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KVB-Vertreterversammlung: Politische Zumutungen verhindern Nachwuchs für die Praxen

30.06.2022 14:42
Deutliche Kritik an der Politik, allen voran am Bundesgesundheitsministerium (BMG) und der vom BMG kontrollierten Gematik GmbH, übte die Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), die am 29. Juni 22 unter Leitung der Vorsitzenden Dr. Petra Reis-Berkowicz in München tagte. So erzeugten unter anderem die im Praxisalltag nicht funktionierenden Anwendungen der Telematik-Infrastruktur (TI), neue Vergütungsregelungen für Apotheken wie auch die gestern von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach verkündete Streichung der extrabudgetären Vergütung von Neupatienten erheblichen Unmut unter den gewählten Vertreterinnen und Vertretern der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten.

So wurden unter anderem Anträge mit großer Mehrheit verabschiedet, in denen ein vorübergehender Stopp aller TI-Anwendungen ebenso gefordert wurde wie die Rücknahme der Streichung der TSVG-Neupatientenregelung. Mit den permanenten politischen Zumutungen werde der Nachwuchs von einer Niederlassung in eigener Praxis abgeschreckt. Das Ergebnis davon sei bereits heute in immer mehr medizinisch unterversorgten beziehungsweise drohend unterversorgten Regionen Bayerns deutlich abzulesen.

Der Vorstand der KVB – Dr. Wolfgang Krombholz, Dr. Pedro Schmelz und Dr. Claudia Ritter-Rupp – warf zu Beginn seiner Vorträge ebenfalls einen intensiven Blick auf die bundespolitische Lage. So sei die Politik nach wie vor primär damit beschäftigt, sich mit der Bewältigung der Corona-Pandemie auseinanderzusetzen. Sie mute den Praxen in diesem Bereich vieles zu, ohne dass es eine entsprechende Anerkennung, wie den von allen Standesorganisationen mehrfach vehement geforderten Bonus für die in den Praxen tätigen medizinischen Fachangestellten geben würde. Stattdessen konnten sich die Apotheken im Rahmen des „Apotheken-vor-Ort-Stärkungsgesetzes“ über die lukrative Honorierung neuer pharmazeutischer Dienstleistungen durch die Krankenkassen freuen – und das zu Preisen, von denen die Ärzte und Psychotherapeuten nur träumen könnten. Geradezu chaotische Zustände herrschten bei der von der Gematik GmbH zu verantwortenden Einführung von TI-Anwendungen wie dem elektronischen Rezept oder der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Technische Probleme, veraltete Hardware und Sicherheitsbedenken sorgten dafür, dass die Akzeptanz der TI in der Ärzteschaft zunehmend rückläufig sei. Das Credo des Vorstands der KVB: „Die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten haben ein Recht auf eine funktionierende, sichere und leistungsfähige Technik in den Praxen.“

Der Vorstand der KVB stellte auch seine bisherigen Aktivitäten zur Eindämmung des wachsenden Einflusses von in- und ausländischen Finanzinvestoren auf das deutsche Gesundheitssystem vor und präsentierte dazu ein neu-es Rechtsgutachten des renommierten Verfassungsrechtlers Professor Helge Sodan. Das Gutachten zeigt gangbare Wege auf, wie man die investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) gesetzlich wirksam reglementieren kann. Ein weiterer Schwerpunkt in den Vorträgen galt der Be-handlung von Patienten, die mit den Folgen einer Corona-Infektion zu kämpfen haben. So wurden in Bayern im Jahr 2021 und im ersten Quartal 2022 insgesamt 280.000 Patientinnen und Patienten wegen einer Long-Covid-Erkrankung behandelt. Ein erheblicher Anteil von diesen ist längerfristig in Behandlung, etwa ein Drittel der Betroffenen war in mindestens zwei Quartalen deshalb in der Praxis. Mittlerweile steht auf der Fortbildungsplattform der KVB ein modulares Fortbildungsangebot zu Long-Covid zur Verfügung.

Ferner berichtete der Vorstand über den Stand der ambulanten Versorgung in den einzelnen Regionen Bayerns. So seien aktuell 401 Vertragsarztsitze für Hausärzte und 129,5 Vertragsarztsitze in der fachärztlichen Versorgung unbesetzt. In Kürze eröffne eine erste Eigeneinrichtung der KVB in Oberfranken im Bereich der Dermatologie, weitere solche Praxen könnten folgen. Der Vorstand der KVB forderte in diesem Zusammenhang mehr Möglichkeiten vom Gesetzgeber, dass Kassenärztliche Vereinigungen wie auch Ärzteverbände Zulassungen erwerben können, um interessierten Ärztinnen und Ärzten so einen sanften Einstieg in die vertragsärztliche Tätigkeit zu ermöglichen. Im Bereich der Psychotherapie geht derweil ein Wandel des Berufsbildes vor sich: Während die Zahl der Vollzeit-Zulassungen in den vergangenen zehn Jahren um 1.200 gesunken ist, hat die Zahl der hälftigen Zulassungen um 3.300 zugenommen. Wie auch die hohe Nachfrage bei der Terminservice-stelle zeige, sind die ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten der-zeit extrem stark ausgelastet. So habe es seit Februar 2020 einen „fulminanten Fallzahlzuwachs“ insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeuten gegeben. Gerade junge Mädchen seien stark von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen und benötigten häufig professionelle psychotherapeutische Unterstützung. Abschließend warnte der Vorstand der KVB noch vor den Folgen der vom Gesetzgeber vorgesehenen Qualitätssicherungs-Richtlinie im Bereich der ambulanten Psychotherapie. Diese gefährde in der jetzigen Form die Therapiefreiheit der behandelnden Psychotherapeuten sowie die Wahlfreiheit der Patienten.

Editorial

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