Neue Studie zeigt: Schwere Gesichtsverletzungen während der COVID-19-Pandemie unerwartet häufig
Viele der schweren Verletzungen hatten sich im privaten Bereich und unter Alkoholeinfluss ereignet. Häufig traten starke Verletzungen der Augenhöhle auf, die mit patientenspezifischen 3D-Implantaten in vielen Fällen maßgeschneidert rekonstruiert werden konnten.
„Den Erkenntnissen der aktuellen Studie zufolge hatte die Coronapandemie einen starken Einfluss auf den Anteil der schweren Verletzungen im Gesichtsbereich“, sagt Dr. med. Dr. med. dent. Philippe Korn, Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der MHH und Experte der DGMKG. So lag der Anteil der Patienten mit Gesichtsverletzungen in der Notaufnahme der Hannoveraner Klinik – gemessen am Gesamtaufkommen der Patientenfälle in diesem Bereich – im Untersuchungszeitraum zwischen dem 23. März und dem 19. April 2020 bei mehr als 40 Prozent, während es 2019 und 2018 im gleichen Zeitabschnitt weniger als 20 Prozent waren. Gleichzeitig war die Zahl der notfallmäßig eingelieferten Patienten mit 6,79 im täglichen Schnitt 2020 geringer als in 2019 (14,96) und 2018 (11,79).
Im Vergleich zu den Vorjahren ereigneten sich die schweren Gesichtsverletzungen vor allem im häuslichen Bereich – und wie auch in den Jahren 2018 und 2019 oftmals unter Alkoholeinfluss. Die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen mussten viele schwere Verletzungen der Augenhöhle behandeln, wobei Computer-assistierte Operationstechniken und patientenspezifische 3D-Implantate zum Einsatz kamen. „Die Digitalisierung in der Medizin bietet Patienten deutliche Vorteile und Erleichterungen. Da die Implantate besser auf den einzelnen Patienten zugeschnitten sind, kann eine Rekonstruktion sozusagen maßgeschneidert durchgeführt werden“, berichtet Korn. „Die Ergebnisse sind dadurch deutlich vorhersagbarer.“
Dank exakter virtueller Planung im Vorfeld der Operation und einer computergesteuerten Navigation während des Eingriffs können die Chirurgen den Patienten zudem heute oft weitere Operationen ersparen und Operationszeiten verkürzen. Darüber hinaus sind auch die intraoperative und postoperative Qualitätskontrolle mittlerweile computergestützt. „So können wir überprüfen, inwieweit die präoperative Planung tatsächlich umgesetzt wurde und die Ergebnisse langfristig stabil bleiben“, erläutert der DGMKG-Experte.
Eine weitere zentrale Erkenntnis war, dass im Frühjahr 2020 in der Klinik- und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der MHH vor allem elektive Eingriffe patientenseits verschoben beziehungsweise abgesagt wurden. „Die Ursache war hier wie auch in der Studie mutmaßlich vor allem die Sorge von Patienten vor einer COVID-19-Infektion“, so Korn. „Es bleibt abzuwarten, welche langfristigen Auswirkungen die Veränderungen während der Coronapandemie auf unser Fach haben werden.“
Weitere Informationen: Link zur Studie