Digitale Anwendungen praxistauglich umsetzen
Vor diesem Hintergrund hat Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf dem Ärztetag begrüßt, in bestimmten Fällen von Sanktionen abzusehen. Spahn hatte auf der Eröffnungs-veranstaltung des Deutschen Ärztetages gesagt: „Da, wo es objektiv nicht geleistet werden kann, soll es auch keine Sanktionen geben.“
Neben der Schaffung der technischen Voraussetzungen müssten bei der Einführung digitaler Anwendungen vor allem eingespielte Praxisabläufe angepasst werden, betonte das Ärzteparlament. Auch ohne die pandemiebedingte hohe Belastung der Arztpraxen seien die Vorgaben des Gesetzgebers unrealistisch. Mit diesen bestehe die Gefahr, „dass Anwendungen unzureichend getestet und somit unausgereift, also potenziell patientengefährdend, eingeführt werden, um Fristen zu halten und Sanktionen zu vermeiden“, so der Ärztetag.
Basierend darauf fordert der 124. Deutsche Ärztetag zudem, die Einführung von Anwendungen zu verschieben, die nicht unmittelbar der medizinischen Versorgung dienen, „sondern primär prozessuale Erleichterungen bei den Kostenträgern bewirken“. Konkret sollte die Einführung der Anwendungen eRezept und elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) mindestens um 12 Monate verschoben werden. Die Zeit bis zur flächendeckenden Einführung von Telematikvorhaben sollte für Erprobungen in realen Versorgungsszenarien genutzt werden. Das soll gewährleisten, dass die entwickelten Produkte und Dienste friktionsfrei zum Einsatz kommen können.
Der 124. Deutsche Ärztetag hat außerdem die parlamentarischen Gremien aufgefordert, das geplante Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) in der vorgelegten Form nicht zu verabschieden. Mit diesem erfolge eine weitgehende Neuausrichtung des Gesundheitswesens, indem die elektronische Gesundheitskarte als Speicherort der Daten in der Hand des Patienten „durch zentrale Online-Speicher“ ersetzt werden soll. Bei „derart eingreifenden Veränderungen“ bedürfe es deshalb vor einer Gesetzesverabschiedung einer „breiten gesellschaftlichen Diskussion“.