Im Kampf gegen Diabetes & Co. ist Deutschland wenig weltmeisterlich
Während viele Länder inzwischen bevölkerungsweite Maßnahmen ergriffen haben, um die Risikofaktoren dieser Krankheiten, die mehr als 80 Prozent aller Todesfälle verursachen, zu reduzieren, blieb die Bundesregierung der UN-Konferenz erstaunlicherweise fern.
In einem dramatischen Appell erinnerte die Chefin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Chan, daran, dass die Übergewichtsepidemie seit drei Jahrzehnten immer schlimmer werde. Sie forderte zu einem drastischen Paradigmenwechsel auf („sweeping change of mindset“): „Wir denken immer noch zu sehr in Krankheiten, statt in der Verhinderung von Krankheiten.“ Die UN-Generalversammlung beschloss, dass die Staaten bis zum kommenden Jahr nationale Ziele entwickeln und nationale Pläne aufstellen sollen, um die vorzeitige Sterblichkeit durch chronische Krankheiten bis 2025 um ein Viertel zu senken.
„Es ist bedauerlich, dass die Bundesregierung sich an dieser Debatte im höchsten UN-Gremium nicht beteiligt und damit die Chance auslässt, von internationalen Erfahrungen zu lernen“, erklärt Dr. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der genauso an der Konferenz teilnahm wie Dr. Stefanie Gerlach, Leiterin Gesundheitspolitik von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe. Beide hatten bereits 2011 am ersten UN-Gipfel gegen die nichtübertragbaren Krankheiten teilgenommen.
Den Staaten werden zudem sektorengreifende Koordinierungsmechanismen empfohlen und die Einrichtung einer verantwortlichen Zuständigkeit auf hoher politischer Ebene. „Daher fordern wir seit langem einen Bundesbeauftragten für Diabetes und Adipositas, der in der Umsetzung eines Nationalen Diabetesplans eine wichtige Rolle einnehmen würde“, ergänzt Dr. Gerlach.
Eine große Zahl von Ländern berichtete in der Debatte der Generalversammlung über konkrete Maßnahmen, mit denen sie das Auftreten von nichtübertragbaren Krankheiten zurückdrängen wollen. Mehrere südamerikanische Länder haben beispielsweise mit der Brotindustrie Vereinbarungen getroffen, den Salzgehalt stufenweise zu reduzieren – hoher Salzkonsum gilt als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In Argentinien ist es gelungen, den Salzgehalt in vier Jahren um 25 Prozent zu reduzieren. Brasilien hat sich das Ziel gesetzt, den Salzgehalt in Lebensmitteln um 30 Prozent in fünf Jahren zu verringern, Kanada möchte dieses Ziel bis 2016 erreichen. Südafrika hat entsprechende gesetzliche Regelungen beschlossen.
Etliche Länder haben verschiedene Formen der Zucker-Fett-Steuer eingeführt (unter anderem Frankreich, Finnland, Mexiko, Ungarn), andere Länder verbieten an Kinder gerichtete Fernsehwerbung (unter anderem Norwegen, Schweden, Quebec) oder alle Formen der Tabakwerbung, einschließlich des Sponsorings (z.B. Australien). Andere Länder überlegen, diesen Maßnahmen zu folgen.