HNO-Fachgesellschaft zertifiziert Cochlea-Implantat-Versorgung
In Deutschland leben laut Schwerbehindertenstatistik rund 50.000 Menschen, die gehörlos sind, weitere 250.000 sind in ihrem Hörvermögen zu mindestens 50 Prozent eingeschränkt. In vielen Fällen genügt eine Hörgeräteversorgung. Wenn aber mit einem Hörgerät kein ausreichendes Verstehen der Sprache erreicht wird, kann ein Cochlea-Implantat das Hören und Verstehen wieder ermöglichen. „Aber nicht für jeden dieser Menschen kommt ein CI infrage“, sagt Professor Dr. Dr. med. Hans-Jürgen Welkoborsky, Präsident der DGHNO-KHC und Direktor der HNO-Klinik am Klinikum Nordstadt in Hannover. Wenn etwa der Hörnerv nicht mehr intakt oder die Hörschnecke bereits verknöchert sei, könne auch ein CI keine Hörverbesserung bewirken. Umgekehrt könnten aber viele Menschen von einem CI profitieren. Die Techniker Krankenkasse etwa rechnet mit bis zu einer Million Menschen, für die der Eingriff infrage käme. „Hörminderungen beeinträchtigen nicht erst dann die Kommunikation und die Teilhabe, wenn sie Schwerbehindertenstatus erreicht haben“, sagt Welkoborsky. Viele Menschen würden ihren schleichenden Hörverlust zunächst kaum bemerken oder als normalen Alterungsprozess werten, obwohl durch den Hörverlust die Lebensqualität oft bereits erheblich beeinträchtigt wird. Gerade hier biete das CI eine sehr gute Behandlungsmöglichkeit.
Für wen ein CI sinnvoll ist und für wen nicht, kann allerdings erst nach eingehender HNO-fachärztlicher Untersuchung entschieden werden. Bereits die Diagnostik gehöre daher in die Hände erfahrener Experten, wie die DGHNO-KHC betont – ebenso wie der ca. zweistündige operative Eingriff, bei dem die elektronische Innenohrprothese in die Hörschnecke (Cochlea) eingesetzt wird. „Im weiteren Verlauf sind auch die Aktivierung des Implantats, die Hör-Rehabilitation und die lebenslange Nachsorge hochkomplexe Vorgänge, bei denen Ärzte, Techniker und Therapeuten vieler Disziplinen eng zusammenarbeiten müssen“, so Welkoborsky. Um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden, müssten diese Abläufe hohe qualitative Standards erfüllen – deren erfolgreicher Nachweis sei jetzt durch das CIVE-Zertifikat für jeden einfach erkennbar.
Bereits in den vergangenen Jahren hat die DGHNO-KHC die Qualitätssicherung bei der CI-Versorgung in Deutschland vorangetrieben. So haben Vertreter der Fachgesellschaft federführend an der Aktualisierung der AWMF-Leitlinie CI-Versorgung mitgewirkt sowie mit der Veröffentlichung eines Weißbuchs hohe Qualitätsstandards für die CI-Versorgung in Deutschland gesetzt. „Im Weißbuch sind Empfehlungen zur Struktur, Organisation, Ausstattung und fachlichen Qualifikation der implantierenden Zentren aufgeführt“, sagt Welkoborsky. Damit solle eine einheitliche und optimale Versorgung der Patient:innen sichergestellt werden. Die im Weißbuch festgehaltenen Kriterien bilden nun auch die Grundlage für die Zertifizierung, die von einer unabhängigen Organisation umgesetzt wird. Das Augenmerk werde damit ausdrücklich nicht auf Kostenaspekte oder Operationszahlen gerichtet, sondern ausschließlich auf fachlich-wissenschaftliche Aspekte der Versorgungs- und Ergebnisqualität.
Um die CI-Expertise in Deutschland effektiver zu bündeln, hat die DGHNO-KHC darüber hinaus auch die Einrichtung eines CI-Registers initiiert, das bereits in diesem Jahr seinen Betrieb aufnehmen wird. „Darin werden Informationen zu Behandlungsergebnissen und ihren Einflussfaktoren systematisch erfasst, ausgewertet und sind somit besser verfügbar“, so Welkoborsky – eine wichtige Voraussetzung dafür, die Versorgungsqualität auch in Zukunft weiter optimieren zu können.