Neue Ansätze zur Behandlung von Diabetes und Adipositas Der bewusste Blick in den Spiegel hilft bei der Gewichtsregulation
Diabetes und Adipositas treten immer häufiger auf, zunehmend auch kombiniert. Die Therapien stellen Betroffene oft vor große Herausforderungen. Diabetespatienten, die Insulin benötigen, müssen jeden Tag mehrmals Blutzucker messen, Insulinmengen berechnen und spritzen. Adipöse Menschen wiederum sind gefordert, täglich ein ausgeklügeltes Ernährungsmanagement umzusetzen, sich mehr zu bewegen und die Kalorienzufuhr zu kontrollieren.
„Dafür müssen Verzicht und Einschränkungen in Kauf genommen werden“, erläutert Dr. phil. Andrea Benecke. „Und das ist ein Problem“, ergänzt die Leiterin des Psychodiabetologischen Forschungs- und Behandlungsschwerpunkts der Poliklinischen Ambulanz an der Universität Mainz. „Denn die Betroffenen müssen sich jeden Tag für etwas negativ Erlebtes entscheiden. Dies entspricht nicht der menschlichen Natur, die unmittelbar positive Erfahrungen machen will.“
Erschwerend kommt hinzu, dass Blutzuckerwerte nicht hundertprozentig kontrollierbar sind. Ebenso gibt es Tage, an denen Menschen mehr wiegen, obwohl sie sich zuvor eingeschränkt haben. „Solche Erlebnisse wirken zusätzlich demotivierend, lösen Gefühle von Sinnlosigkeit, Hilflosigkeit und Versagen aus“, so Benecke. „Daraus können sich leicht Depressionen oder Angststörungen entwickeln.“ Zahlen belegen, dass Depressionen bei Diabetespatienten doppelt so häufig auftreten wie in der Allgemeinbevölkerung, Angststörungen um zwanzig Prozent erhöht sind. Angst und Depression haben zur Folge, dass sich die Blutzuckereinstellung verschlechtert oder das Gewichtsproblem verschärft.
Um dem entgegenzusteuern und die Selbstbehandlungsmotivation zu stärken, bieten Experten neue psychotherapeutische Lösungswege an. Bei der Schema-Therapie etwa identifiziert der Patient negative Einstellungen, die seine Selbstabwertung fördern oder Kompetenz in Frage stellen. „In einem zweiten Schritt verändern Therapeut und Patient die hinderlichen Schemata, so dass der Patient frei wird, gesündere Verhaltensweisen zu etablieren“, erklärt Benecke. Schwierige Lebensumstände besser annehmen zu können, ist das Ziel der Acceptance-and-Commitment-Therapie. „Psychische wie körperliche Schmerzen sollten ins Leben integriert statt bekämpft werden“, sagt Benecke. Bei Verfahren lernen die Patienten daher, Lebensziele mit der Erkrankung zu erreichen und nicht trotzdem.
Vielversprechend ist schließlich auch ein neuer Ansatz, der Menschen mit schweren Ess-Attacken helfen soll. Die Erkrankung, die Fachleute als „Binge-Eating“ bezeichnen, führt meist zu einem Vermeidungsverhalten, die Betroffenen leiden unter einer negativen Selbsteinschätzung und wollen sich mit ihrem Körper nicht beschäftigen. „Therapeutisch geleitete Konfrontationen vor dem Spiegel helfen, dieses Vermeidungsverhalten ab- und regelmäßige körperbezogene Aktivitäten aufzubauen“, erklärt Benecke.