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Medical Graph kann Bürger zum Gesundheitsmanager in eigener Sache machen

15.06.2016 10:32
„Mit dem Medical Graph 1.0 haben wir die Technologie entwickelt, um auf Basis individueller Gesundheitsdaten das Krankheitsrisiko einzelner Personen präzise zu ermitteln. So kann der Einzelne durch Änderungen in seinem Lebensstil der Krankheit zielgerichtet und rechtzeitig vorbeugen und damit Lebenszeit gewinnen“, sagt Olaf Lodbrok, Geschäftsführer von Elsevier Health Analytics im Vorfeld einer Tagung seines Unternehmens in Berlin.

Denn die Risiken schwerer Ereignisse wie beispielsweise Herzinfarkte, an denen jährlich in Deutschland immerhin über 300.000 Menschen sterben, könnten heute mit hoher Wahrscheinlichkeit ermittelt und durch Prävention substanziell und vor allem für den einzelnen nachvollziehbar vermindert werden.

„Deutschlands Bürger kommen derzeit aber mangels Datenverfügbarkeit nicht in den Genuss dieser Möglichkeiten“, bedauert Olaf Lodbrok, Geschäftsführer von Elsevier Health Analytics. Der Medical Graph 1.0 sei ein erster wichtiger Schritt, um den medizinischen Status einzelner Personen insgesamt abzubilden. Die komplexen Beziehungen zwischen Krankheiten, Medikationen, Alter und Geschlecht werden sowohl in Ihrer Ursächlichkeit als auch in der zeitlichen Abfolge der Ereignisse graphisch angezeigt.

Individuelle Gesundheitsprognosen mit Hilfe des Medical Graph

Elsevier Health Analytics hat die aktuelle Version des Medical Graph 1.0 entwickelt, wobei das Tool auf einer Forschungsdatenbank basiert, die anonymisierte Historien von ca. sechs Millionen Patienten enthält. Mit Hilfe modernster statistischer Verfahren haben die Kooperationspartner bereits mehr als 2.000 Prognosemodelle erstellt, die das Eintreffen von Krankheiten vorhersagen. Die Prognosen können nun auf individuellen Gesundheitsdaten – sobald verfügbar – für den Einzelnen berechnet werden. „Der Medical Graph ist daher auch hervorragend geeignet, um die Personalisierte Medizin weiter zu entwickeln und in der Therapie zu unterstützen. Dabei handelt es sich um ein Behandlungskonzept, das Patienten auf Basis individueller Daten schneller zu einer für sie geeigneten Therapie verhelfen und zugleich das Gesundheitswesen effizienter machen kann“, so Lodbrok.

Hierzu nannte er zwei Beispiele: Etwa den 72-jährigen, männlichen Patienten, der Medikamente gegen Herzerkrankungen nimmt und für den Alkoholmissbrauch dokumentiert ist. Dieser Mann hat ein 14 Mal höheres Risiko, eine sturzbedingte Kopfwunde zu erleiden als der Durchschnitt seiner männlichen Altersgenossen. Das absolute Risiko beträgt bei ihm 58 Prozent, das heißt mit dieser Wahrscheinlichkeit stürzt der Patient in den nächsten fünf Jahren. Darüber hinaus hat er ein Herzinfarktrisiko, das Fünfzig mal höher ist als beim Durchschnitt aller Versicherten. Als zweites Beispiel nannte Lodbrok eine 66-jährige Frau mit Bluthochdruck und mehreren moderaten Problemen im Magen-Darm-Trakt. Für sie ist ein um das 13-fache erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung im Genitalbereich prognostizierbar. Das absolute Risiko beträgt für sie 44 Prozent für eine Erkrankung in den nächsten fünf Jahren. Beide Beispiele basieren auf real vorkommenden Patientensituationen.

Die Vorteile einer solchen Aufbereitung für den einzelnen Patienten lägen auf der Hand. Sowohl die Primärprävention, etwa die Sturzprophylaxe im ersten Beispiel als auch die Sekundärprävention wie Vorsorgeuntersuchungen im zweiten Beispiel können deutlich zielgerichteter und individueller geplant und umgesetzt werden. „Die Therapietreue als kritischer Erfolgsfaktor für einen positiven Therapieverlauf wird ebenfalls steigen, wenn der Patient seine Risiken kennt und seinen Alltag gezielt darauf ausrichten kann. Dann kann er Gesundheitsmanager in eigener Sache werden, weil das abstrakte Wissen um eine potenzielle Gesundheitsgefährdung auf diese Weise persönlich und konkret wird“, ist Lodbrok überzeugt.

Sichere Nutzung patientenindividueller Daten auch in Deutschland

Aktuell ist die Nutzung derartiger Daten nicht möglich, da der Medical Graph auf anonymisierten Abrechnungsdaten von Krankenkassen fußt. Das heißt, die Patienten können nicht über die ermittelten Risiken informiert werden. Für die Verwendung von pseudonymisierten Daten, welche eine direkte Ansprache des Patienten durch den Arzt oder die Krankenkasse erlauben würde, fehlt die Rechtsgrundlage. Darüber hinaus kann die Prognosequalität durch klinische Parameter wie Laborparameter und Vitalwerte entscheidend verbessert werden. Diese stehen aber heute in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht für eine Auswertung zur Verfügung.

Da im Mittelpunkt jeder qualitätsorientierten Gesundheitsversorgung die Sicherheit des Patienten stehen soll, fordert auch Hedwig Francois-Kettner, Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit: “Maßnahmen, die dem Schutz des Einzelnen nachvollziehbar dienen, sollten daher auch aus meiner Sicht mit Augenmaß und Sachverstand weiter entwickelt und zeitnah umgesetzt werden. Parallellaufende Evaluationen und Nutzenbewertungen müssen dabei die Praxistauglichkeit belegen.“

abgelegt unter:
Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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