Digitale medizinische Versorgung: Die Vorteile für die Patienten fokussieren
In ihrer Keynote erläuterte Prof. Dr. Sylvia Thun, Direktorin Core-Unit eHealth und Interoperabilität am Berliner Institut für Gesundheitsforschung, die Anstrengungen, einheitliche Standards und Schnittstellen durchzusetzen. Sie bilden die Voraussetzung, um die riesigen Datenmengen in den unterschiedlichsten Einrichtungen der medizinischen Versorgung für Analysen, Vergleiche und Optimierung zu nutzen. Doch das sei nur Mittel zum Zweck: Die Perspektive der Patienten müsse deutlich stärker in den Fokus, um bedarfsgerechte und akzeptierte Lösungen zu schaffen.
„Wir brauchen eine starke elektronische Patientenakte!“
Die praktischen Erfahrungen mit der elektronischen Patientenakte bewertete Hans-Joachim Fritzen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Nordost, in einer Podiumsdiskussion: „Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird nur erfolgreich sein, wenn es eine versichertenzentrierte Versorgungsstruktur, einheitliche technische Standards und ausreichend Spielraum für Mehrwertanwendungen gibt“, betonte er. „Wir brauchen eine starke elektronische Patientenakte!“ Zuvor hatte Holger Rostek, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, auf zahlreiche ungelöste Probleme beim Umgang mit dem eRezept und der elektronischen Patientenakte hingewiesen.
Schon einfache digitale Lösungen können für Pflegebedürftige wichtige Hilfen im Alltag sein und zugleich Angehörige und Pflegedienste entlasten. Prof. Dr. Arno Elmer, Geschäftsführer der Better@Home Service GmbH stellte solche niedrigschwelligen Angebote vor. Einen Ansatz für Prävention und Therapie von Prävention präsentierte Dr. Doron Stein von dermemodio GmbH.
Wie wichtig derartige Unterstützungslösungen angesichts ständig steigender Pflegezahlen sind, unterstrich Anne Kaeks, Leiterin der AOK Pflege Akademie. Die AOK Nordost hat das Programm „PfiFf – Pflege in Familien fördern“ aufgelegt, bei dem die Pflegekurse vor Ort durch digitale Angebote ergänzt werden. „In unseren Pfiff-YouTube-Pflegefilmen zeigt eine Pflegefachkraft anschaulich, wie Angehörige zu Hause gepflegt werden können“, berichtete sie. „Die Filme wurden inzwischen mehr als zwei Millionen Mal abgerufen.“
Cybersicherheit zu 100 Prozent?
Eine spannende und emotional geführte Debatte entspann sich zum Thema Cybersicherheit: Johannes Rundfeldt, Sprecher der Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen (AG KRITIS), forderte in Kliniken und vergleichbaren Einrichtungen der medizinischen Versorgung größere Anstrengungen, um die Sicherheit der Systeme auch gegen Angriffe zu gewährleisten. Seine Haltung, Cybersicherheit müsse wie bei anderer kritischer Infrastruktur in jedem Fall garantiert werden, stieß bei mehreren Konferenzteilnehmern auf Widerspruch, da sie schlicht nicht erfüllbar sei.
Die Gesundheitspolitik des Landes unterstützt nach Kräften die Anstrengungen für Digitalisierung und innovative Versorgungslösungen, betonte Gesundheitsministerin Dr. Ursula Nonnemacher (Bündnis90/Die Grünen) in einer Videobotschaft. “Die Pandemie hat nicht nur einen digitalen Schub ausgelöst, sondern zugleich Willen und Fähigkeit der unterschiedlichen Akteure zur engen Kooperation gezeigt“. Auch sie wünscht sich mehr Tempo.In einer Podiumsdiskussion erläuterte Referatsleiterin Dr. Jouleen Gruhn aus dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV) des Landes Brandenburg dazu Näheres. Die Überwindung von Sektorengrenzen sei nur durch gemeinsames Vorgehen zu erreichen – Brandenburg werde sich mit eigenen Vorschlägen in diese große Reform einbringen.
Dass der Veränderungsdruck groß ist, zeigte sich auch im Schlusswort von Michael Zaske, Abteilungsleiter Gesundheit des MSGIV. „Wir brauchen finanziell und strukturell neue Leitplanken“, betonte er. Er bedauerte, dass zum Beispiel erfolgreiche Kooperationsprojekte im Land wegen teilweise fehlender quantitativer Erfolgsnachweise bei der Bewertung die GBA-Prüfung nicht bestanden hätten. Aus Sicht des Landes seien diese Projekte wichtig, deshalb müssten Fragen der künftigen Finanzierung geklärt werden. Damit setze sich das Ministerium jetzt auseinander. Vehement sprach sich Michael Zaske für die Erhöhung der digitalen Gesundheitskompetenz aus und unterstrich die Rolle von „Lotsen“ in diesem tiefgreifenden Wandel.
Herzinsuffizienz-Monitoring – mit Kooperation zum Erfolg
Eine Erfolgsgeschichte gab es ganz zum Schluss: Michael Scherf, Mitgründer und Geschäftsführer der GETEMED GmbH in Teltow berichtete über die mehr als zehnjährige Entwicklung eines Monitorings für Herzinsuffizienz-Patienten, das seit Jahresanfang in der Regelversorgung verfügbar ist. Unterstützt von der Wirtschaftsförderung im Land, durch viele Kooperationspartner und die Berliner Charité wurde dieses Vorhaben trotz zahlreicher Hindernisse und Selbstzweifel realisiert. Mehr Tempo wäre jedoch dringend notwendig.
Die alljährlichen Landeskonferenzen Digitalisierung im Gesundheitswesen wurden bisher von der Telemed-Initiative Brandenburg bestehend aus den Partnern Universität Potsdam, UP Transfer GmbH, AOK Nordost und Waldheim Rechtsanwälten veranstaltet. Seit zwei Jahren ist die DigitalAgentur Brandenburg Kooperationspartner der Telemed-Initiative Brandenburg und ebnete den Weg, das bestehende Präsenz-Veranstaltungsformat nun zusätzlich im digitalen Format durch einen Livestream und mit digitalen Beteiligungsformaten anzubieten. Jürgen Heese, Vorstandsvorsitzender der Telemed-Initiative dankte allen für die jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit und kündigte an, dass künftig die DigitalAgentur Brandenburg diese Rolle übernehmen wird.
Der Geschäftsführer der DigitalAgentur Brandenburg, Dr. André Göbel, betonte die Wichtigkeit solcher Formate: „Der interdisziplinäre Austausch ist in Gesundheit und Pflege heute wie auch in Zukunft von oberster Wichtigkeit“, sagte er. „Mit dem steigenden Grad der Digitalisierung kommen nun neue technische und organisatorische Herausforderungen hinzu, wie sich zur Diskussion um Sicherheit und Datenschutz gezeigt hat. Die DigitalAgentur des Landes Brandenburg wird mit der Landeskonferenz auch künftig dazu beitragen, den Austausch darüber zu fördern, wie Hindernisse für Innovationen abgebaut werden können, ohne die Souveränität und Krisenfestigkeit im medizinischen und pflegerischen Bereich zu gefährden.“