Kassen- und Privatpatienten: Das Ende des getrennten Wartens
Immer häufiger kann man diese - nennen wir sie "veränderte Grundhaltung" - in Arztpraxen beobachten: ein Kassenpatient betritt die Praxis, meldet sich an und wird anschließend gebeten, ins Wartezimmer zu gehen. Doch statt der Bitte Folge zu leisten besteht er darauf, in "das andere Wartezimmer" gehen zu dürfen. Die Reaktion der Arzthelferinnen ist immer die gleiche: eine Mischung aus Entsetzen, Ungläubigkeit und Ärger über die - ihrer Meinung nach - unangemessene Reaktion. Der Emotions-Mix entlädt sich dann in der Aussage: "Das geht nicht!" Doch leider erfüllt die Ablehnung nicht ihren Zweck, der Patient besteht weiterhin darauf, die aus seiner Sicht alternative Wartemöglichkeit zu nutzen, meist mit Erfolg. Zähneknirschend lassen ihn die Medizinischen Fachangestellten gewähren.
Mit dieser Situation werden Praxisteams zukünftig häufiger umgehen müssen. Bislang bestand ein unausgesprochener Konsens zwischen Praxismitarbeiterinnen und Kassenpatienten, dass sie die Zeit bis zum Arztkontaktes in einem eigenen Warteraum verbringen, wohl wissend, dass in vielen Praxen auch ein Wartezimmer für Privatpatienten mit einem spürbaren Komfortunterschied existiert. Doch die diese Differenzierung akzeptierende Grundhaltung weicht auf. Auch Kassenpatienten werden anspruchsvoller. Viele von ihnen haben zudem IGeL in Anspruch genommen und sind damit zu zahlenden Kunden geworden, denen eine gesteigerte Betreuung zuteil wird.
Und nicht zuletzt verfügen sie über ein völlig neues Instrument, ihrer Forderung auf Gleichberechtigung Nachdruck zu verleihen: die Internet-Bewertungsportale für Arztpraxen.
So kann Praxisinhabern mit getrennten Wartezimmern nur empfohlen werden, dieses Konzept zu überdenken. Einen den Patienten vermittelbaren objektiven Grund gibt es ja ohnehin nicht, es sei denn, man bekennt sich offen dazu, dass Privatpatienten aufgrund ihres die wirtschaftliche Praxissituation fördernden Status eine andere Betreuungsqualität erfordern, ein Ansatz, der aber eher in die Rubrik "Mut zur Peinlichkeit" fällt.
Praxisinhaber, die ein positiv wirkendes Bewertungsportal-Managememt betreiben möchten, sollten den Wartezimmer-Dualismus aufgeben oder - wenn zwei Wartezonen benötigt werden - sie nach schlüssigen, den Patienten vermittelbaren medizinischen oder organisatorischen unterteilen. Denn: wer zukünftig noch differenziert, der verliert!