Projekt PICASO für die integrierte Patientenversorgung erfolgreich vorgestellt
Die Zahl der Menschen mit chronischen Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) steigt seit Jahren und wird sich auch in Zukunft infolge des demographischen Wandels noch weiter erhöhen. Aktuell sind laut Deutschem Alterssurvey (DEAS) rund zwei Drittel aller Patienten zwischen 55 und 69 Jahren davon betroffen. Danach steigt die Wahrscheinlichkeit sogar auf über 80 Prozent. Betroffene benötigten medizinische Behandlung durch verschiedene Spezialisten und eine individualisierte, abgestimmte Therapie. Ein Problem dabei sei der mangelnde Informationsaustausch zwischen allen an der Behandlung Beteiligten, wodurch etwa verordnete Medikamente häufig nicht optimal aufeinander abgestimmt sind.
Abhilfe soll die im EU-Projekt PICASO (A Personalised Integrated Care Approach for Service Organisations and Care Models for Patients with Multi-Morbidity and Chronic Conditions) entstehende Web-Plattform zur integrierten Patientenversorgung bringen. Über die Plattform soll der Kommunikationsprozess zwischen allen an der Behandlung und Pflege Beteiligten signifikant verbessert werden, weil sich beispielsweise Kardiologen, Rheumatologen, Radiologen, Hausärzte, Physiotherapeuten sowie Pflegende und Angehörige effektiver austauschen können. Ärzte könnten mit PICASO beispielsweise Behandlungspläne erstellen, die dem aktuellen HL7 FHIR Standard (Fast Healthcare Interoperability Resource) folgen. Dieser Standard ermöglicht Interoperabilität und somit etwa den Informationsaustausch zwischen Krankenhäusern und Arztpraxen mit ihren unterschiedlichen Dokumentationssystemen.
Selbst-Management der Betroffenen fördern
Zudem will PICASO aber auch die Eigeninitiative und das Selbst-Management der Betroffenen fördern. Sie sollen einen besseren Überblick über den eigenen Gesundheitsstatus bekommen, um Wechselwirkungen mit dem eigenen Verhalten besser verstehen zu können. Dazu wurde nach Angaben des FIT das PICASO »Patient Dashboard« entwickelt. Es zeige dem Patienten seinen Behandlungsplan mit den für einen bestimmten Tag vorgesehenen Aufgaben, etwa wie welche Medikamente wann genommen werden sollen oder wann eine Blutdruckmessung vorgesehen ist. Die Einnahme von Medikamenten könne bestätigt werden oder es könne eingetragen werden, wenn Medikamente anders als verschrieben eingenommen wurden. Für alle Aufgaben gibt es Erinnerungsmeldungen, soweit der Patient das möchte. Patienten könnten die Ergebnisse aus all diesen Messungen in einzelnen Charts ansehen oder über eine zusammenfassende Übersicht aufrufen.
"Clinician Dashboard" für Ärzte und Betreuer
Auf der Seite der behandelnden Ärzte und Betreuer kommt das »Clinician Dashboard« zum Einsatz. Dieses visualisiere das komplette Behandlungssetting. Ärzte könnten sich damit schnell einen Überblick verschaffen, etwa von welchen anderen Ärzten oder medizinischen Fachkräften der Patient bereits behandelt wurde oder werde und welche diagnostischen Informationen insgesamt vorlägen. Zudem könnten die Ärzte Behandlungspläne erstellen, etwa zur Medikamentierung oder wie oft Blutdruck zu messen sei. Hier werde auch definiert, welche anderen Ärzte oder medizinischen Fachkräfte in die Behandlung einbezogen werden sollen. Alle Ergebnisse aus den zu Hause vom Patienten erhobenen Messungen und Fragebögen zum Gesundheitszustand könnten seien hier einsehbar.
Eine speziell entwickelte Kommunikationskomponente erleichtere den Informationsaustausch zwischen den Ärzten. Ein weiteres Tool erleichtere die Prognose über das Gesundheitsrisiko des Patienten auf Basis vorhandener und aktuell erhobener Gesundheitsdaten des Patienten, beispielsweise über dessen körperliche Aktivität, Rauchverhalten oder Cholesterinwerte.
»Die beiden Dashboards werden aktuell in Nutzertests evaluiert. Eine Studie wird seit April in Rom von der Universität Tor Vergata und der Abteilung für Psychiatrie des Institute of Treatment and Research, Santa Lucia, mit an Parkinson erkrankten Patienten durchgeführt. Dabei werden auch die Angehörigen der Patienten eingebunden. Über ein Tablet können sie auf das Patienten-Dashboard zugreifen, um etwa zu überprüfen, ob alle notwendigen Aufgaben des Tages durchgeführt wurden. Ziel ist es zu evaluieren, ob solche Anwendungen pflegende Angehörige bei der Erfüllung ihrer Betreuungsaufgaben unterstützen können«, erklärt Henrike Gappa vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT.
Weitere Studie kürzlich gestartet
Eine zweite Studie, organisiert von der Poliklinik für Rheumatologie & Hiller Forschungszentrum für Rheumatologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, wurde kürzlich gestartet. Im Fokus stehen hier 30 ambulant versorgte Patienten mit rheumatoider Arthritis und einer Herz-Kreislauferkrankung. Die Patienten werden nach Angaben des FIT die Plattform zusammen mit ihren betreuenden Ärzten über einen Zeitraum von sechs Monaten evaluieren.
Das »Patient Dashboard« und das »Clinician Dashboard« wurde auf dem 46. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), der 32. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh) und der wissenschaftlichen Herbsttagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) erstmals dem Fachpublikum mit sehr positiver Resonanz vorgestellt.
Weitere Informationen unter www.picaso-project.eu.