Schlechtere Chancen: Wird Darmkrebs zu einer Krankheit der armen Leute?
Den Unterschied zwischen arm und reich kann man gut an der 5-Jahres-Überlebenszeit für Darmkrebs ablesen. Diese Größe gilt als Maß für den Heilungserfolg. Bei Menschen, die unter sozial gefestigten und wirtschaftlich sicheren Umständen leben, liegt sie bei hochgerechnet rund 70 %. Bei Menschen, die in beengten Wohnverhältnissen leben, ein niedriges Einkommen haben oder arbeitslos sind, liegt sie dagegen nur bei rund 60 %.
"Epidemiologen sind der Meinung, dass die Gründe für diese Diskrepanz in Deutschland nicht primär in einer ungleichen Versorgung zu suchen sind, sondern vor allem darin, dass Bürger aus nicht-prekären Verhältnissen und mit guter Gesundheitskompetenz einen besseren Zugang zu Vorsorgeangeboten haben und diese viel stärker nutzen", erklärt der Darmkrebs-Experte der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte und Vorstandsmitglied der Stiftung Lebensblicke, Dr. Dietrich Hüppe. Datenerhebungen der AOK Rheinland/Hamburg, nach denen die Teilnahmeraten bei Vorsorge-Darmspiegelungen von der sozialen Lage und der Bildung abhängen, unterstützen diese Meinung.
Kampagnen, die zur Vorsorge motivieren sollen, sind in der Regel auf informierte und selbst bestimmte Bürger ausgerichtet. Dieses optimistische Menschenbild setzt sorgenfreie Lebensverhältnisse voraus, die für einen zunehmenden Anteil der Bevölkerung nicht gegeben sind. "Spätestens die Corona-Pandemie macht deutlich, dass die praktizierte medizinische Aufklärung schätzungsweise 30 % der Gesellschaft aufgrund ihrer Lebensumstände nicht erreicht", stellt Dr. Hüppe fest. "Es ist dringend geboten, dass wir die sozialen Realitäten in unserem Land bei der Gestaltung von Vorsorge-Kampagnen viel stärker berücksichtigen."