Reha-Experten fordern bessere Versorgung psychisch Kranker
Laut Professor Hans-Ulrich Wittchen, klinischer Psychologe und Epidemiologe an der TU Dresden, verstreichen durchschnittlich 11,6 Jahre zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und Therapiebeginn. Nach Daten des epidemiologischen Gesundheitssurvey litten 2010 rund 28 Prozent der Bevölkerung an einer psychischen Störung. Mehr als zwei Drittel der Betroffenen hatten zwei oder mehrere Diagnosen. "Die Komorbidität ist heute der Normalfall", sagte Wittchen. Angesichts des Ausmaßes und der Komplexität der langfristigen psychosozialen Behinderungen, die sich aus psychischen Störungen ergeben, seien umfassende rehabilitative Maßnahmen oft unerlässlich.
Professor Jürgen Bengel, Arzt und Psychologe an der Universität Freiburg, betonte die Wirksamkeit der psychosomatischen Reha. Chronische körperliche Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Diabetes gingen häufig mit psychischen Belastungen und Störungen einher. Bengel forderte unter anderem auch eine intensivere Zusammenarbeit der Rehabilitation mit Allgemeinmedizinern und Betriebsärzten. Das Angebot einer stationären Rehabilitation sei "unverzichtbar".
Professor Ulrich T. Egle, ärztlicher Direktor der Fachklinik Kinzigtal in Gengenbach, kritisierte, dass chronische Schmerzpatienten oftmals Schmerzmittel und Opiate erhalten würden, aber seltener eine Psychotherapie. Niedergelassene Schmerztherapeuten müssten stärker die Vorgänge im Gehirn berücksichtigen, die entscheidend für das Schmerzempfinden seien. "Chronische Schmerzen sind selten Warnsignale einer Gewebsschädigung, sondern meist Ausdruck einer traumatischen Erfahrung", sagte Egle. Betroffene Patienten seien daher verstärkt mit psychotherapeutischen Methoden wie etwa einer Traumatherapie zu behandeln. "Bei chronischen Schmerzpatienten fängt die Reha das auf, was im ambulanten Bereich versäumt wurde", sagte Egle.