Wirkstoffverordnungs-Modellversuch - doch ohne Nettorechnung
Ziemlich schnell präsentieren KBV und ABDA ein bereits in April 2011 konsentiertes Papier, das sie „Zukunftskonzept Arzneimittelversorgung“ nannten. Es basiert im Prinzip darauf, dass der Arzt nur noch den Wirkstoff verschreibt, während der Apotheker das Präparat auswählt, was im Endeffekt auf eine Endökonomisierung des Ärztestands hinausläuft. Der Arzt soll sich dabei an einem Medikationskatalog als evidenzbasierte Entscheidungshilfe orientieren, der vorgibt, welcher Arzneistoff für welche Indikation empfehlenswert ist.
Doch was ist mit Compliance, auch abhängig von der Darreichungsform sowie der Bioverfügbarkeit? Zur Wirkstoffverordnung, zu der es bisher übrigens weltweit keine evidenzbasierten Studien gibt, äußerte sich kurz vor Scharfschaltung des VstG Prof. Dr. Sebastian Harder im Titelinterview (MVF 06/11). Diese Option, die sicherlich viele Kollegen durchaus begrüßen werden, könne im Einzelfall durchaus Probleme bereiten, meinte der 1. Vorsitzender der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e.V. „Bei 8 von 10 Patienten mag eine Substitution problemlos möglich sein", erklärte Harder. Aber zwei Patienten könnten ebenso gut erhebliche Probleme bekommen, wenn ihnen der Apotheker mal die eine und mal die andere Schachtel aushändigt. Harder weiter: "Bei jedem Wirkstoff muss man immer auch die Freisetzung oder zumindest die Darreichungsform spezifizieren." Die betroffenen Patienten liefen natürlich in
der Praxis immer wieder auf und verursachten dann neben aller Einschränkung von Lebensqualität auch ökonomische Probleme. Daher seine Forderung: "Wer so etwas propagiert, müsste meines Erachtens erst mal die Nettorechnung aufmachen.“
Das ist indes bisher unterblieben, der Modellversuch startet trotzdem. Das „Modell zur Optimierung der Arzneimittelversorgung kann in den Regionen Sachsen und Thüringen starten“, wie KBV und ABDA stolz mitteilen. Einem entsprechenden Eckpunktepapier hätten nun die regionalen Vertragspartner - die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) Sachsen und Thüringen, die Landesapothekerverbände (LAVn) Sachsen und Thüringen und die AOK PLUS - zugestimmt. „Ich freue mich, dass dieses zukunftsweisende Modellvorhaben nun in der Praxis erprobt werden kann“, erklärt dazu Regina Feldmann, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Sie erhofft sich Vorteile für Patienten und Ärzte, ebenso solle die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöht werden und für die Ärzte das Regressrisiko sinken. Und langfristig, so Feldmann weiter, solle das neue Modell preisorientierte Wirtschaftlichkeitsprüfungen ganz ablösen. Auch der Präsident der ABDA, Friedemann Schmidt, begrüßte den Fortschritt des Projektes: „Die Patienten können sich auf die Umsetzung des gemeinsamen Konzepts von Ärzten und Apothekern freuen. Wir sind überzeugt davon, dass sich ein großer Nutzen für die Menschen und das Gesundheitssystem nachweisen lässt. Zusätzlich zur Verbesserung der Qualität der Arzneimittelversorgung soll auch die Therapietreue erhöht werden. Ganz besonders freue ich mich persönlich, dass das Modell nicht nur in Thüringen, sondern auch in meinem Heimatland Sachsen umgesetzt wird.“
Das Eckpunktepapier, das die Umsetzung des gemeinsamen Arzneimittelkonzepts regelt, besteht aus drei Elementen, die stufenweise in 2013 umgesetzt werden. Während die Wirkstoffverordnung (Stufe 1) und der wirkstoffbezogene Medikationskatalog (Stufe 2) im dritten Quartal starten sollen, wird das Medikationsmanagement (Stufe 3) im vierten Quartal beginnen.
Weitere Informationen zum Zukunftskonzept Arzneimittelversorgung finden Sie bei der ABDA unter www.abda.de/zukunftskonzept.html und bei der KBV unter www.kbv.de/ais/38730.html.