Tatort Gesundheitswesen! Ein Milliardenbetrug?
Auf dem Podium diskutierten hochrangige Vertreter aus Politik, Justiz und Kriminalpolizei mit dem BDK und dem GKV-Spitzenverband über den aktuellen Status Quo in der Betrugsbekämpfung sowie über Lösungsansätze. Deutlich wurde wieder einmal, dass eine effektive Strafverfolgung von Abrechnungsbetrug und Korruption im Gesundheitswesen vor allem eine größere Anzahl an Fachpersonal in Staatsanwaltschaft, Kriminalpolizei und den Gesetzlichen Krankenkassen benötigt.
In seinem Fazit zur Veranstaltung erklärte der BDK-Bundesvorsitzende Dirk Peglow, dass „eine wirksame Bekämpfung des Abrechnungsbetruges im Gesundheitswesen nur durch die bundesweite Einrichtung von Spezialdienststellen bei den Ermittlungsbehörden von Polizei und Justiz möglich ist. Die Tatsache, dass solche Spezialdienststellen bisher nur in sieben Bundesländern eingerichtet wurden, ist erschreckend. Der überwiegende Teil meiner Kolleginnen und Kollegen eignet sich das notwendige Fachwissen für diese hochkomplexen Verfahren nebenbei an und gerät hierbei häufig an Grenzen. Neben einer grundlegenden Aus- und Fortbildung benötigen wir eine IT-Ausstattung, die der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitsprozesse im Gesundheitswesen standhält“.
Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, unterstrich: „Um gegen Betrug und Korruption im Gesundheitswesen effektiv vorzugehen, braucht es in allen 16 Bundesländern landesweit einheitliche, spezialisierte Ermittlungsstrukturen. Da darf sich kein Bundesland wegducken! Denn Schwerpunktstaatsanwaltschaften und spezialisierte Ermittlungsgruppen sind besonders effektiv und haben sich bei der Bekämpfung von Abrechnungsbetrug und Korruption im Gesundheitswesen bewährt. Deshalb appellieren wir dringend an die Innenministerkonferenz, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzusetzen, um dem
Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen kriminalpolitisch mit großer Entschlossenheit entgegenzutreten.“
Leider bietet unser Gesundheitssystem nicht erst seit der Corona-Pandemie ausreichend Tatgelegenheiten, um kriminelle Gewinne zu erzielen. Der Topf, aus dem sich die schwarzen Schafe aller Berufsgruppen des Gesundheitswesens bedienen, war nach Schätzungen des statistischen Bundesamtes für das Jahr 2021 mit etwa 465 Milliarden Euro befüllt und hat damit einen erneuten Höchststand im Bereich der Gesundheitsausgaben erreicht. Eine beträchtliche Summe, insbesondere, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass der Gesamt-Bundeshaushalt für das Jahr 2021 inklusive des Nachtragshaushaltes mit insgesamt 548 Milliarden Euro beschlossen wurde.
Zur desolaten Situation bei den Strafverfolgungsbehörden kommt hinzu, dass auch einer Erhebung der Schadenssummen in Deutschland offenbar nicht die notwendige Bedeutung zugemessen wird. So liegen allenfalls Schätzungen vor, die sich auf eine durch die Universität Portsmouth/Großbritannien durchgeführte Dunkelfeldstudie beziehen. Hiernach soll durch kriminelle Handlungen ein jährlicher Schaden von etwa 6,19 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben entstehen. Bei Zugrundlegung der Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen im Jahr 2021 in Höhe von 263 Milliarden Euro wäre das eine Summe von annähernd 16,28 Milliarden Euro, die in Deutschland durch Vermögensstraftaten im Gesundheitswesen erlangt wurden.
Fehlverhaltensstellen der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und beim GKV-Spitzenverband
Bei allen gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und beim GKV-Spitzenverband gibt es Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen (§§ 197a SGB V, 47a SGB XI). Diese Ermittlungs- und Prüfstellen gehen Hinweisen nach, die auf „Unregelmäßigkeiten“ oder eine „rechtswidrige Nutzung von Finanzmitteln“ im Zusammenhang mit den Aufgaben der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung hinweisen, insbesondere zu Abrechnungsbetrug und Korruption. Wenn die Prüfung ergibt, dass ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung bestehen könnte, sollen die Kranken- und Pflegekassen unverzüglich die Staatsanwaltschaft unterrichten.