Pädagogik bei Krankheit: viele Mängel - und noch mehr Möglichkeiten
02.07.2012 11:00
Die schulische Versorgung kranker Kinder und Jugendlicher ist in Deutschland überwiegend defizitär, kritisiert Alexander Wertgen. Gemeinsam mit Hermann Frey legt er ein Buch vor, das neben einer Mängelliste konkret-realistische Lösungsvorschläge bietet und nachahmenswerte Best-Practice-Beispiele dokumentiert: "Pädagogik bei Krankheit".
"Das Grundrecht auf Bildung durch schulischen Unterricht wird für kranke Kinder in den Schulgesetzen der Bundesländer ohne nachvollziehbare Begründung eingeschränkt; und in der schulischen Praxis werden selbst diese Vorgaben in sehr vielen Fällen noch weit unterschritten," berichtet Wertgen. Häufig wird der Unterricht von fachfremden Pädagogen erteilt.
Bürokratische Hürden behindern die Arbeit zusätzlich. Wertgen schlägt daher u.a. vor: "Unterricht für kranke Schüler sollte grundsätzlich nicht auf Antrag erteilt werden, weil durch diese Praxis Schüler aus bildungsfernen und soziokulturell schwachen Milieus bzw. Schüler mit Migrationshintergrund benachteiligt werden. Für viele Schüler verzögert sich dadurch aus verwaltungsorganisatorischen Gründen häufig zudem der tatsächliche Unterrichtsbeginn um mehrere Wochen. Vielmehr sollte die Tatsache, dass ein Schüler lange krank ist bzw. sein wird, ausreichen, um ihm Unterricht anzubieten ...
Die Unterrichtsversorgung sollte regulär von Lehrern der Schule für Kranke sichergestellt werden, weil die Pädagogen der Stammschule oftmals aufgrund ihrer festen Unterrichtsverpflichtungen nicht in der Lage sind, flexibel in dem pädagogisch sinnvollen Umfang Hausunterricht anzubieten ..."
Auch wenn bundesweit Status und Aufgabenstellungen der Schulen für Kranke unterschiedlich diskutiert werden und der universitäre Wissenschaftsbetrieb den Themenkomplex annähernd ausklammert, belegen PädagogInnen in ihren Beiträgen zum Buch ein hohes Niveau an Erfahrung und Analyse. Monika Ahrens und KollegInnen akzentuieren z.B. in ihrem Projektbericht "Das besondere Unterrichtsangebot" einen (nicht nur) sonderpädagogischen Ansatz; im Vordergrund stehen für sie:
- Ermutigung
- Wertschätzung
- individuelle Lernrhythmisierung
- Anschauung
- Übung
- Medien- und Methodenvielfalt
- Biographiearbeit
- Verbalisierung und Visualisierung von Emotionen
- verhaltensregulierende Maßnahmen wie Belohnungssysteme
- zeitnahe Ergebnisrückmeldung
In aller Regel wird kranken Kindern nur Unterricht in Kernfächern angeboten. Ulrich Wanke rät in seinem Beitrag von dieser Engführung ab. Zwar stehen in der Kranken-Schule nicht die Ressourcen für einen üblichen naturwissenschaftlichen Unterricht zur Verfügung. Dennoch ist ein pädagogisch wertvoller Biologieunterricht möglich; Wanke beschreibt beispielhaft eine achtstündige Unterrichtssequenz zum Thema Brot: Die Kinder erarbeiten sich Informationen von der Getreideaussaat bis zur Ernährung und Verdauung.
34 AutorInnen - überwiegend aus pädagogischen Berufen - haben das Buch prall mit Erfahrungen, motivierenden Anregungen und Reflexionen gefüllt. Die Herausgeber und ein Teil der AutorInnen arbeiten in Essen an der Ruhrlandschule (Schule für Kranke).
Bürokratische Hürden behindern die Arbeit zusätzlich. Wertgen schlägt daher u.a. vor: "Unterricht für kranke Schüler sollte grundsätzlich nicht auf Antrag erteilt werden, weil durch diese Praxis Schüler aus bildungsfernen und soziokulturell schwachen Milieus bzw. Schüler mit Migrationshintergrund benachteiligt werden. Für viele Schüler verzögert sich dadurch aus verwaltungsorganisatorischen Gründen häufig zudem der tatsächliche Unterrichtsbeginn um mehrere Wochen. Vielmehr sollte die Tatsache, dass ein Schüler lange krank ist bzw. sein wird, ausreichen, um ihm Unterricht anzubieten ...
Die Unterrichtsversorgung sollte regulär von Lehrern der Schule für Kranke sichergestellt werden, weil die Pädagogen der Stammschule oftmals aufgrund ihrer festen Unterrichtsverpflichtungen nicht in der Lage sind, flexibel in dem pädagogisch sinnvollen Umfang Hausunterricht anzubieten ..."
Auch wenn bundesweit Status und Aufgabenstellungen der Schulen für Kranke unterschiedlich diskutiert werden und der universitäre Wissenschaftsbetrieb den Themenkomplex annähernd ausklammert, belegen PädagogInnen in ihren Beiträgen zum Buch ein hohes Niveau an Erfahrung und Analyse. Monika Ahrens und KollegInnen akzentuieren z.B. in ihrem Projektbericht "Das besondere Unterrichtsangebot" einen (nicht nur) sonderpädagogischen Ansatz; im Vordergrund stehen für sie:
- Ermutigung
- Wertschätzung
- individuelle Lernrhythmisierung
- Anschauung
- Übung
- Medien- und Methodenvielfalt
- Biographiearbeit
- Verbalisierung und Visualisierung von Emotionen
- verhaltensregulierende Maßnahmen wie Belohnungssysteme
- zeitnahe Ergebnisrückmeldung
In aller Regel wird kranken Kindern nur Unterricht in Kernfächern angeboten. Ulrich Wanke rät in seinem Beitrag von dieser Engführung ab. Zwar stehen in der Kranken-Schule nicht die Ressourcen für einen üblichen naturwissenschaftlichen Unterricht zur Verfügung. Dennoch ist ein pädagogisch wertvoller Biologieunterricht möglich; Wanke beschreibt beispielhaft eine achtstündige Unterrichtssequenz zum Thema Brot: Die Kinder erarbeiten sich Informationen von der Getreideaussaat bis zur Ernährung und Verdauung.
34 AutorInnen - überwiegend aus pädagogischen Berufen - haben das Buch prall mit Erfahrungen, motivierenden Anregungen und Reflexionen gefüllt. Die Herausgeber und ein Teil der AutorInnen arbeiten in Essen an der Ruhrlandschule (Schule für Kranke).
Hermann Frey, Alexander Wertgen (Hrsg.) Pädagogik bei Krankheit - Konzeptionen, Methodik, Didaktik, Best-Practice-Beispiele. Pabst, Lengerich/Berlin/Wien, 2012, 384 Seiten, ISBN 978-3-89967-748-5