Gesundheitskiosk: Über 1.000 Patienten in den ersten sechs Monaten
Patienten werden am Gesundheitskiosk vor oder nach dem Arzttermin niedrigschwellig beraten. Sie lernen, ihre Krankheiten und Therapieanweisungen zu verstehen, Arztberichte werden erläutert, Fragen zum Abnehmen, zur Rauchentwöhnung, zur Pflege und anderen Themen beantwortet. Rund 1.000 Beratungsgespräche in acht Sprachen wurden seit dem Start im Oktober 2017 geführt. Das Erstgespräch dauert rund 45 bis 60 Minuten, die Folgegespräche eine halbe Stunde.
Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender der Landesgruppe Hamburg beim Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV-Virchow-Bund), wünscht sich, dass dieses Modellprojekt so erfolgreich ist, dass es auch auf andere Städte ausgedehnt wird. „Bislang sind wir die ersten in Deutschland mit so einer Idee. Wir haben Versorgungsprogramme zu Diabetes, Rücken, Herz und Pflege aufgelegt und eine Informationskampagne gestartet", erläuterte Dirk Heinrich, Vorsitzender der Landesgruppe Hamburg beim NAV-Virchow-Bund.“.
Der Gesundheitskiosk ist nur eine Maßnahme eines groß angelegten Projekts: Die Gesundheitsversorgung in Billstedt und Horn soll neu organisiert, der medizinische und soziale Sektor vernetzt werden. „Gesundheit für Billstedt/Horn“ wird mit 6,3 Millionen Euro vom Innovationsfonds gefördert. Das Projekt wurde 2016 vom NAV-Virchow-Bund gemeinsam mit der OptiMedis AG, dem Ärztenetz Billstedt-Horn e. V. und der SKH Stadtteilklinik Hamburg GmbH ins Leben gerufen. Mittlerweile arbeiten bereits 18 Praxen, 42 Ärzte, acht Pflegeanbieter sowie drei Krankenkassen mit dem Kiosk zusammen; über 100 Gesundheitsangebote sind verfügbar. 15 Veranstaltungen zur Ärztefortbildung wurden abgehalten, drei Gesundheitsprogramme für Risikopatienten entwickelt.
In Billstedt und Horn wohnen überdurchschnittlich viele Sozialhilfeempfänger, Menschen mit niedrigen Schulabschlüssen, Migranten und Alleinerziehende. Menschen aus diesen Bevölkerungsgruppen erkranken Studien zufolge rund zehn Jahre früher an Diabetes, Asthma, Herz- oder Lungenleiden. Die Arztpraxen können den erhöhten Behandlungsbedarf der Patienten kaum decken, es gibt schlicht zu wenig Ärzte.
Dr. Dirk Heinrich praktiziert seit 1996 als HNO-Arzt in Hamburg-Horn und erklärt: „Praxen an solchen Standorten, die ganz ohne Privatpatienten auskommen müssen, rechnen sich betriebswirtschaftlich häufig nicht. Zum Quartalsende ist das Budget der Kassen aufgebraucht und ich behandle meine Patienten, ohne dass ich von der Kasse dafür noch ein entsprechendes Honorar bekomme. Die Kosten für Mitarbeiter, Miete und Energie laufen aber weiter. Im schlimmsten Fall drohen mir sogar Honorarkürzungen und Regresse, wenn ich zu viel verschreibe.“
Ihn ärgert, dass die Sparmaßnahmen der Politik die Situation gerade in Problembezirken wie Billstedt und Horn verschärft haben: „Die Budgetierung im Gesundheitswesen ist der Hauptgrund, warum die Menschen das Gefühl haben, es gäbe eine Zwei-Klassen-Medizin. Unsinnige Forderungen wie zwangsweise noch mehr Sprechstunden ändern nichts daran, dass wir zu wenig Ärzte und zu wenig Geld für die Behandlung der Menschen in Billstedt und Horn haben.“