Nur 8 Prozent der an Rückenschmerzen leidenden Patienten erhalten Physiotherapie-Verordnungen
Die Ziele waren zum einen zu beurteilen, wie viele Patienten mit Rückenschmerzen eine physiotherapeutische Behandlung erhalten, und zum anderen welche Faktoren einen Einfluss darauf haben, ob einem Patienten eine physiotherapeutische Behandlung verordnet wird. Untersucht wurden zu diesem Zweck alle anonymisierten Patienten mit einer gesicherten Rückenschmerz-Diagnose (ICD 10: M54) im Zeitraum September 2009 bis August 2014 aus der IMS® Disease Analyzer Datenbank. Die Forscher selektierten die Patienten in zwei Gruppen: in diejenigen, die eine Physiotherapie verordnet bekommen haben, und jene, die keine Verordnung erhalten haben. Neben der Physiotherapieverordnung betrachteten die Forscher auch andere Einflussfaktoren, wie Alter, Geschlecht, Versicherungsart (gesetzlich/privat), Praxis-Gebiet (Ost/West), Raucherstatus sowie Co-Diagnosen (u.a. Adipositas, Herzinsuffizienz, peripher-arterielle Verschlusskrankheit).
Privatversicherte höhere Verordnungswahrscheinlichkeit
Die retrospektive Fall-Kontroll-Studie bezog im angegebenen 5-Jahres-Zeitraum über alle Fachgruppen hinweg 1.706.054 Patienten mit einer gesicherten Diagnose der Rückenschmerzen ein. Lediglich 7,9 Prozent der Patienten (136.472) haben eine Physiotherapie-Verordnung erhalten, 92,1 Prozent der Patienten (1.569.582) nicht. Diejenigen mit Verordnung waren durchschnittlich 52,8 Jahre alt, zu 56,7 Prozent weiblich und zu 16,2 Prozent privat versichert – also deutlich über der Quote der Privat-Krankenversicherten von rund 11 Prozent[2]. Die andere Gruppe charakterisierte sich durch ein Durchschnittsalter von 53,7 Jahren, 51,9 Prozent Frauen-Anteil und 11,4 Prozent Privatversicherung. Demnach gibt es einen Zusammenhang zwischen Physiotherapie-Verordnungen bei der Diagnose Rückenschmerzen einerseits und männlichem Geschlecht, jüngerem Alter sowie Versicherten mit einer privaten Vollversicherung. „Die erhöhte Anzahl von Privatversicherten unter denjenigen, die eine Verordnung erhielten, legt einen größeren finanziellen Druck bei Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung nahe“, resümiert Silvia Dombrowski, Forscherin aus dem Epidemiologie-Team bei IMS Health. Hingegen zeigten andere Studien des Teams, dass bei der Verordnung von Schmerzmitteln wie Analgetika gegen Rückenschmerzen kaum nennenswerte Unterschiede zwischen Versicherten der Gesetzlichen bzw. Privaten Krankenversicherung bestehen.
Weitere Einflussfaktoren auf Verordnungswahrscheinlichkeit
Ferner ergaben die Ergebnisse der retrospektiven Fall-Kontroll-Studie, dass eine Arzt-Praxis in Westdeutschland eine höhere Verordnungswahrscheinlichkeit der Physiotherapie bedingt. Andererseits wirkten sich Herzinsuffizienz, Rauchen, Adipositas und peripher-arterielle Verschlusskrankheit negativ auf eine mögliche Verordnung aus. „Um zu verstehen, warum bestimmte Ko-Diagnosen mit einer erhöhten oder reduzierten Wahrscheinlichkeit der Physiotherapie-Verordnung einhergehen, müssen weitere Studien durchgeführt werden“, sagt Prof. Dr. Karel Kostev, Senior Research Advisor bei IMS Health.