Rahmen des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG), das 2019 beschlossen wurde, hat die Politik darüber hinaus begonnen, die Erstellung qualitätsgesicherter Leitlinien finanziell und operational zu unterstützen. So kann der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Erstellung von Leitlinien in bestimmten Themenfeldern fördern, beispielsweise zu seltenen Erkrankungen oder im Bereich der Infektionskrankheiten.
Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, betonte in ihrem Grußwort, dass die Bedeutung der evidenzbasierten Medizin für die Gesundheitsvorsorge nicht zuletzt durch die Pandemie noch deutlicher geworden sei. Dittmar sieht die AWMF als wichtige Partnerin für die Gesundheitspolitik. Die zahlreichen Stellungnahmen und Leitlinien der AWMF böten immer wieder eine vertrauenswürdige Faktenbasis für gesundheitspolitische Entscheidungen, erklärte die Gesundheitspolitikerin „Mit ihren 182 Mitgliedsfachgesellschaften steht die AWMF für die Gesamtheit der interprofessionellen Medizin, wodurch sie in besonderer Weise geeignet ist, Entscheidungen für die Politik vorzubereiten“, bestätigte auch AWMF-Präsident Treede. In ihren Grußworten betonten Dr. med. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, und Dr. Frank Wissing, Generalsekretär des Medizinischen Fakultätentages, die Bedeutung der von der AWMF bereitgestellten Wissensbasis für die Aus-, Weiter- und Fortbildung und für weiterführende Forschungsprojekte.
Um das Wissen aus den Leitlinien zukünftig auch für digitale Anwendungen nutzen zu können, hat die AWMF ein umfangreiches Projekt zur Digitalisierung des Leitlinienwissens gestartet und einen Antrag zur finanziellen Förderung des Vorhabens beim G-BA eingereicht. „Ziel ist es, das medizinische Wissen für unterschiedliche Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen jederzeit und ortsunabhängig unmittelbar in der Krankenversorgung und direkt am Point-of-Care verfügbar zu machen“, so Professor Dr. med. Ina Kopp, Leiterin des AWMF-IMWi. Aus Sicht der Festrednerin Professor Dr. med. Sylvia Thun, Expertin für Informations- und Kommunikationstechnologie im Gesundheitswesen, bieten digitale Gesundheitsdaten in Form von digitalem Leitlinienwissen und anonymisierten Patientendaten ein erhebliches Potenzial für die Forschung. Bereits heute existieren diese Daten beispielsweise in Gesundheits-Apps, Patientenakten oder Disease-Management-Programmen (DMPs). Um diese Daten zusammenzuführen, müsste die Datenerfassung auf einheitlichen Terminologien basieren und IT-Systeme interoperabel miteinander vernetzt sein. Wie weit die AWMF auf diesem Weg bisher schon gekommen ist, und wo die zukünftigen Herausforderungen bezüglich Klassifikationen von Gesundheitsstörungen liegen, fasste Professor Dr. med. Wolfgang Gaebel in seinem Festvortrag zusammen.
Maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der AWMF hat Professor Dr. med. Albrecht Encke, der von 2000 bis 2009 Präsident der Arbeitsgemeinschaft war. Während seiner Präsidentschaft wurde unter anderem das AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement gegründet. Außerdem hat der Chirurg das Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL) in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung etabliert. In Anerkennung dieser Verdienste erhielt Albrecht Encke während des Festaktes die Ehrenmedaille der AWMF. „Albrecht Encke war ein Präsident, dem die AWMF viel zu verdanken hat, weil er Entwicklungen angestoßen hat, die bis heute Basis für eine evidenzbasierte Medizin in Deutschland sind“, betonte der amtierende AWMF-Präsident Rolf-Detlef Treede in seiner Laudatio.