Studie: Mangelernährung in Deutschland findet kaum Beachtung
Mangelernährung ist – im Gegensatz zum Volksleiden Übergewicht – weitestgehend unbekannt. Die Münchner Beratungsfirma Cepton legt erstmals eine umfassende Analyse der Fakten zu diesem Themenbereich vor, anhand derer sie ein ökonomisches Rechenmodell entwickelt hat. Dieses beruht auf Kostenberechnungen der Mangelernährung im Krankenhaussektor, in der ambulanten Pflege und bei der ambulanten ärztlichen Behandlung. Es bildet damit die gesundheitspolitischen Sektoren ab, in denen Mangelernährung eine gewichtige Rolle spielt.
Die angewandten Schätzmodelle stützen sich auf die German hospital malnutrition study (Pirlich et al), eine umfassende Untersuchung zur Verbreitung von Mangelernährung in Deutschland. Die Berechnung der durch Mangelernährung verursachten Kosten im Krankenhaus berücksichtigt beispielsweise die längere Verweildauer mangelernährter Patienten. Diese lag in der Studie im Durchschnitt um 42,5 Prozent höher als bei adäquat ernährten Patienten.
Was ist Mangelernährung?
Eine Mangelernährung nach der Definition des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen MDS ist „der medizinische Befund eines Defizits an Energie, Eiweiß und anderen Nährstoffen, das messbare Folgen für den Betroffenen hat.“ Nimmt man die Vorgabe der World Health Organisation (WHO) als Bemessungsgrundlage (BMI < 18,5 kg/m2), sind in Deutschland ca. 1,5 Millionen Menschen als mangelernährt zu bezeichnen. Besonders häufig sind Senioren betroffen: Die Prävalenz für Mangelernährung liegt bei älteren, zuhause lebenden Menschen zwischen 5 und 10 Prozent, bei älteren Pflegebedürftigen und Krankenhauspatienten bei bis zu 60 Prozent.
Die Entstehung von Mangelernährung im Alter ist multifaktoriell. Verschiedenste Altersveränderungen wie z.B. nachlassende Sinneswahrnehmungen, eine gestörte Sättigungsregulation sowie eine andere Körperzusammensetzung erhöhen das Risiko für Mangelernährung.
Daneben spielen ebenso ökonomische Aspekte (geringes Einkommen) und soziale Aspekte eine Rolle, z.B. eine einsame Wohnsituation oder die ungewohnte Umgebung einer Pflegeeinrichtung.
Mangelernährung – oft unterschätzt
Je nach Grunderkrankung leidet jeder zweite bis fünfte Krankenhauspatient an Mangelernährung. Bei geriatrischen Patienten sind es nach der zitierten Studie mehr als die Hälfte. Jedoch wird in der breiten Öffentlichkeit Mangelernährung immer noch mit magersüchtigen Essgestörten oder Hungersnöten in Dritte-Welt-Ländern assoziiert und abgetan. Dramatischer und darum wichtiger scheint in unserer Gesellschaft das Problem Übergewicht (Adipositas) zu sein. Zum Vergleich: Knapp die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung gilt als übergewichtig. Damit verbunden sind Kosten, indirekte volkswirtschaftliche Effekte eingeschlossen, von etwa 14 Mrd. €. Mangelernährung mit den berechneten zusätzlichen Kosten in einer durchaus vergleichbaren Größenordnung von 9 Mrd. € ist im Gegensatz dazu noch nicht „en vogue“.
Der mangelernährte Mensch tritt öffentlich nicht in Erscheinung
In Deutschland tritt Mangelernährung – sei sie krankheits- oder ernährungsbedingt – nicht im täglichen Leben auf: Sie betrifft in erster Linie Menschen, die nicht mehr aktiv am öffentlichen Leben teilnehmen, die in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder Altenheimen leben. Des Weiteren wird Mangelernährung nicht als eigenständiges Problem wahrgenommen, weil sie, gerade bei einer Erkrankung, im Zusammenhang mit weiteren Symptomen auftritt.
*Mangelernährung in Deutschland – Eine Studie der Cepton Strategies, 2007
Die gesundheitsökonomische Untersuchung wurde von Cepton herstellerneutral auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen und statistischer Daten durchgeführt. Pfrimmer Nutricia unterstützte das Projekt ideell und materiell, ohne Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen.
Zielsetzung: Die Ergebnisse sollen die Aufmerksamkeit auf das unterschätzte Problem der Mangelernährung lenken und den potentiellen Nutzen-Beitrag klinischer Ernährungskonzepte als einen Lösungsansatz aufzeigen.
Studiendesign und Methodik: Die Analyse basiert auf mehr als 400 Studien und wissenschaftlichen Publikationen, deren Ergebnisse relevant für eine gesundheitsökonomische Auswertung sind (Einzelstudien, Meta-Analysen und klinische Leitlinien). Dieses Material wurde in über 60 Expertengesprächen vertieft, diskutiert und gewichtet. So konnten in die Analyse die Erfahrungen der Teilnehmer einfließen und weitergehende empirische Aussagen getroffen werden.
Durchführungszeitraum: Januar bis Mai 2007. Erste Ergebnisse wurden auf dem Hauptstadtkongress 2007 in Berlin vorgestellt.