Behandlung von Hodgkin-Lymphomen und Hirntumoren: Patienten profitieren von Procarbazin
Verschiedene Therapieansätze, auf den Einsatz von Procarbazin bei der Behandlung von Hodgkin Lymphom-Patienten zu verzichten oder Procarbazin durch eine andere Substanz zu ersetzen, haben laut Diehl bis heute keinen durchschlagenden Erfolg gebracht. Bei der Entwicklung des BEACOPP-Regimes, der Kombination mit Bleomycin, Etoposid, Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vincristin, Prednison und Procarbazin, wurde daher bewusst nicht auf Procarbazin verzichtet. Procarbazin war vielmehr aufgrund bekannter Synergien mit den anderen Zytostatika von Anfang an unverzichtbarer Bestandteil des Regimes. Der Erfolg gab der DHSG recht. Das BEACOPP-Regime wurde zwischenzeitlich modifiziert und durch Dosiseskalationen in seiner Wirksamkeit weiter verbessert. Acht Zyklen BEACOPP-eskaliert (+ G-CSG-Support) sind heute die Standardtherapie der DHSG für Patienten mit fortgeschrittenem Hodgkin Lymphom.
In klinischen Studien war das eskalierte BEACOPP-Regime dem ABVD- bzw. COPP/ABVD-Schema mit einer Heilungs- bzw. Langzeitüberlebensrate von über 90% deutlich überlegen [1]. Mit dem 14-tägigen BEACOPP-Regime liegt eine weitere Modifikation mit niedrigeren Einzeldosen und kürzeren Therapieintervallen vor, um die Toxizität weiter zu senken.
Hirntumore: Procarbazin in der klinischen Prüfung
Auch bei Patienten mit ZNS-Lymphomen weisen klinische Studien Procarbazin als wirksame Substanz aus, erläuterte Prof. Uwe Schlegel, Bochum. Er verwies u. a. auf die RTOG 93-10-Studie, eine US-amerikanische Phase III-Studie [2]. Hier hatte die Poly-Chemotherapie mit hoch dosiertem Methotrexat, Vincristin, Procarbazin und Dexamethason bei 94% der Patienten ein Ansprechen erzielt, darunter 58% komplette Remissionen. In einer deutschen Studie hatte das BMPD-Schema (BCNU, Methotrexat, Procarbazin, Dexamethason) bei 54% der Patienten eine komplette Remission erreicht [3]. Erst kürzlich publizierte eine US-amerikanische Studiengruppe vom MSKCC in New York [4] viel versprechende Ergebnisse bei Patienten mit primärem ZNS-Lymphom mit einer kombinierten Chemo-Immuntherapie mit Rituximab, Methotrexat und Procarbazin. 78% der Patienten erzielten unter der Chemo-Immuntherapie eine komplette Remission.
Darüber hinaus prüfen klinische Studien den Stellenwert der Chemotherapie bei Patienten mit anaplastischem Gliom. Viel versprechende Ergebnisse liegen mit der 3er-Kombination Procarbazin, CCNU, Vincristin (PCV) vor, die die Blut-Hirn-Schranke in ausreichender Wirkkonzentration zu überwinden scheint, erläuterte Prof. Wolfgang Wick, Heidelberg. In der randomisierten Phase III-Intergroup-Studie der Radiation Therapy Oncology Group (RTOG 94-02) bei knapp 300 Patienten mit reinen und gemischten anaplastischen Oligodendrogliomen war die kombinierte Behandlung aus Bestrahlung und adjuvanter PCV-Gabe der alleinigen Bestrahlung überlegen [5]. Die Patienten im kombinierten Therapiearm blieben im Median statistisch signifikant länger ohne Rezidiv (p=0,004). In einer randomisierten Phase III-Studie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC 26951) bei Patienten mit neu diagnostiziertem Oligodendroglioma oder Oligoastrozytoma ergab sich auch ein statistisch hoch signifikanter medianer Überlebensvorteil für die Patienten, die zusätzlich zur Bestrahlung eine Chemotherapie mit PCV erhalten hatten (3,1 vs. 2,5 Jahre; p>0,05) [6].
Seit 1998 läuft in Deutschland die NOA-04-Studie, eine randomisierte Phase III-Studie der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft (NOA), die den Stellenwert der primären Chemotherapie – u. a. mit Procarbazin – im Vergleich zur primären Bestrahlung (Standardarm) prüft. Randomisiert werden Patienten mit anaplastischem Gliom aller Subtypen (WHO III), die bereits operiert oder biopsiert wurden. Das Studienprotokoll sieht auch eine aufwendige translationale Forschungsarbeit vor.
Literatur:
[1] Diehl et al., NEJM 2003, 348: 2386f.
[2] DeAngelis et al., JCO 2002.
[3] Korfel et al., Brit J Hematol 2004, 177.
[4] Shah et al., JCO 2007, 25: 4730f.
[5] Cairncross et al., JCO 2006, 24: 2707f.
[6] van den Bent et al., JCO 2006, 24: 2715f.