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Patienteninformationen rasen über die Datenautobahn

05.05.2015 11:43
Unfallchirurgen verschicken radiologische Bilder und Befunde innerhalb von Sekunden von einer Klinik zur anderen – und das sicher und datenschutzkonform. Weit über 1.000 einzelne Schnittbilder umfasst ein Ganzkörper-Computertomogramm (CT) eines Schwerverletzten. Ist der Verunfallte beispielsweise lebensgefährlich am Gehirn verletzt, muss er oft in eine Spezialklinik verlegt werden. Noch während er mit dem Rettungshubschrauber zur Spezialklinik unterwegs ist, empfängt diese bereits die Bilder. Bevor der Patient eintrifft, können die Chirurgen die Verletzungen bewerten, die anstehende Operation planen und das OP-Team zusammenstellen. Der digitale Austausch über das teleradiologische System TKmed® der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU) spart im Notfall lebensrettende Zeit.

Wie TKmed® Ärzten und Verunfallten hilft und zukünftig auch für die Forschung und die Fortbildung von Ärzten in Deutschland und über Ländergrenzen hinweg eingesetzt wird, erklärt DGU-Präsident Professor Michael Nerlich am 10. Mai 2015 auf dem Europakongress der Unfallchirurgen in Amsterdam.

Bereits 2012 hat die DGU damit begonnen, über ihre Online-Plattform „TKmed®“ Traumazentren miteinander zu vernetzen, damit sie Röntgenaufnahmen, CT- und MRT-Bilder sowie Patientenbefunde und Arztbriefe auf elektronischem Weg austauschen können. Deutschlandweit arbeiten über 600 Kliniken in den 50 zertifizierten regionalen Netzwerken der Initiative TraumaNetzwerk DGU® bei der Versorgung von Unfallopfern eng zusammen. Über 130 von ihnen kooperieren gegenwärtig mittels der Telekooperations-Plattform TKmed®. „Eine erste Auswertung an unserer Klinik hat gezeigt, dass wir im Schockraum mit dem elektronischen Bilddatentaxi zirka 30 Minuten Zeit sparen. Vor TKmed kamen die Bilder zeitgleich mit dem Patienten auf CD an und erst dann war die Betrachtung möglich. Manchmal hängt das Leben unserer Patienten an den vorauseilenden Informationen, die über unsere Datenautobahn TKmed von einer Klinik zur anderen rasen“, sagt Nerlich, Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Regensburg.

Jährlich muss in Deutschland mit bis zu 38.000 Schwerverletzten gerechnet werden, die potenziell lebensbedrohliche Verletzungen aufweisen (1). Dazu gehören beispielsweise schwere Kopfverletzungen, ein Riss von Milz und Leber oder ein zertrümmertes Becken. Typisch für das sogenannte Polytrauma ist die gleichzeitige Kombination mehrerer schwerer Verletzungen, wobei mindestens eine der Verletzungen oder die Kombination mehrerer Verletzungen lebensbedrohlich ist. Die häufigsten Ursachen für ein Polytrauma sind Verkehrsunfälle und Stürze aus großer Höhe.

Der Raum, in dem die Unfallchirurgen zusammen mit anderen Fachdisziplinen Hand in Hand um das Leben des Verunfallten kämpfen, heißt Schockraum. Er ist der „Hot Spot“ der Notaufnahme und ein Ort strukturierter Aktion. Jedes Teammitglied ist gut auf den Schwerverletzten vorbereitet. Die genauen Vorgaben für die Behandlung sind im „Weißbuch Schwerverletztenversorgung“ (1) der DGU und in der S3-Leitlinie Polytrauma festgelegt (2). Das Ganzkörper-CT gehört zur zentralen Diagnostik bei Schwerverletzten. Bei immerhin 80 Prozent der Schwerverletzten wurde im Jahr 2013 eine solche Notfall-Untersuchung durchgeführt (3). Wissenschaftler wiesen bereits 2009 anhand von Daten aus dem TraumaRegister DGU® nach, dass das Ganzkörper-CT hilft, das Sterberisiko zu senken (4). Durch die genauen Handlungsvorschriften und auch räumlichen Vorgaben – das CT-Gerät muss sich in unmittelbarer Nähe zum Schockraum befinden – lag den Ärzten im Jahr 2013 in durchschnittlich 23 Minuten nach Eintreffen des Patienten im Schockraum ein Ganzkörper-CT vor. Vor zehn Jahren dauerte das noch 31 Minuten (3). Solche Bilder und Befunde sind sofort im TKmed-System verfügbar und können unter Einhaltung des Datenschutzes an Spezialisten anderer Kliniken verschickt werden oder von verschiedenen Abteilungen im selben Haus aufgerufen werden. Ein Ganzkörper-CT umfasst über tausend Megabyte (MB), die Übertragung an eine entfernte Klinik dauert regelhaft unter 15 Minuten. In der zeitkritischen Phase der Versorgung allerdings entscheidend ist, dass der angefragte Spezialist jedes einzelne Bild sofort nach dem Eintreffen sehen kann. Er berät dann gemeinsam mit den Kollegen, ob eine Verlegung notwendig ist oder der Patient im erstversorgenden Krankenhaus verbleiben kann.

„Mit TKmed® können wir die Kompetenz eines Maximalversorgers mit hunderten von Schwerstverletzten pro Jahr in kleinere Kliniken im ganzen Land tragen. Umgekehrt wissen unsere eigenen Ärzte schon vor Ankunft des Patienten über die optimale Behandlungsstrategie Bescheid“, sagt Nerlich.
TKmed® hat sich auch mit anderen Anwendungen etabliert. In Nerlichs Klinik wird beispielsweise die morgendliche Röntgenvisite mit Hilfe von TKmed® durchgeführt, es finden standortübergreifende Tele-Konferenzen statt und die Ärzte im Rufdienst können auch von zuhause aus mit den Kollegen in der Klinik zusammenarbeiten.

Über das neue Modul TKmed® Direkt steht der datenschutzkonforme und sichere Übertragungsweg zukünftig auch weltweit für ausländische Kliniken und für niedergelassene Ärzte in Deutschland zur Verfügung.

Der „16. European Congress for Trauma and Emergency Surgery” (ECTES) findet vom 10. bis 12. Mai 2015 in Amsterdam statt. Der Kongress steht unter dem Motto „Save lives, share knowledge “.
Unfallchirurgen aus über 70 Ländern nehmen daran teil, um sich über wirkungsvolle Ansätze und Konzepte in der Schwerverletztenversorgung auszutauschen. Mit besonders vielen Teilnehmern sind die Länder Niederlande, Deutschland, Italien, Japan, Portugal, Großbritannien und USA vertreten.

Am 10. Mai berichtet Herr Professor Nerlich in seinem Vortrag „Telemedicine in a trauma network“ zu TKmed®. Der Vortrag ist Teil der Session „Innovations: ups and downs“ von 8.30 Uhr bis 10.00 Uhr.

Quellen:
(1) Weißbuch Schwerverletztenversorgung
http://www.dgu-online.de/qualitaet-sicherheit/schwerverletzte/weissbuch-schwerverletztenversorgung.html
(2) Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung - AWMF Register-Nr. 012-019
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/012-019.html
(3) Jahresbericht 2003 und 2014 TraumaRegister DGU®
http://www.traumaregister.de/index.php?option=com_content&view=article&id=49&Itemid=55&lang=de
(4) Effect of Whole-body CT during trauma resuscitation on survival: a retrospective, multicenter study, The Lancet, Vol 373, April 25, 2009

abgelegt unter:
Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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