Telemedizinstudie: Digital vernetzte Gesundheitsversorgung funktioniert
„Das ist ein Meilenstein auf unserem Weg zur digital vernetzten Gesundheitsversorgung“, sagt TELnet@NRW-Konsortialführer Univ.-Prof. Dr. med. Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care an der Uniklinik RWTH Aachen. „Telekonsile verbessern die Behandlungsqualität sehr deutlich. Auf diesem Weg kann höchste medizinische Expertise schnell und unkompliziert flächendeckend verfügbar gemacht werden.“
Prof. Marx setze sich mit Hinweis auf die wissenschaftlich erbrachte Evidenz für die umgehende Überführung der Telekonsile in die Regelversorgung ein. Nicht zuletzt habe die Pandemie gezeigt, dass es Alternativen zur Präsenzmedizin gibt, die technisch einwandfrei funktionieren. Das Arbeiten auf Distanz und von zu Hause aus habe sich in den letzten Monaten in vielen Settings als effektiv erwiesen – warum nicht auch in der Medizin? In Zeiten knapper Personalressourcen seien Expertise und Unterstützung für den Intensivmediziner vor Ort über Telekonsile jederzeit schnell abrufbar. Entscheidungen könnten gerade bei kritischen Fällen ohne Zeitverlust getroffen werden.
TELnet@NRW konnte die Behandlungsqualität signifikant und klinisch hochrelevant verbessern
Telemedizin ermögliche eine direkte Interaktion rund um die Uhr über weite Entfernungen zwischen Intensivmedizinern oder Experten für Infektionskrankheiten und medizinischen Teams, die Patienten in Krankenhäusern oder Arztpraxen ohne direkten Zugang zu diesen Experten betreuen. Telekonsultationen von Experten erhöhten die Behandlungsqualität und schafften damit einen Mehrwert für die Patienten.
So führe es die Studie noch einmal vor Augen: TELnet@NRW konnte die Behandlungsqualität signifikant und klinisch hochrelevant verbessern. Im stationären Bereich erhöhte die telemedizinische Unterstützung beispielweise die Chance auf eine leitliniengerechte Behandlung von Blutstrominfektionen mit Staphylococcus Aureus um den Faktor 4,0. Ebenfalls positiv konnte die Behandlung von lebensbedrohlichen Krankheitsbildern wie schwerer Sepsis und septischem Schock beeinflusst werden. Hier konnte die Chance auf eine leitliniengerechte Therapie um den Faktor 6,8 gesteigert werden.
Im ambulanten Bereich reduzierte die telemedizinische Intervention inkorrekte Antibiotikagaben bei häufig vorkommenden unkomplizierten akuten oberen Atemwegsinfektionen sehr wirksam. Es konnte eine Erhöhung der Chance auf eine leitliniengerechte Behandlung um 34,3% erreicht werden. Auch bei asymptomatischen Bakteriurien konnte die Chance auf eine leitliniengerechte Behandlung um den Faktor 9,3 gesteigert werden.
Hinsichtlich der sekundären Outcomes konnte der Anteil lungenprotektiv behandelter Patienten mit akutem Lungenversagen signifikant erhöht werden. Auch die Einhaltung von international gültigen Leitlinienempfehlungen, so den Sepsis Bundles der Surviving Sepsis Campaign, konnte deutlich gesteigert werden. Dabei war eine nicht signifikante Reduktion der Sepsissterblichkeit von 28,8 Prozent auf 23,8 Prozent zu beobachten.
Umgehende Übernahme in die Regelversorgung gefordert
TELnet@NRW habe ein umfangreiches sektorenübergreifendes telemedizinisches Netzwerk geschaffen, das von den Nutzern – Patienten wie Ärzten – in hohem Maße akzeptiert werde und technisch einwandfrei funktioniere. „Es eignet sich als Blaupause“, so Konsortialführer Prof. Marx. Angesichts der eindeutigen Vorteile müssten Telekonsile nun Teil der Regelversorgung werden. „Der digitale Umbruch in der Versorgung muss jetzt erfolgen. Telemedizin wirkt!“
Der Preprint der Studie* ist unter https://s3.ca-central-1.amazonaws.com/assets.jmir.org/assets/preprints/preprint-34098-accepted.pdf frei abrufbar.
*Marx G et al. (2022): An innovative telemedical network to improve infectious disease management in critically ill patients and outpatients: a stepped-wedge, cluster randomized controlled trial (TELnet@NRW). In: J Med Internet Res. 2022, Jan 22. doi: 10.2196/34098.