Innovationsfondsprojekt ARena wird ausgewertet
Für die Ergebnis-Evaluation werden die Verschreibungsdaten der Interventionsquartale (Q3/2018 – Q2/2019) mit entsprechenden Quartalen vor Interventionsbeginn (Q3/2016 – Q2/2017) sowie mit den Daten einer Vergleichsgruppe ohne Intervention verglichen. Im Ergebnis soll festgestellt werden, ob und welche Maßnahmen dazu geführt haben, dass weniger Antibiotika bzw. mehr die indizierten Wirkstoffe durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte verschrieben wurden. Ergänzend erfolgt noch eine Prozess-Evaluation (z. B. durch Befragungen, Interviews und Fokusgruppen-Analysen).
Um den sorgsamen Umgang mit Antibiotika zu fördern, setzte das Projekt zum einen beim Wissen der Ärztinnen und Ärzte, zum anderen bei der Information der Patientinnen und Patienten sowie der Öffentlichkeit über Antibiotika an. Darüber hinaus galt es, das Wissen der Patientinnen und Patienten zu stärken. Deshalb sollten Ärzte und Ärztinnen ihre Patientinnen und Patienten, die unter im Projekt festgelegten Infektionserkrankungen litten, adäquat über Antibiotika aufklären. Bei diesen sogenannten Indexerkrankungen handelt es sich um solche, bei denen erfahrungsgemäß Antibiotika verschrieben werden, obwohl diese nicht immer zwingend erforderlich sind (beispielsweise Atemwegsinfekte).
Die Intervention wurde in 14 Arztnetzen in Bayern und Nordrhein-Westfalen durchgeführt. In den teilnehmenden Netzen fanden im Rahmen des Projektes jeweils vier Qualitätszirkel zu verschiedenen thematischen Schwerpunkten statt. „Die Qualitätszirkel wurden mit datenbasierten Feedback-Berichten sowie Hintergrundinformationen vorbereitet, wodurch den Ärzten und Ärztinnen die Möglichkeit gegeben wurde, ihr eigenes Verordnungsverhalten mit anderen zu vergleichen und zu reflektieren. Zudem wurde in den moderierten Runden darüber diskutiert, wie der Antibiotika-Einsatz optimiert werden kann“, erklärt Prof. Dr. Joachim Szecsenyi, Leiter des aQua-Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, das die Konsortialführung in dem Projekt übernommen hat. Daneben sind die AOK Bayern und Rheinland/Hamburg, die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) sowie die Agentur deutscher Arztnetze e.V. als Konsortialpartner an dem Projekt beteiligt. Der AOK-Bundesverband unterstützt das Projekt als Kooperationspartner.
Zur Verbesserung der Patientenkommunikation durchliefen die Ärztinnen und Ärzte eine Online-Schulung – auch um bei Bedarf gut erklären zu können, wann und warum kein Antibiotikum zu verschreiben ist. In einigen Netzen wurden besonders auch die Medizinischen Fachangestellten geschult. Es sollten damit die Auswirkungen untersucht werden, wenn Patienten bereits vor der Arztkonsultation durch Medizinische Fachangestellte zum Thema Antibiotikaresistenzen informiert werden. In diesen Praxen wurden Tablets eingesetzt, um Informationen zu Infektionen und Erregern zu vermitteln.
Darüber hinaus wurden Materialien für Patienten entwickelt wie Plakate fürs Wartezimmer, Info-Flyer in mehreren Sprachen und sog. Infozepte mit Hinweisen auf bewährte Hausmittel bei Erkältungen, die vom Arzt direkt an den Patienten ausgegeben oder in der Praxis ausgelegt wurden.
Um eine große Öffentlichkeit zu erreichen, wurden die Projektthemen auch über Soziale Medien kommuniziert. Der Blog antibiotika-alternativen.de sowie dazugehörige Facebook-, Twitter-, Youtube- und Instagram-Kanäle informierten in regelmäßigen Abständen in für medizinische Laien verständlicher Sprache über Wissenswertes zum Thema Antibiotika und Resistenzbildung. Außerdem entstanden in Zusammenarbeit mit Influencern drei Filme, die auf Youtube gute Resonanz erzielten.
„Anlässlich der Weltantibiotikawoche der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im November des letzten Jahres wurde im ARena-Projekt darüber hinaus eine Informationskampagne gestartet. Daran beteiligten sich die teilnehmenden Arztnetze beispielsweise mit Infoständen, Aktionen in den Arztpraxen, Patientenschulungen oder eigenen Pressebeiträgen und –konferenzen“, so Dr. Veit Wambach, Allgemeinmediziner aus Nürnberg und Projektbeauftragter der Agentur deutscher Arztnetze. Auch die AOK informierte in ihren Geschäftsstellen. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns richtete zudem eine zentrale Pressekonferenz mit allen Projektpartnern in München aus.
Welche dieser Maßnahmen in welchem Ausmaß zum rationalen Antibiotika-Einsatz beigetragen haben, soll nun im Rahmen einer sorgfältigen Evaluation der Verordnungsdaten herausgefunden werden.
Ein erstes Zwischenergebnis aus Patientensicht liegt bereits vor: So zeigte sich in den beiden Patientenbefragungen, dass ein großer Teil der Befragten zur Behandlung einer Infektionserkrankung nicht unbedingt ein Antibiotikum erwartet. Die Befragungen wurden zwischen November 2017 und Februar 2018 sowie ein Jahr später in einigen am Projekt beteiligten Praxen durchgeführt und schlossen jeweils über 1.600 Patientinnen und Patienten ein. „Der von Ärzten oft wahrgenommene Verordnungsdruck von Patientenseite konnte durch die Ergebnisse unserer Befragungen nicht bestätigt werden. Insbesondere wenn die Entscheidung, kein Antibiotikum zu verordnen, mit den Patienten umfassend besprochen wird, stößt das Vorgehen bei diesen auf eine hohe Akzeptanz“, so Dr. Veit Wambach.
*ARena wird mit Mitteln aus dem Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) finanziert (Förderkennzeichen 01NVF16008). Konsortialpartner: aQua-Institut (Konsortialführung), AOK Bayern, AOK Rheinland/Hamburg, KV Bayerns, die Agentur deutscher Arztnetze sowie der AOK-Bundesverband als Kooperationspartner. Weitere Informationen unter: www.arena-info.de