Deutlich intensivierte Testung unterstützt Strategie von Bund und Ländern, aber strapaziert Kapazitäten erheblich
Mit 754.513 PCR-Tests und einer Steigerung von 15 Prozent im Vergleich zur Vorwoche erreichte die Zahl der in den fachärztlichen Laboren durchgeführten Tests einen neuen Höchststand. Erneut gestiegen ist auch die Zahl der positiven Befunde – und zwar auf 7.395 (+11 Prozent) bei einer Positivrate von 1,0 Prozent (identisch zur Vorwoche). Die Testkapazität für die laufende Woche liegt mit plus 3 Prozent und damit wöchentlich maximal 1.040.400 PCR-Tests weiterhin auf sehr hohem Niveau.
Den stetigen Anstieg der Testungen sehen die Mitglieder des ALM e.V. in Anbetracht der bereits hohen Auslastung der Labore weiterhin kritisch: „Dass die Politiker in Bund und Ländern möglichst breit Tests für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes ermöglichen wollen, ist nachvollziehbar und sinnvoll, sofern sie sich dabei an der nationalen Teststrategie 'Testen, testen, testen... aber gezielt' orientieren", stellt Dr. Michael Müller, 1. Vorsitzender des ALM e.V., fest. „Gerade der breite und gezielte Einsatz der PCR-Tests hat bisher maßgeblich zur Eindämmung der Pandemie in Deutschland beigetragen. Bevor man jedoch – wie in Bayern – eine massive Ausweitung des Testangebotes für alle Bürgerinnen und Bürger verkündet, wäre es zu begrüßen gewesen, über den Nutzen eines solchen Angebots für die Bekämpfung von SARS-CoV-2 zu beraten. Wir bekommen doch nicht mehr Sicherheit allein dadurch, dass sich alle testen lassen können, wie sie wollen.“
Der ALM e.V. ruft erneut dazu auf, medizinische Diagnostik nur dann einzusetzen, wenn daraus auch Handlungen und ein Nutzen abgeleitet werden können. Ob die Strategie der anlasslosen COVID-19-Diagnostik erfolgreich sein kann, das ließe sich in Bayern nun beobachten und sollte auch einmal evaluiert werden. Nach wie vor von größter Bedeutung sei das rasche Testen von Personen auch mit nur leichten Symptomen, bei Risikokontakten, bei Besorgnis nach unklaren Kontakten, zum Schutz vulnerabler Gruppen und in systemkritischen Berufen nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts im Zusammenhang mit der nationalen Teststrategie. Auch sollten wir alle in der Gesellschaft weiterhin darauf setzen, konsequent und überall die AHA-Regel (Abstand-Hygiene-Alltagsmaske) umzusetzen und gegebenenfalls einzufordern, betont Prof. Jan Kramer, Vorstand im ALM e.V.: „Denn Prävention ist immer noch die beste Medizin.“
Erneut weisen die Mitglieder des ALM darauf hin, dass eine unkritische Ausweitung der PCR-Testungen die fachärztlichen Labore ungewollt in Bedrängnis bringen könne. Laut Prof. Kramer gelangten mehr und mehr Labore an ihre Kapazitätsgrenzen: „Die Kapazität hängt von wichtigen, nicht immer beeinflussbaren Faktoren ab, wie der Verfügbarkeit von PCR-Reagenzien und Verbrauchsmaterialien, der dauerhaften Funktionsfähigkeit der eingesetzten Geräte und insbesondere auch von unserem Fachpersonal. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben schon während der Hochphase im Frühjahr großartige Arbeit geleistet. Aber weder Maschinen und erst Recht nicht Menschen können über lange Zeit sieben Tage die Woche 24 Stunden durchackern. Da läuft der beste Motor heiß!“
Um bundesweit ausreichend Reserven für anlassbezogene Testungen wie in Ausbruchsituationen zur Verfügung zu haben, sollten die Kapazitäten nur zwischen 65 bis 80 Prozent belastet werden. Engpässe könnten daher bereits bei der aktuellen Auslastung von 75 Prozent entstehen, wenn zusätzlich zu den Testungen der Reiserückkehrer noch regionale Ausbrüche, deren rasche Bearbeitung ja vorrangig erfolgen solle, zu verzeichnen wären. „Wir konnten diese Spitzen regional bisher gut abdecken. Ich wage nicht daran zu denken, was passiert, wenn wir bei dauerhaft zu hoher Auslastung keine Reserven mehr für weitere Hotspots haben“, so der Internist und Facharzt für Laboratoriumsmedizin.
Kopfschmerzen bereitet den Mitgliedern des ALM e.V. auch die noch immer andauernde Diskussion mit dem GKV-Spitzenverband, was die Kostenerstattung der SARS-CoV-2-PCR-Tests angeht. „Es ist schon erstaunlich, wie hier in einer Pandemiesituation vorgegangen wird, in der primär Solidarität und das gemeinsame Bemühen um eine wirksame Strategie gegen die ungehinderte Ausbreitung des neuen Coronavirus im Vordergrund stehen sollten“, stellt Dr. Michael Müller fest. Einerseits würde verkündet, die Leistungsausgaben der GKV seien seit Beginn der Pandemie gesunken und die Kassen würden durch die Absenkung der Mehrwertsteuer hunderte Millionen Euro an Arzneimittelausgaben sparen. „Andererseits versucht man, den Laboren grundlos die für die Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit notwendigen Mittel zu entziehen.“ Konkrete Berechnungen der Labore würden weitestgehend ignoriert, Argumentationen einfach nicht ernst genommen. Müller weiter: „Ich habe den Eindruck, dass uns der GKV-SV hier zum politischen Spielball macht.“
Der 1. Vorsitzender stellt klar: „Wer nur darauf aus ist, in jedem Fall am Labor zu sparen, der verkennt die Realität der für die Pandemieeindämmung wesentlichen Erfolgsfaktoren, zu denen zweifelsohne eine effiziente, flächendeckende und zeitnahe Labordiagnostik gehört. Wer an der Schraube Labor nur um des Kostensparens willen dreht, der sollte die damit verbundenen Risiken für die Versorgung bedenken.“