Barmer-Publikation: „Gesundheitswesen aktuell 2009“
Die Publikation enthält folgende Beiträge:
Teil I: Systemfragen und Wettbewerb
Wie geht es weiter nach der Wahl? Eine Analyse der Parteiprogramme
Paul Raffauf
„Nach der Reform ist vor der Reform“. Diese Grundregel der Gesundheitsgesetzgebung gilt möglicherweise auch im Wahljahr 2009. Die weitreichenden Veränderungen in Folge der letzten Reformbeschlüsse machten eine Umsetzung erst im Jahr 2009 realisierbar. Nun, nach nur wenigen Monaten Erfahrung mit dem Gesundheitsfonds und den begleitenden Änderungen, steht der eingeschlagene Weg schon wieder auf dem Prüfstand. Ein Überblick über zentrale Inhalte der Wahlprogramme der Parteien offenbart Übereinstimmungen, aber auch Gegensätze, die im Rahmen möglicher Koalitionsvereinbarungen zu lösen wären.
Die Berücksichtigung von Verstorbenen im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich
Dorothee Schmidt, Dirk Göpffarth
Mit der Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs werden bezogen auf 80 Krankheiten zielgenauere Zuweisungen durch Morbiditätszuschläge vorgesehen. Allerdings erfolgen die Zuweisungen für Verstorbene innerhalb dieser Krankheiten derzeit nicht sehr präzise. Für Krankheiten mit hohen Anteilen an Verstorbenen bedeutet dies systematische Unterdeckungen. Es wird gezeigt, wie durch eine einfache Veränderung des Berechnungsverfahrens die Zielgenauigkeit der Zuweisungen für Verstorbene erheblich verbessert werden kann.
Krankengeld-Wahltarife – Risiken und Nebenwirkungen für die Solidargemeinschaft
Christian Schürmann, Nicole Osterkamp, Kay Amling
Der gesetzliche Anspruch auf Krankengeld wurde für Selbstständige zum 1. Januar 2009 durch die Einführung von Krankengeldwahltarifen abgelöst. Nach Kalkulationsschwierigkeiten aufseiten der Krankenkassen und deutlichen Kostensteigerungen für ältere Versicherte hatte diese Regelung nur sieben Monate Bestand. Zukünftig haben Selbstständige die Wahlmöglichkeit zwischen dem gesetzlichen Krankengeldanspruch und zusätzlichen Krankengeld-Wahltarifen. Der Beitrag analysiert die Hintergründe der Veränderungen.
Sozialer Status und Morbidität: Eine empirische Analyse auf Basis des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs
Katja Tebarts
Der Zusammenhang zwischen Gesundheitszustand und sozialem Status ist immer wieder Thema in der gesundheitspolitischen Debatte. Im Gesundheitswesen stellt sich die Frage, wie Gesundheitszustand und -kosten mit dem Bildungsstand korrelieren. Lassen sich hier beeinflussbare Krankheiten erkennen? Der Artikel liefert anhand empirischer Auswertungen zum Gesundheitszustand nach dem Bildungsstand einen Beitrag zur aktuellen Diskussion.
Risikomanagement aus der Perspektive einer gesetzlichen Krankenkasse
Jens Lüdtke, Vesselka Ivanova
Die Einführung des Gesundheitsfonds und der damit einhergehende Verlust der Beitragssatzautonomie erfordern von den gesetzlichen Krankenkassen eine noch umsichtigere Finanzplanung als zuvor. Im Zuge der Einführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs wuchs gleichzeitig die Planungsunsicherheit. Zusätzlich erweiterte das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung die Insolvenzfähigkeit auf alle Krankenkassen und schreibt Finanzhilfen zwischen den Kassen vor. Alle Faktoren gemeinsam erhöhen den Druck, ein Risikomanagement zu implementieren. Dieses ist sowohl zur internen Steuerung als auch als Frühwarnsystem innerhalb von Haftungsgemeinschaften denkbar.
Auf der Suche nach dem Gesundheitssystem der Zukunft
Catharina Maulbecker, Nicolaus Henke, Matthias Wernicke
Obwohl die Möglichkeiten der Gesundheitsversorgung in den Industrieländern ständig zunehmen, wächst gleichzeitig die Unzufriedenheit mit den Systemen. Daher stellt sich die Frage, ob das Gesundheitswesen in seiner heutigen Form noch zeitgemäß ist. Ein internationaler Vergleich von Innovationen zeigt Wege in ein Gesundheitssystem der Zukunft auf. Darüber hinaus sollte der Blick auf den Gesundheitssektor einer Überprüfung unterzogen werden. Die Wahrnehmung ist geprägt von Finanzierbarkeit und vermeintlichen Kostenexplosionen. Tatsächlich handelt es sich aber auch um einen zentralen Wirtschaftszweig mit immenser Wertschöpfung.
Wie beurteilen die gesetzlich Krankenversicherten die „Neue Welt“ des Gesundheitsfonds?
Christian Bock, Sybille Kerd
Die Einführung des Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009 hat die Struktur der Gesetzlichen Krankenversicherung grundlegend geändert. Die getroffenen Regelungen sind das Ergebnis eines politischen Kompromisses, der ausgedrückt in den Schlagworten Bürgerversicherung und Kopfpauschale eine grundsätzliche Gerechtigkeitsdebatte beinhaltete. Auf Basis einer Versichertenbefragung soll beurteilt werden, wie die gesetzlich Versicherten als Betroffene das Resultat bewerten.
