Experten diskutieren Nutzen von Big Data für individuelle Patientenversorgung
Das Gesundheitssystem erlebt derzeit einen qualitativen Umbruch: Dieser wird vom demografischen Wandel auf der einen und von der Digitalisierung auf der anderen Seite bestimmt. Unsere Gesellschaft altert und die neuen Möglichkeiten der Informationstechnik haben das Potenzial, den Medizinbetrieb neu zu definieren und individuelle Behandlungsansätze zu etablieren. So diskutierten etwa 120 Fachleute aus Politik, der IT-Branche, Leistungserbringern und von Krankenkassen beim Elsevier-Symposium „Big Data und patientenindividuelle Versorgung – Best Practice und Potenziale“ die Chancen und Risiken beim Einsatz von Big Data. Die hochkarätig besetzte Veranstaltung fand am 20. Januar 2015 im Rahmen des Jahreskongresses des Bundesverband Managed Care in Berlin statt. Praxisbeispiele zeigen schon heute eindrucksvoll, dass die Patientenversorgung durch maßgeschneiderte Versorgungsangebote verbessert werden kann.
Fünf Experten stellten individuelle Versorgungskonzepte vor, die unter anderem mithilfe von Routinedaten entwickelt wurden. „Die Modelle sind eindrucksvoll und die Ergebnisse vielversprechend. Das Potenzial ist aber noch längst nicht ausgeschöpft“, so Olaf Lodbrok, Geschäftsführer von Elsevier Health Analytics. „Denn sowohl die Optimierung der medizinischen Versorgung als auch die Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven durch den Abbau von Über- bzw. Fehlversorgung können noch deutlich gesteigert werden.“
Zum Auftakt der Veranstaltung berichtete Ministerialdirigent Dr. Andreas Goerdeler vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) von den Plänen seines Ministeriums bei der Nutzung von Big Data: „Mit dem BMWi-Technologieprogramm Smart Data konzentrieren wir uns auf für Deutschland vielversprechende Anwendungsfelder wie Industrie, Energie, Mobilität und Gesundheit. Dort wollen wir in Best Practices zeigen, was mit den neuen Analytik-Tools von Big Data möglich ist, um z. B. die Diagnosefähigkeit in der Medizin entscheidend zu verbessern. Unser Alleinstellungsmerkmal ist dabei, dass wir von vornherein insbesondere auf hohe Standards bei Datenschutz und Datensicherheit und ein Höchstmaß an Transparenz achten."
Die Vorteile für den Arzt bei einer IT-getriebenen Nutzung von Big Data erläuterte Prof. Dr. Guido Noelle, Geschäftsführer des AOK-eigenen Unternehmens gevko GmbH (Gesundheit - Versorgung - Kommunikation). „Nach Schätzungen des Bundesinstituts für Berufsbildung verdoppelt sich das medizinische Wissen alle zwei Jahre. Um auf dem Gebiet der Inneren Medizin „up to date“ zu bleiben, müsste ein Arzt pro Tag 17 Originalarbeiten, mindestens aber eine Schlüsselpublikation lesen“ erklärte er und verdeutlichte den Einfluss der Versorgungsforschung auf den (haus-)ärztlichen Alltag. Denn aus Sicht einer effektiven Patientenversorgung durch den Arzt werden Werkzeuge benötigt, die den zeitnahen Wissenstransfer aus der Versorgungsforschung ermöglichen. IT-Lösungen, darin ist sich der Experte sicher, werden dies künftig beschleunigen. Standardisierte und softwareübergreifende Werkzeuge und Prozesse wie die von der gevko entwickelte S3C-Schnittstelle können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Unter anderem bereitet sie Klinische Pfade, Leitlinienwissen und Prädiktorenmodelle auf und stellt sie auf dem Arzt-PC zur Verfügung.
Ein Modellprojekt zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS), in dessen Mittelpunkt die Vermeidung des plötzlichen Herztods steht, war Thema von Dr. Lutz Hager, Geschäftsführer Versorgung der IKK Südwest. Der plötzliche Herztod ist eine der häufigsten Todesursachen in Europa und der häufigste Widerrufsgrund für Marktzulassungen bei Arzneimitteln in Deutschland. Ohne elektronische AMTS-Unterstützung erkennen selbst erfahrene Ärzte nur jedes zweite vermeidbare Risiko. Wie Dr. Hager ausführte, belegt die Analyse der Krankenkassen-Routinedaten die Defizite in der Arzneimitteltherapie. Allerdings schränken die Datennutzungsvorschriften die Gestaltung eines patientenindividuelleren Versorgungsangebotes ein.
Dr. Elisabeth Siegmund-Schultze, Abteilungsleiterin Leistungs- und Versorgungsmanagement der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), berichtete über ein Versorgungsprogramm zur frühzeitigen Behandlung von Vorhofflimmern, das als größter Risikofaktor für Schlaganfall gilt. Pro Jahr erleiden 900 KKH-Versicherte einen durch Vorhofflimmern ausgelösten Schlaganfall. Datenanalysen nach vier Jahren Vertragslaufzeit zeigen, dass bei jedem zehnten Teilnehmer Vorhofflimmern diagnostiziert, allerdings nur die Hälfte der neu identifizierten Patienten zum Kardiologen überwiesen wurde und davon nur knapp die Hälfte die nötige medikamentöse Therapie erhielt.
Wie die Vorträge zeigten, können neue Versorgungsangebote auf Basis von Analysen von Routinedaten durch die frühzeitige Identifizierung von Hochrisikopatienten Leben retten. Es kommt nun darauf an, die Anwendung dieser Verfahren auszuweiten.
Über Elsevier Health Analytics (EHA) www.elsevieranalytics.de
Elsevier Health Analytics mit Sitz in Berlin ist führend auf dem Gebiet Predictive Analytics und Data Mining auf deutschen Gesundheitsdaten. EHA identifiziert prospektiv Hochrisikopatienten und unterstützt Krankenkassen und Ärzte bei der Umsetzung von evidenzbasierten Best Practices, Leitlinien und Versorgungsprogrammen.
EHA ist Teil von Elsevier, einem weltweit führenden Anbieter von Informationslösungen, die die Produktivität von Fachkräften in Wissenschaft, Gesundheit und Technologie erhöhen und es ihnen ermöglichen, bessere Entscheidungen zu treffen, bessere Versorgung zu erbringen und bahnbrechende Entdeckungen zu machen. Elsevier bietet webbasierte, digitale Lösungen an, zu denen unter anderem ScienceDirect, Scopus, Elsevier Research Intelligence und ClinicalKey zählen, und veröffentlicht fast 2.200 Zeitschriften u.a. The Lancet und Cell, sowie über 25.000 Bücher, unter ihnen zahlreiche berühmte Nachschlagewerke. Das Unternehmen gehört zur Reed Elsevier Group PLC.