Mobbingerfahrung begünstigt Herzinfarkte
Die Forscher analysierten Dokumentationen von Ärzten aus niedergelassenen Praxen auf Basis der retrospektiven Datenbank „IMS" Disease Analyzer. In die Auswertung flossen anonymisierte Behandlungsverläufe von 7.374 Patienten ein, bei denen Hausärzte im Zeitraum zwischen Januar 2005 und Dezember 2014 zum ersten Mal eine Mobbingerfahrung dokumentierten. 67% dieser Personen waren Frauen. Die Patienten waren im Schnitt 38 Jahre alt, wobei 35% unter 30 und 18% über 50 Jahre alt waren.
Diese Patienten wurden mit anderen ohne Mobbing-Dokumentation verglichen, wobei die selektierte Kontrollgruppe den Mobbingopfern hinsichtlich Alter, Geschlecht, Nachbeobachtungszeit, behandelndem Arzt und Co-Diagnosen (Diabetes, Hypertonie, Übergewicht, Hyperlipidämie) entsprach. Beide Patientengruppen wurden über maximal fünf Jahre weiterverfolgt, die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 3,4 Jahre.
Mobbing erhöht Risiko für Herzinfarkt, Angina Pectoris und Schlaganfall
Innerhalb der fünf Jahre nach dem Indexdatum (Mobbing-Dokumentation bei Patienten mit Mobbing-Erfahrung bzw. ein Zufallsdatum bei der Kontrollgruppe) erlitten 2,9 % in der Mobbinggruppe, jedoch nur 1,4% in der Kontrollgruppe ein sog. kardiovaskuläres Ereignis, was einen statistisch signifkanten Unterschied bedeutet. Berechnungen unter Anwendung eines Regressionsmodells ergaben, dass das Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses durch die Mobbingerfahrung um 69% erhöht war. Am stärksten zeigte sich der Effekt beim Myokardinfarkt (203% Risikoerhöhung), am schwächsten beim Schlaganfall (56%). Signifikant war er beim häufigst auftretenden Ereignis Angina Pectoris (79 %), die oft eine Vorstufe des Myokardinfarkts darstellt. Schlaganfälle wurden nur bei wenigen Patienten diagnostiziert. Weitere mit einem erhöhtem Risiko für Herzinfarkt, Angina Pectoris oder Schlaganfall assoziierte Faktoren waren ein höheres Alter, männliches Geschlecht und Übergewicht.
Mit den vorhandenen Daten lassen sich nur nicht tödliche Ereignisse erfassen. Die Bedeutung der Ergebnisse reicht jedoch weiter: „Dadurch, dass ein Teil der kardiovaskulären Ereignisse tödlich verläuft, ist davon auszugehen, dass ihre Häufigkeit noch höher ist und der negative Effekt von Mobbing noch größer. Außerdem sind Depressionen und Angststörungen als Reaktion auf Mobbing ihrerseits mit einem höheren Risiko fürkardiovaskuläre Ereignisse verknüpft. Das heißt, die Betroffenheit dürfte somit insgesamt noch höher sein als angenommen. Da es sich bei Mobbing nicht um ein Kavaliersdelikt handelt, sondern um ein Verhalten, welches das Risiko einer schweren Erkrankung erhöht bzw. deren Entwicklung beeinflussen kann, ist es wichtig, darauf zu reagieren, um den Betroffenen zu helfen. Ein Weg, wenn auch sicherlich nicht der einzige, besteht in einem individuellen kardiovaskulären Gesundheitsmanagement, da die Art der Herz-Kreislauf-Ereignisse unterschiedlich ist. Hierzu besteht auch noch Forschungsbedarf“ resümiert Prof. Dr. Karel Kostev, Forschungsleiter bei IMS Health.