Schlaganfall kostet Europa 60 Milliarden Euro
Gesundheitsökonomen der Universität Oxford haben im Auftrag der europäischen Patientenvereinigung Stroke Alliance for Europe (SAFE) die wirtschaftlichen Folgen des Schlaganfalls untersucht. Die Ergebnisse ihrer Studie haben sie jetzt im European Stroke Journal veröffentlicht. Demnach erlitten im Jahr 2017 in den 32 untersuchten Ländern Europas fast 1,5 Millionen Menschen einen Schlaganfall. Neun Millionen Europäer lebten mit den Folgen eines Schlaganfalls, mehr als 430.000 verstarben daran.
Deutschland ist spitze in Europa
In der Studie wurden die Gesamtkosten des Schlaganfalls für eine Gesellschaft berechnet. Neben den medizinischen Kosten wurde beispielsweise auch der Produktivitätsverlust berücksichtigt. Erstmals beziffert wurden familiäre Leistungen wie der Einsatz pflegender Angehöriger. Ziel der Studie ist es, den beteiligten Ländern Daten zur Verbesserung ihrer Schlaganfall-Versorgung zu liefern.
Deutschland investiert im europäischen Vergleich viel Geld in die Schlaganfall-Versorgung. Die Gesamt-Kosten aller medizinischen Leistungen inklusive der Prävention des Schlaganfalls betragen rund 9 Milliarden Euro und damit 2,6 Prozent der gesamten Gesundheitskosten. Die gesellschaftlichen Gesamtkosten des Schlaganfalls inklusive der erstmalig eingerechneten informellen Betreuungskosten (Freiwilligenzeit von Unterstützern) lagen 2017 bei geschätzten 17,6 Milliarden Euro und sind damit die höchsten in Europa. Bei den Pro-Kopf-Kosten des Schlaganfalls liegt Deutschland an zweithöchster Stelle hinter Finnland.
Sicherung der Nachsorge erfordert politische Lösung
Dr. Michael Brinkmeier, Vorstand der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, sieht durch die Studie die gute Akutversorgung und Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten in Deutschland bestätigt. Handlungsbedarf bestehe vor allem in der Nachsorge. "Auffällig ist der große Anteil familiärer Unterstützung, den die Ökonomen mit 5 Milliarden Euro beziffern, absolut betrachtet der mit Abstand höchste Wert in Europa," so Brinkmeier. "Wenn man überlegt, dass dieser Bedarf durch die demographische Entwicklung wachsen wird, gleichzeitig aber die klassische Familienstruktur in unserer Gesellschaft an Bedeutung verliert, entsteht da gerade ein großer Widerspruch und dringender Versorgungsbedarf, für den wir gesellschafts- und sozialpolitische Lösungen finden müssen."
Ein Ansatz könnte die Einführung von Patientenlotsen in der Nachsorge sein, für die sich die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe stark macht. Bei komplexen sozialmedizinischen Problemlagen, die nach einem Schlaganfall oder anderen chronischen Erkrankungen häufig auftreten, sollen Patienten Anspruch auf Begleitung durch einen Lotsen haben, der ihre Versorgung koordiniert und Hilfe zur Selbsthilfe leistet. Im Modellprojekt STROKE OWL erprobt die Schlaganfall-Hilfe im Auftrag des Bundes derzeit den Einsatz von Schlaganfall-Lotsen. Wird das Projekt erfolgreich evaluiert, sollen Lotsen in die Regelversorgung überführt werden. Dieser Anspruch müsste zuvor in den Sozialgesetzbüchern verankert werden. "Dazu führen wir gerade eine Vielzahl von Gesprächen mit allen Akteuren", so Brinkmeier. Finanziert werden könnten die Lotsen aus einer Kasse, in die unterschiedliche Kostenträger einzahlen.
Projektion in die Zukunft folgt
Im Mai 2020 werden die britischen Gesundheitsökonomen und die Stroke Alliance for Europe den zweiten Teil des gesundheitsökonomischen Reports veröffentlichen. Darin werden Modellrechnungen vorgestellt, wie sich die Kosten in den kommenden Jahrzehnten in Europa entwickeln werden.