Pflegenotstand gefährdet stationäre Diabetestherapie
Der neu gewählte Vorstand des Verbandes der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD) sieht damit eine der wichtigsten Institutionen zur Prävention und Akutbehandlung von Menschen mit Diabetes gefährdet. Daher fordert der Berufsverband, Einrichtungen mit diabetologischem Schwerpunkt zu stärken und auch den Diabetesberatungsberuf besser zu vergüten.
„Häufig beginnen Diabetestherapien mit einer stationären Betreuung – sie entscheidet über Erfolg und Niederlage in der anschließenden ambulanten Versorgung“, betont Yvonne Häusler, neu gewähltes Mitglied im VDBD-Vorstand und Diabetesberaterin DDG. Viele Betroffene kommen aufgrund einer Stoffwechselentgleisung oder anderen bereits bestehenden Diabeteskomplikationen in die Notaufnahme und erhalten dort erstmals ihre Diabetesdiagnose. „Die professionelle Betreuung durch geschultes Personal ist dabei absolut notwendig. Ansonsten droht der Patient mit seiner komplexen Erkrankung allein gelassen zu werden und verlässt das Krankenhaus mit vielen offenen Fragen, so dass die ambulante Langzeittherapie einen denkbar ungünstigen Start hat“, ergänzt Häusler, die als Teamleiterin Diabetesberatung in einem Berliner Krankenhaus tätig ist.
Im Rahmen einer professionellen Diabetesberatung während des Klinikaufenthalts erhalten die Betroffenen Informationen über die Insulintherapie, Bewegung, Ernährung und zur Prävention von Akut- und Langzeitkomplikationen. Außerdem erlernen sie den Umgang mit der Erkrankung in Freizeit, Schule oder Beruf. Danach gehen die Diabetespatienten in die kontinuierliche ambulante Versorgung über, wo sie ebenfalls durch Diabetesberaterinnen und -berater und Diabetesassistentinnen und -assistenten in ihrem Selbstmanagement der Erkrankung begleitet werden.
Um Patienten mit Diabetes ausreichend schulen und begleiten zu können, benötigt das Fachpersonal umfassende und aktuelle Kenntnisse. Oft genug ist in Kliniken die Zeit für Fortbildungen jedoch rar. Grund dafür ist vor allem die zunehmende Arbeitsbelastung durch Personalmangel. „Der allgemeine Pflegenotstand ist in allen Krankenhäusern spürbar“, betont Häusler. „Doch besonders im klinischen Sektor ist der Bedarf an gut geschultem Personal für die diabetologische Akut- und Präventionsbehandlung wichtig.“ Neben finanziellen Kürzungen, führen auch die erschwerten Arbeitsbedingungen auf den Stationen zu einem Nachwuchsproblem beim diabetologischen Pflegepersonal, so die Expertin.
„Trotz der steigenden Erkrankungszahlen verschwindet die Diabetestherapie aus der stationären Versorgung und das können wir uns mit Blick auf die Betroffenen eigentlich nicht leisten“, mahnt Dr. rer. medic. Nicola Haller, Vorsitzende des VDBD. „Politisch muss viel mehr getan werden, um die Vergütung von Fachkräften zu steigern.“ Der Pflegemindestlohn sei ein guter erster Schritt, aber er reiche noch nicht aus, um wieder mehr Personal in die Pflege und damit auch in die Kliniken zu holen. Auch Diabetesberaterinnen und -assistentinnen werden teilweise nur auf Basis ihres Grundberufes als Pflegekraft bezahlt, obwohl sie durch die Weiterbildung zur Diabetesberaterin höher qualifiziert sind. „Der Politik muss klar sein, dass die Behandlung von Menschen mit Diabetes ohne gut ausgebildete Fachkräfte nicht funktionieren kann. Diese große Bedeutung muss sich auch in einer gerechten Bezahlung ausdrücken.“
Mit seinen mittlerweile rund 4000 Mitgliedern setzt sich der VDBD für die Interessen und Belange der Diabetesberaterinnen und -assistentinnen ein. Der neu gewählte Vorstand verfolgt das Ziel, das Berufsbild der Diabetesfachkräfte zukunftsfähig aufzustellen. Die Online-Mitgliederversammlung bestätigte Dr. rer. medic. Nicola Haller am 19. September 2020 im Amt der Vorstandsvorsitzenden und wählte Yvonne Häusler neu in den VDBD-Vorstand, in dem sie die Position der Schriftführerin innehat. Weiterhin sind auch Kathrin Boehm als stellvertretende Vorsitzende, Susanne Müller als Mitgliederbeauftragte und Lars Hecht als Schatzmeister vertreten.