In Orthopädie und Unfallchirurgie gibt es sowohl Über- als auch Unterversorgung von Patienten
In Deutschland gibt es zurzeit mehr als neun Orthopäden und Unfallchirurgen pro 100 000 Einwohner – und damit eine sehr gute Versorgung im europäischen Vergleich. Allerdings haben in manchen Regionen Patienten weite Wege zum Facharzt: Das ist insbesondere in der Notfallversorgung oder bei komplizierten Eingriffen heute schon problematisch. Gleichzeitig liegen Zahlen vor, die vermuten lassen, dass in manchen Bereichen mehr medizinische Betreuung als notwendig vorgenommen wird. Welche Maßnahmen sowohl Unter- als auch Überversorgung zukünftig verhindern können, diskutierten Experten der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) kürzlich in der Berliner Veranstaltung „Zukunftswerkstatt der DGOU 2010“.
„Wir müssen als Fachgesellschaft aktiv tätig werden, wenn Orthopäden und Unfallchirurgen Leistungen erbringen, die nicht notwendig sind“, betonen Professor Dr. med. Fritz Uwe Niethard, Generalsekretär DGOU und Professor Dr. med. Hartmut Siebert, Stellv. Generalsekretär DGOU. Mehr als Hinweise gibt es bisher nicht: Daten von Krankenkassen sehen einen hohen Kostenanstieg vor allem in den Bereichen Endoprothetik und Wirbelsäulenchirurgie. Dieser Anstieg ist mit der älter werdenden Bevölkerung alleine nicht zu erklären. Welche Faktoren jedoch tatsächlich zu mehr Eingriffen führen ist bisher nicht erforscht. Initiativen für eine fundierte, aussagekräftige Versorgungsforschung ist deshalb eine der Aufgaben, die die Experten mit aus der Berliner Veranstaltung nehmen.
Angesichts der weit reichenden Folgen für jeden betroffenen Patienten ist es außerdem notwendig, die Notfallversorgung zu verbessern. Dafür diskutierten die Fachärzte mehrere Möglichkeiten. Seit einigen Monaten wird in Brandenburg beispielsweise eine Vernetzung von niedergelassenen Fachärzten mit Kliniken sowie einem ambulanten Pflegedienst erprobt. Auch eine Delegierung von ärztlichen Tätigkeiten an Assistenz- sowie Pflegeberufen könnte – wenn dafür die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden – knappe ärztliche Ressourcen zumindest teilweise auffangen. „Ob es eines Tages notwendig wird, in manchen Regionen ein ‚Orthomobil’ einzusetzen, zu dem orthopädisch-unfallchirurgisch Erkrankte und Verletzte transportiert werden müssen oder ob es sogar ‚flying doctors’ geben wird, ist bisher offen“, sagen Niethard und Siebert. Einigkeit herrsche jedoch darüber, dass aktives Handeln sowohl bei den medizinischen Fachgesellschaften als auch bei politischen Entscheidungsträgern erforderlich sei.