Teil II: Gestaltung der Versorgung
Aktuelle Herausforderungen für die Krankenhauspolitik
Georg Baum
Auch wenn die Namen Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) oder Vertragsarztrechtsänderungsgesetz täuschen, jedes Gesundheitsgesetz der letzten Jahre enthielt immer auch einen Teil, der Auswirkungen auf die Finanzierung oder das Leistungsangebot der Krankenhäuser hatte. Dies gilt auch für das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz und natürlich für das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz. Erläutert werden der aus der Vielzahl der gesetzlichen Regulierungen resultierende Status quo sowie Forderungen an die zukünftige Gesundheitspolitik.
Hüftendoprothetik: Wohin geht der Weg?
Ursula Marschall, Madeleine Worringer, Uwe Repschläger, Rainer Riedel
Die Bedeutung der endoprothetischen Versorgung nimmt mit Blick auf die Alterung der Gesellschaft zu. Um die Behandlungsqualität zu sichern und dabei auch die Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen, wird zukünftig eine stärker zentralisierte operative Versorgung angestrebt. Diese Absicht steht vermeintlich mit dem Patientenwunsch nach wohnortnaher Versorgung in Konflikt. Auf Basis der veröffentlichten Qualitätsberichte aus dem Jahr 2006 und BARMER-Daten wird die aktuelle Versorgungssituation in Deutschland dargestellt. Darauf basierend werden Möglichkeiten aufgezeigt, bei denen Wohnortnähe und Zentrumsbildung miteinander vereinbar sein können.
Das Unglück der Dreiecksbeziehung morbiditätsgerechte Vergütung, Kodierung ärztlicherDiagnosen und morbiditätsgerechte Zuweisung
Hartmut Günther
Sowohl bei der morbiditätsorientierten ambulanten Vergütung als auch beim morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich kommt der Kodierung der ambulanten Diagnosen eine zentrale Rolle zu. Mit Einführung der Kodierrichtlinien sollte die Qualität, Vollständigkeit und Einheitlichkeit der Diagnosenkodierung verbessert werden. Es wurde aber auch in der Presse bereits über zahlreiche Aktivitäten von Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungen berichtet, die das Ziel hatten, die Anzahl der dokumentierten Diagnosen zu erhöhen. Die Manipulationssicherheit und Verlässlichkeit der ambulanten Diagnosen bleibt also ebenso fraglich wie auch die Frage danach, inwieweit ein neues Vergütungssystem auf den Diagnosen aufbauen kann.
Die Gesamthonorare für ambulant tätige Ärzte in Deutschland
Uwe Repschläger
Die Vergütung niedergelassener Ärzte ist Anlass zahlreicher Diskussionen. Die gesetzlich festgelegte Steigerung der Honorare führte überraschenderweise nicht zu einer Beruhigung der Situation, sondern hat anscheinend sogar neues Öl ins Feuer gegossen. Dabei geht es einerseits um die Höhe der Vergütung insgesamt, andererseits auch um die Verteilung zwischen Arztgruppen und Regionen. Außerdem werden Ärztemangel und zunehmende Insolvenzen thematisiert. Die Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache.
Eine Sucht kommt selten allein – Sucht, Komorbidität und psychotherapeutische Behandlung
Ursula Marschall, Walter Ullrich, Christoph Sievers
Suchterkrankungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen und verursachen jährlich hohe Kosten vor allem durch wiederholte stationäre Behandlungen. Dabei leiden die Betroffenen neben den stoffbezogenen Süchten vor allem an psychischen Begleiterkrankungen wie Depressionen und Angststörungen. Die Behandlung dieser Komorbiditäten soll ein Schwerpunkt der Nachsorgephase im Versorgungssystem für abhängigkeitskranke Menschen sein, wird aber nur in geringem Maße in der ambulanten Psychotherapie umgesetzt. Die Erfolge von Entzugs- und Entwöhnungsbehandlungen können durch eine psychosoziale Betreuung unmittelbar nach Entlassung nachhaltig gesichert werden. Besonders am Beispiel der Suchtpatienten lässt sich zeigen, dass durch eine intensive Verzahnung und Vernetzung ambulanter und stationärer Behandlungsstrukturen eine medizinisch qualitative und kosteneffektive Versorgung entstehen kann.
Empirische Zusammenhangsanalyse von Arzneimitteln und Diagnosen sowie deren Berücksichtigung innerhalb des morbiditätsorientierten RSA
Andreas Wolik
Im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich wurde vom Gesetzgeber nicht nur die Berücksichtigung von Diagnosen, sondern auch von Arzneimitteln gefordert. In der bisherigen Umsetzung wurde dieser Forderung dadurch entsprochen, dass eine Reihe an Arzneimittelinformationen ausschließlich als Prüfkriterium zur Validierung einer Auswahl von Diagnosen genutzt wird. Dieser Artikel zeigt Ansätze auf, wie medizinisch definierte Zusammenhänge zwischen Arzneimittelwirkstoffen und Diagnosen durch den Einsatz eines datengetriebenen Verfahrens - der Assoziationsanalyse - ergänzt werden können. Neben dem Nachweis der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Methode ergeben sich auch erste Hinweise auf mögliche Erweiterungen der im Kontext des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs verwendeten Zuordnungen.
Link zu weiteren Infos: http://www.barmer.de/barmer/web/Portale/Versichertenportal/Presse-Center/Pressemitteilungen/090826_20Gesundheitswesen_20aktuell/Buchinhalt_20Gesundheitswesen_20aktuell_202009.html